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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

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Heft 6
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Pauli, Gustav: Die moderne Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0307

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DIE MODERNE GALERIE

VON

GUSTAV PAULI

Deutschland soll rein sich isolieren,

Einen Pestkordon um die Grenze führen,

Dass nicht einschleiche fort und fort

Kopf, Körper und Seh wanz von fremdem Wort.

Wir sollen auf' unsern Lorbeern ruhu,

Nichts weiter denken, als was wir thun.

Goethe.

Wenn Öffentliche Einrichtungen, die mit dem ma-
teriellen Wohl oder Wehe der Bevölkerung nicht
unmittelbar verknüpft sind, ein gewisses Alter erreicht
haben, so werden sie nicht mehr diskutiert. Da sie nach
ihrem Herkommen und ihren Zielen nicht mehr befragt
werden, so leben sie ungestört ihr Einzelleben weiter.
Sie sind da, müssen da sein und scheinen sich selbst zum
Zweck geworden zu sein. Zu diesen Einrichtungen ge-
hört auch die Gemäldegalerie.

Gesetzt den Fall, dass einmal ein wissensdurstiger
Fremdling aus fernen Landen, so etwas wie ein sia-
mesischer Geheimrat, seinen deutschen Kollegen um das
Wesen und den Sinn einer modernen Galerie befragen
wollte, so würde er begleitet von einem milden Lächeln
etwa die folgende Belehrung empfangen: — Sehen Sie,
mein Lieber, diese Sache ist ungeheuer einfach. In unseren
zivilisierten Ländern des Westens ist nämlich die Kunst
nicht für einige bevorzugte Kasten sondern für alle Men-
schen da. „Kunst für Alle" ist der treffende Titel dieses
hübschen illustrierten Blattes, das da grade auf dem
Tische liegt. Weil nun die Kunst für Alle da ist, so bauen
wir ihr grosse Häuser mit reinlichen hellen Sälen, die
wir mit Kunst anfüllen und jedermann unentgeltlich zu-
gänglich machen. Dabei verstehen wir im vorliegenden
Falle unter Kunst mit Ölfarben gemalte Bilder neuerer
deutscher Meister. Jedes Volk will doch natürlich die
Bilder seiner eigenen Meister sehen, schon weil es diese
am besten versteht. In dem Galeriegebäude sitzt ein
Beamter, der alles in Ordnung hält und verwaltet. Jedes
Jahr hängt er neue Bilder auf. Doch darf er sie selbst-
verständlich nicht allein nach seinem Geschmack aus-
wählen und kaufen, sondern er hat einen sachverständigen
Beirat. Natürlich von Künstlern. Wir opfern sehr viel
Geld für diesen schönen Zweck; und wenn die Galerie
voll ist, so bauen wir eine neue. Die Galerie soll also
die ganze Bevölkerung erbauen und veredeln, sie soll
die Kunst fördern, die Künstler unterstützen, vor allem
aber soll sie ein Ehrendenkmal deutscher Art und deut-
scher Sitte sein."

Nach dieser Ansprache bleibt dem Siamesen nur
übrig, sich überwältigt von so viel Edelsinn bescheiden
zu entfernen. Ach ja, wir würden uns auch entfernen

und schweigen, wenn uns nicht die Erfahrungen eines
Jahrhunderts darüber belehrt hätten, dass die moderne
Galerie, weit davon entfernt etwas Selbstverständliches
zu sein, vielmehr etwas äusserst Diskutables ist, umhängt
mit vielen Fragezeichen. Sie soll alles Mögliche sein,
aber was ist sie denn für gewöhnlich? — Für die Einen
scheint sie das Ziel eines müssigen Spazierganges zu sein,
für die Anderen ein Arbeitsfeld, für die Dritten eine
Wärmstube oder der Treffpunkt eines Stelldicheins —
kurzum, den Wenigsten scheint sie jener Tempel reiner
Freuden zu sein, für den der Ahnungslose sie halten
müsste. Wir können uns nur schwer dazu entschliessen,
die bunte unerquickliche Menge der Besucher für das
deutsche Volk zu halten, dem zu Liebe dieser grosse
Aufwand Jahr aus Jahr ein verthan werden muss. Ganz
deutlich sehen wir es eigentlich nur, für wen die Galerie
nicht da ist — nicht für den Müssiggänger, nicht für den
Schwätzer, nicht für den Kritiker, nicht für den Ge-
lehrten und auch nicht für den grossen Herrn, dem sie
früher einmal gehörte. Und doch muss sie wohl für
irgend Jemanden da sein, der ihrer Einrichtung das Ge-
setz giebt, so wie die Kirche für die Gläubigen ein-
gerichtet ist und die Kaserne für die Soldaten. Wer ist
dieser Jemand? —

In einer russischen Komödie fragt einmal ein armer
Teufel einen frommen alten Pilger, für wen wohl alle
diese entsetzlich komplizierten Einrichtungen des mo-
dernen Staates daseien, die Einen je nachdem beschützen,
belohnen oder bestrafen. Und der Pilger antwortet dar-
auf: Sie sind für den Besten da. Das ist es. Für den
Besten ist auch die Galerie da. Nur wende man mir
nicht mit kaltem Spotte ein, dass dieser „Beste" ein Hirn-
gespinst sei; er ist mehr als das — ein Ideal, wie es als
Ziel jeder sicheren Thätigkeit vorschwebt, und gleich-
zeitig eine Realität, die uns in irgendeinem Stande und
irgend einem Gewände leibhaft begegnen kann. Es ist
der Besucher, der unvoreingenommen, ehrerbietig und
selbständig, hellen Auges und warmen Herzens der Kunst
entgegengeht. Man stelle sich diesen Besucher als sehr
anspruchsvoll und sehr empfänglich vor, dankbar für das
Gute und streng gegen das Falsche und Schwache, kurz
als so vollkommen wie man es nur vermag. Bei einem
Ideal darf man schon die Superlative verschwenden,
mit denen man bei seinen Zeitgenossen geizen sollte.
Und, wenn man sich über diesen idealen Besucher klar
geworden ist, dann richte man ihm zu Liebe die Galerie
ein! Dann wird sie schliesslich auch dem ganzen Volke
genug thun, denn jener Besucher ist dazu berufen, vor
der immer stumpfen und lenksamen Masse als Führer
einherzugehen.

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