HILDEBRANDS BISMARCKDENKMAL
IN BREMEN
VON
GUSTAV PAULI
7
's giebt Mängel, die gerade/u den
Charakter von Vorteilen gewin-
nen können. Beispielsweise hat es
der freien Hansastadt Bremen für
manche künstlerische Unterneh-
mung zum Vorzug gereicht, dass
sie keine Fürstenresidenz ist und keine berühmte
Akademie in ihren Mauern birgt. Denn sie war
durch diese Mängel von einigen beschwerlichen
Rücksichten befreit, brauchte nicht allerwegen den
consensus Serenissimi einzuholen und nicht bei jedem
Denkmal oder Galerieankauf gegenüber den Mei-
stern der heimischen Schulen Ehrenpflichten zu er-
füllen. So konnte es denn auch geschehen, dass sich
unversehens im letzten Jahrzent eine Reihe von Denk-
mälern in Bremen zusammenfanden, die alle Anwart-
schaft auf dauernden Ruhm besitzen, obwohl sie
irgendwo sonst schwerlich ausgeführt worden
wären. Nicht wahr, Tuaillons Rosselenker wäre
doch zu nackt gewesen,seinKaiserFriedrich zu antik,
ElahnsMoltke zu sakral? Und Hildebrands Bismarck;
Nun, ein Bismarck zu Rosse auf haushohem Posta-
ment unmittelbar neben einer Domkirche wäre
anderswo wahrscheinlich an dem Einspruch der Kol-
legen oder der Behörden oder der Geistlichkeit ge-
scheitert, wenn er nicht ohnehin in einer Monarchie
durch die vorgeschriebene Rangordnung für Denk-
mäler von vornherein verboten gewesen wäre.
Eine glückliche Fügung äusserer Umstände, so
etwas wie ein Zufall, musste freilich in den meisten
dieser Fälle und namentlich beim Bismarckdenkmal
den Lauf der Dinge in Fluss bringen. An Hilde-
brand war nicht gleich gedacht worden. Zunächst
hatte man ihn nur berufen um durch sein sachver-
ständiges Urteil die endlosen Meinungsverschieden-
heiten über den Standort des geplanten Monumentes
zu schlichten. Die Einen wünschten sich damals
den Bismarck in die Wallanlagen, die Anderen mitten
auf die Strasse, die Dritten auf den Domshof, die
Vierten vor den Bahnhof. Hildebrand kam, sah
sich in einer Abendstunde das Stadtzentrum an
und bezeichnete mit intuitiver Bestimmtheit den
Platz neben dem nördlichen Domturm als den besten.
Da er nun, um seine Ansicht zu verdeutlichen, gleich
eine summarische Zeichnung entwarf, so lag es frei-
lich nahe, dass die Denkmalskommission ihm die
Ausführung seinesPlanes übertrug— zum Glück für
Bremen. Zum Glück auch für den Bildhauer! denn
nach freiem eigenen Ermessen einen Helden darzu-
stellen, den die dankbare Liebe und der Stolz seines
ganzen Volkes verklären, das ist für den Künstler
allerdings die schönste beglückende Aufgabe. Hilde-
brand selbst hat es nach der Enthüllung an festlicher
Tafel ausgesprochen, indem er vorausschickte, dass
er sonst eine gewisse Scheu vor Denkmalaufträgen
empfunden habe. (Begreiflich genug! So denke ich
mir die Scheu des Schriftstellers vor den Nekrologen
der Dutzendberühmtheiten.) Aber, was sonst wohl
hemmend wirkt: die Schwierigkeit, für eine kom-
plicierte Persönlichkeit die monumentale Dar-
stellungsform zu finden, das fiel hier weg. Die
Phantasie ganz Deutschlands hatte der Phantasie des
Künstlers vorgearbeitet und die Begeisterung aller
Anderen beflügelte die seine, als er die wohlbe-
kannten Züge von neuem schuf — für sich
und wie wir hoffen für die Jahrhunderte. In solchem
Falle kann der moderne Künstler noch einmal die
unschätzbaren Vorteile geniessen, die den alten
Meistern bei der Darstellung ihrer Götter, Heroen
und Heiligen zuteil wurden.
