Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

DOI Heft:
Heft 11
DOI Artikel:
Burchard, Ludwig: Jaques Bellange: (in Nancy um 1617)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0543

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
st Liebe, %

:run%,,;
tman^<:

=^ m gössen Stäfc

:t>sommer &8fer

;md3 als seien sie v0

JACQUES BELLANGE

(IN NANCY UM 1617)

VON

LUDWIG BURCHARD

jellanges Kunst war ein Kult des jungen
Weibes, der Dame; und das Bild des voll-
kommenen Weibes floss ihm in eins mit dem
Bilde der Jungfrau Maria. Die Frau, die als Gärt-
nerin Blumen trägt oder die liebeskrank einen Zau-
ber varsucht, sie feiert er mit derselben schwärme-
rischen Andacht, mit der er die Madonna in allen
hohen Stunden ihres Lebens aufsucht, als das junge
Weib, das die frohe Botschaft
empfängt, als die zärtliche
Mutter, die, eine Spindel dre-
hend, an der Wiege sitzt, oder
als die schmerzensreiche mit
dem Leichnam des geliebten
Sohnes auf den Knien. Er
sah in allem nur die eine Ge-
stalt, empfing sie mit den
Launen einer verstiegenen
Liebe und war seiner Vision
derart ergeben, dass er, wo
ein Mann zu bilden war, den
Mann nach dem gleichen Ty-
pus gab, den er für sein Weib
erfunden hatte. Sein Abgott
kehrt immer wieder; und so
begegnet man auf seiner Ra-
dierung der Drei Marien in
dreifacher Variation nur der
einen und selben Maria, sei-
nem Idol.

In der Barockkunst eines
Parmigianino, eines Greco
fand Bellange den Menschen-
typus vor, wie er ihn brauch-
te, langgliedrig, grazil, mit
schmalen Schultern und klei-
nem Kopf. Während aber die

_ . * . JACQUES BELLANGE, AUS

Zeitgenossen gern eine mas- ' DREI

sive Nacktheit darboten, übte Bellange ein weit-
gehendes Verhüllen der Körperlichkeit und fand,
eingehend auf eine derzeitige Damenmode, die das
Gewand um die Hüften aufbauschte, ein Mittel,
das labil Schwebende seiner Figur ins Imaginäre zu
erheben. Indem nämlich Nacken und Arme vom
Gewand freibleiben, häufen sich um die Schenkel
die aufgenommenen Massen derart, dass die schlan-
ken Beine darunter die Fülle
kaum tragen können; und so
gleichen Behanges Gestalten
oft den gebrechlichen Gläsern
und Urnen, die sie in Händen
halten, mit dem weit aus-
ladenden Körper auf zier-
licher Stütze. Der Stoff der
Kleider ist passend gewählt,
ist dünn und feingerauht, so
dass die Obergewänder, wenn
sie nicht aufgenommen sind,
beim Gehen am Boden haften
und nachschleifen. Um die
hochsitzenden kleinen Brüste
kräuselt sich der Stoff, aber
bis hinab zu dem geschürzten
Umbau der Hüften schmiegt
er sich an und eine lockere
Spannung lässt
streckten Leib
scheinen.

Dazu kommt, den Ein-
druck der labilen Bewegung
zu erhöhen, die Manier, in
der die Figuren stehen, die
nie senkrecht auf sich be-
ruhen, sondern vorgeschoben

oder zurückgeneigt wie im
einer folge: die heiligen „ . , c c u :

Könige Schweben aufgefangen schei-

den langge-
elastisch er-

579
 
Annotationen