Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Neue Bücher
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0473

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
,elF|*etk

inenß*c

r Tieft *■*■*>
die fuoM

NEUE BÜCHER

in Vermächtnis von Anselm
Feuerbach. Herausgegeben von
Henriette Feuerbach. Berlin bei
Meyer & Jessen 1910.

Achte Auflage. (Unveränderter
Abdruck der sechsten Auflage.)
Mit einem Vorwort von Hermann
Uhde-Bernays.
Seitdem Allgeyer über das Feuerbachsche Ver-
mächtnis gesagt hatte, es sei ihm nur der Wert einzu-
räumen, „der verklärte Abdruck der Vorstellung zu
sein, die von dem Geschiedenen im Andenken der
Mutter fortlebte", ist dieses Buch als historische Quelle
nur mit grosser Vorsicht gelesen worden. Wohl haben
sich manche Stimmen gegen diesen der Mutter ge-
machten Vorwurf erhoben, vor allen die Wilhelm Wei-
gands, A. v. Oechelhäusers und besonders auch Karl
Neumanns, der das Verhältnis zwischen dem „Nachlass"
und dem „Vermächtnis" mit den Worten charakteri-
siert: „abgesehen davon, dass Frau Feuerbach hin und
wieder einen Gedanken aus dem Schatze ihres Ge-
dächtnisses eingeflochten . . ." Aber man war doch
skeptisch geworden und neigte dazu, das Werk als
Wahrheit und Dichtung anzusehen.

Der Feuerbachkenner Hermann Uhde-Bernays, dem
wir unter anderm auch den aufschlussreichen Aufsatz
über Feuerbach und Couture* verdanken, hat in der
Vorrede zur neuen Auflage die Herausgeberthätigkeit
Henriette Feuerbachs geschildert. Eine glänzende Ehren-
rettung ist das Ergebnis. Gewiss hatte die Stiefmutter,
für die das Leben und Schaffen ihres geliebten Sohnes
zum Lebensinhalt geworden war, dem ungeordneten
Manuskript gegenüber die Pflicht der Auswahl. Dass
sie aus diesem schriftlichen Nachlass vorzüglich jene
Dokumente zur Veröffentlichung bestimmte, die ihren
Helden im reinsten Licht erscheinen lassen, ist ihr gutes
Recht, besonders bei einem Menschen, dessen Seelen-
stimmungen zwischen höchster Seligkeit und tiefster
Melancholie schnell auf- und abschwankten. Aber man
hat ihr direktere Vorwürfe gemacht, zum Beispiel den,
dass sie ganze Stellen zu dem Vorhandenen hinzuerfun-
den habe — den Vorwurf der Unwahrheit. Weil nicht
alle zum Abdruck gelangten Briefe heute noch aufzu-
finden sind, hat man (vergl. v. Lützows Besprechung
des Vermächtnisses in der Kunstchronik Bd. XVII. 1882)
kurz auf Fälschung geschlossen. Auch Werner hatte
sich dazu verleiten lassen. Uhde-Bernays weist die
Haltlosigkeit solcher Beschuldigungen nach und erinnert
daran, dass Frau Feuerbach viele Briefe verbrannt und

* Siehe auch in „Kunst und Künstler", das Maiheft dieses
Jahres. D. Red.

verschenkt hat, dass sie aber laut eigener Äusserung
„alle Belege schwarz auf weiss besass" und dass ihr „die
Abschriften auf unerklärliche Weise abhanden gekom-
men seien". Wer die Herausgeberthätigkeit, die dem
„Vermächtnis" erst die Form schaffen musste, Schritt
für Schritt nachgeht, muss erkennen, dass in diesem
Falle das philologische Gewissen keinen Augenblick lang
geruht hat. Jeder Gedanke dieses herrlichen Buches ist
von Anselm Feuerbach. Dass es möglich war, aus dem
verworrenen, kaum leserlichen Konvolut des Manu-
skripts ein solches Meisterwerk herauszukristallisieren,
ist allerdings unbegreiflich. Und es ist keine Phrase,
wenn die Mutter schreibt: „Die Arbeit war herz-
brechend. Das ganze Leben noch einmal durchlebt,
jeden Brief registriert, alle brauchbaren Stellen an-
gestrichen und alle Beilagen zugeschafft und angefügt
— so einen Jahrgang nach dem andern von 1845 bis
1879." Zu einer solchen Arbeit ist doch nur die Liebe
und die Begeisterung fähig. Und man kann von diesem
Buche auch sagen, was Anselm Feuerbach einmal über
sein ganzes Schaffen an die Mutter schrieb: „Sind nicht
alle Resultate, die ich erzielen werde, zur Hälfte dein
und zur Hälfte mein Werk?"

Die neue Auflage wurde genau nach der zweiten
abgedruckt, von der Henriette Feuerbach gesagt hatte:
„Wie das Buch jetzt ist, so bleibt es für alle Zeit."
Man hätte einige falsche Datierungen in den Briefen
ja heute korrigieren können. Der Herausgeber hat dies
unterlassen, ausdrücklich aus Pietät gegen jenen Wunsch
der Mutter. Da diese wenigen auf kleinen Irrtümern
beruhenden Datierungen vollkommen belanglos sind,
und am Sinn des Buches nicht das Geringste ändern,
darf man ihm Recht geben. Auch im übrigen wird man
ihm für seine mühevolle Untersuchung sehr dankbar
sein. War es doch an der Zeit, dass über den histori-
schen Wert des „Vermächtnisses" endlich einmal volle
Klarheit geschaffen wurde. Über seinen menschlichen
Wert braucht hier kein Wort hinzugefügt zu werden. —

Die Ausstattung der neuen Auflage ist würdig und
einfach. Die Reproduktion des Feuerbachschen Selbst-
porträts in der Pinakothek ist sehr gelungen.

E. Waldmann.

Im Anschluss an diese Anzeige wird es interessieren, auch
eine vergessene, 1882 von Conrad Fiedler in der Wissenschaft-
lichen Beilage der Leipziger Zeitung veröffentlichte Besprechung
des „Vermächtnisses" im Auszug zu lesen. Um so mehr als
dieser kleine Aufsatz wertvoll nicht nur für die Würdigung Feuer-
bachs sondern auch für die Conrad Fiedlers ist. Zum Abdruck
hat Frau Mary Balling gütigst ihre Erlaubnis gegeben. Auf die
Spur der kleinen Arbeit wurde Hermann Uhde-Bernays durch
einen Brief von Feuerbachs Mutter an Jul. Allgeyer gelenkt.

D. Red.

509
 
Annotationen