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IN BREMEN
VON
GUSTAV PAULI
7
's giebt Mängel, die gerade/u den
Charakter von Vorteilen gewin-
nen können. Beispielsweise hat es
der freien Hansastadt Bremen für
manche künstlerische Unterneh-
mung zum Vorzug gereicht, dass
sie keine Fürstenresidenz ist und keine berühmte
Akademie in ihren Mauern birgt. Denn sie war
durch diese Mängel von einigen beschwerlichen
Rücksichten befreit, brauchte nicht allerwegen den
consensus Serenissimi einzuholen und nicht bei jedem
Denkmal oder Galerieankauf gegenüber den Mei-
stern der heimischen Schulen Ehrenpflichten zu er-
füllen. So konnte es denn auch geschehen, dass sich
unversehens im letzten Jahrzent eine Reihe von Denk-
mälern in Bremen zusammenfanden, die alle Anwart-
schaft auf dauernden Ruhm besitzen, obwohl sie
irgendwo sonst schwerlich ausgeführt worden
wären. Nicht wahr, Tuaillons Rosselenker wäre
doch zu nackt gewesen,seinKaiserFriedrich zu antik,
ElahnsMoltke zu sakral? Und Hildebrands Bismarck;
Nun, ein Bismarck zu Rosse auf haushohem Posta-
ment unmittelbar neben einer Domkirche wäre
anderswo wahrscheinlich an dem Einspruch der Kol-
legen oder der Behörden oder der Geistlichkeit ge-
scheitert, wenn er nicht ohnehin in einer Monarchie
durch die vorgeschriebene Rangordnung für Denk-
mäler von vornherein verboten gewesen wäre.
Eine glückliche Fügung äusserer Umstände, so
etwas wie ein Zufall, musste freilich in den meisten
dieser Fälle und namentlich beim Bismarckdenkmal
den Lauf der Dinge in Fluss bringen. An Hilde-
brand war nicht gleich gedacht worden. Zunächst
hatte man ihn nur berufen um durch sein sachver-
ständiges Urteil die endlosen Meinungsverschieden-
heiten über den Standort des geplanten Monumentes
zu schlichten. Die Einen wünschten sich damals
den Bismarck in die Wallanlagen, die Anderen mitten
auf die Strasse, die Dritten auf den Domshof, die
Vierten vor den Bahnhof. Hildebrand kam, sah
sich in einer Abendstunde das Stadtzentrum an
und bezeichnete mit intuitiver Bestimmtheit den
Platz neben dem nördlichen Domturm als den besten.
Da er nun, um seine Ansicht zu verdeutlichen, gleich
eine summarische Zeichnung entwarf, so lag es frei-
lich nahe, dass die Denkmalskommission ihm die
Ausführung seinesPlanes übertrug— zum Glück für
Bremen. Zum Glück auch für den Bildhauer! denn
nach freiem eigenen Ermessen einen Helden darzu-
stellen, den die dankbare Liebe und der Stolz seines
ganzen Volkes verklären, das ist für den Künstler
allerdings die schönste beglückende Aufgabe. Hilde-
brand selbst hat es nach der Enthüllung an festlicher
Tafel ausgesprochen, indem er vorausschickte, dass
er sonst eine gewisse Scheu vor Denkmalaufträgen
empfunden habe. (Begreiflich genug! So denke ich
mir die Scheu des Schriftstellers vor den Nekrologen
der Dutzendberühmtheiten.) Aber, was sonst wohl
hemmend wirkt: die Schwierigkeit, für eine kom-
plicierte Persönlichkeit die monumentale Dar-
stellungsform zu finden, das fiel hier weg. Die
Phantasie ganz Deutschlands hatte der Phantasie des
Künstlers vorgearbeitet und die Begeisterung aller
Anderen beflügelte die seine, als er die wohlbe-
kannten Züge von neuem schuf — für sich
und wie wir hoffen für die Jahrhunderte. In solchem
Falle kann der moderne Künstler noch einmal die
unschätzbaren Vorteile geniessen, die den alten
Meistern bei der Darstellung ihrer Götter, Heroen
und Heiligen zuteil wurden.
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