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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

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Heft 7
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0374

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m;

UNSTAUSSTEL LUNGEN

BERLIN
Zwei Jahre sind vergangen, seit

! wir das letzte Mal gemütlich beisam-
men waren: die Akademie und die

JKritik. Man rief beim Abschied, der
der Kritik nicht allzuschwer wurde, dem Organisator zu:
auf Wiedersehn in einer besseren Welt! Die Hoffnung
trog; in der Welt akademischer Ausstellungkünste ist es
inzwischen noch unwirtlicher geworden .. . Die Akade-
mie fühlt sich als den Adel des Malergeschlechts, und
Adel sollte verpflichten. In Herrn Kampf war wenigstens
ein Gefühl solcher Verpflichtung; sein Nachfolger aber ist
an der gestellten Aufgabe: ein Ergebnis gegenwärtiger
Kunst darzubieten, gemessen an den Spitzen der euro-
päischen Betriebe, vorbeigegangen. Viel Metier, wenig
Schöpfergeist; verharrende Maestra statt vorwärts-
dringender Naturen; keine „Fahne", der die Aus-
erwählten zueilen: — kurz eine ,,Glaspalastausstellung
im Taschenformat. Der Leiter war ein Architekt, weil
dieser Architekt zufällig Vorsitzender der Akademie
war. Doch das Haupt solcher Ausstellungen sollte
immer nur ein Maler, wenigstens aber ein Bildhauer
sein. Der heurige Chef, der in seinem besondern Fach
ein Mann von Bedeutung war, ist inzwischen gestor-
ben; damit fällt zwar die Kritik über seine persönliche
Verantwortung und Handlungsweise, doch keineswegs
das Urteil über die Ausstellung selbst. In ihrem Zu-
sammenhang sind Anders Zorn (Gentlemanbildnis) und
Gari Melchers (moderne Madonna) Genies, während sie
im Grunde doch nichts mehr als Formspieler, Impro-
visatoren sind. Bewundernswert, doch herzenskühl.
Villegas (italienisches Gartenmotiv und Zigeunerin)
etwas Ähnliches; aber ein gewisser Furor, aus den Über-
lieferungen seines Geblüts. Dagnan-Bouveret und Bon-
nat sind (in Porträtleistungen) im Grunde nichts weiter
als brave Photographen, und Franz Stuck, der mit einer
Mischung Velasquez-Biedermeier zu foppen sucht, ist
auf seiner karnevalistischenFamilientapete noch weniger.
Hat man diesen Stuck erlebt, so möchte man Artur
Kampf und Otto H. Engel beinah ans Herz drücken;
ist doch anständige Malerarbeit: Pleinairismus und Ge-
schmack-Elan für die gute Stube des Bürgers. Ver-
mittelnde, verdeutlichende, verallgemeinernde Köpfe, —
sind auch nötig. Dagegen ist sehr die Frage, ob dieser
Prass von Brangwyn-Blättern nötig war. Ein knappes
Dutzend hätte genügt. Wozu ein Anderer ein ganzes
Leben braucht, das leistet dieser Stegreifradierer in
einem kurzen Jahr. In der Produktionsfülle und der
Tendenz, die künstlerischen Reize alles zeitlichen Ver-
falls und die menschliche Tragödie zu schildern, hat
Brangwyn gewisse Ähnlichkeit mit Piranese: doch was

bei dem alten Italiener vulkanartig aus überreicher Phan-
tasie hervorbrach, das beruht bei dem Engländer auf
sicher arbeitendemMechanismus, auf wohlfunktionieren-
der Handwerksfertigkeit.. . Rodin und Liebermann (in
gehörigem Abstand wäre auch Lederer zu nennen) da-
gegen formen, voll reifer Kraft, so sachlich wie persön-
lich Abbilder des menschlichen Lebens. Zwei alte
Männer, die in jeder Arbeit jung und neuschöpferisch
sind.

Julius Elias.

Bei Maximilian Macht ist die dritte Ausstellung der
„Neuen Sezession" zu sehen. Es ist das gewohnte Bild;
doch fallen entwickeltere Einzelleistungen auf. Am
besten ist ein Mädchenbildnis in Rot von H. M. Pech-
stein , das in einem dumm kunstgewerblichen Rahmen
unverkennbar ursprüngliche Anschauuungs- und Aus-
druckskraft zeigt, und ein Bild von G. Tappert, „Loth
und seine Töchter" in dem die dekorative Organisation
einen gewissen Zug von unvollkommener Grossheit hat.
Segais „Orientalin I" ist ein hübsches Farbenornament;
die Bilder Otto Müllers verraten wieder feineren de-
korativen Esprit; und Kirchners „Dancing Girls" sind
als Varieteimpression nicht ohne originellen Witz.
Nolde möchte als ein sechzigjähriger Rembrandt er-
scheinen, weiss aber nicht wie er seine thatsächlich vor-
handene Mystik malerisch ausdrücken soll. Ein Bild
„Blumen" des alten Chr. Rohlfs wirkt wie ein eng-
lischer Stoff. In dem „Mädchen am Strande" von
Bengen ist ein gewisses Hofersches Temperament. —

Bei Paul Cassierer war eine sehenswerte Ausstellung
von Werken Hodlers, Kalckreuths und Uhdes. Unter den
einzelnen französischen Bildern ragte ein herrlicher
Degas „Musiker im Orchester" hervor. —

Bei Fritz Gurlitt war die sehr lehrreiche Gauguin-
kollektion zu sehen, die im Herbst bei Arnold in Dresden
ausgestellt war und über die damals in diesen Blättern
(Jahrgang IX, Seite 107) berichtet worden ist. Daneben
sah man E. Kalimorgens solide Alltagskunst in einer An-
zahl gut ausgewählter Werke. K. S.

»

MÜNCHEN
Der Münchener Kunstverein veranstaltete eine Aus-
stellung von Werken Altwiener Kunst, die eine gute Er-
gänzung zu den Sälen der Jahrhundertausstellung abgab,
in der zum ersten Mal die Anspruchslosigkeit, Boden-
ständigkeit und Kultur dieser liebenswürdigen Künstler-
gruppe geschlossen hatten betrachtet werden können.

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