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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

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Heft 1
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Kunstausstellungen
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UNSTAUSSTELLUNGEN

WEIMAR

Dasjalir ihres fünfzigjährigen Be-
stehens feierre die Weimarische Kunst-
schule mit einer Jubiläumsaus-
stellung, die eine lehrreiche Rückschau bot über ein
halbes Jahrhundert deutscher Malerei.

Für die Bedeutung Weimars, als eine Stätte der
Augenschulung sind die Namen und Werke von
Künstlern entscheidend, die dort als Schüler oder Lehrer
thätig waren: Böcklin, Lenbach, Liebermann, der Tier-
maler Brendel, der Landschafter Buchholz, der Pfadfinder
von Gleichen-Russwurm, Begas, Leopold von Kalckreuth
und die jetzigen Lehrer: Ludwig von Hofmann, Olde,
Thedy, Melchers, Mackensen, Hagen, Smith, Förster
und Rasch. Diese Namen sind ein Bekenntnis, ein
Programm, dessen Sinn es ist, dass unter dem System
der freien Wahl des Meisters von seiten der Schüler ein
sich von Zeit zu Zeit verjüngendes künstlerisches Leben
und Werden möglich wurde und noch möglich ist. Das
unterscheidet die Weimar-Schule, die hinfort „Hoch-
schule für bildende Künste" genannt werden soll, von
den meisten akademischen Lehranstalten. Ohne Sonder-
bestrebungen und vor allem ohne festgelegte „Prin-
zipien", die verengen und veralten, hat sie bewiesen,
dass eine Malerakademie sehr wohl nützlich und grund-
legend wirken kann.

Interessant ist die historische Distanz, die man bei
solcher Gelegenheit zu Meistern, wie Böcklin und Len-
bach gewinnt. Was Lenbach gekonnt hat, als er noch
lernte, was er später nicht mehr zu machen für nötig
hielt: das bewiesen
verschiedene Bei-
spiele aus der frühen
und der späteren M
Periode. Die Stu-
dien aus derZeit, da
Lenbach den schla-
fenden Hirtenkna-
ben der Schack-
Galerie malte,

zeigen, wie er
damals den Dingen
mit nüchternem
Ernste nachging, bis
er sie hatte. Der
„Italiener mit der
roten Weste", der
„Mann mit dem
Dudelsack" und das
prächtige Langohr
in seiner staubig
struppigen Echt-

ALBERT BRENDEL, TIERE AUF DER WEIDE
AUSG. IN DER WEIMARER JUBILÄUMSAUSSTELLUNG

heit: ich ziehe diese Arbeiten manchem virtuosen
Porträt des späteren Lenbach vor. Von seinen
Bildnissen waren eigentlich hier nur zwei gut: ein un-
signiertes Damenporträt in hellem Kleide, von grossem
Liebreiz, licht und fein im Ton und Ausdruck, und das
bekannte Döllinger-Bild (im Besitz des Grossherzoglichen
Museums am Karlsplatz) eines der tiefsten Seelenspiegel
von Lenbachs Hand.

Und der liebe, tapfre Arnold Böcklin! Hier sah
man, wie er langsam, schrittweise aus der Romantik sich
herausgearbeitet hat. Das kleine Doppelbild von sich
und seiner Frau, abendlich wandelnd im Spätsommer,
von rotem Weinlaub überrankt, entstammte den jungen
Mannesjahren; es steckt noch in der Idyllenromantik
der Spitzweg und Schwind. Noch früher ist der grosse
weibliche Profilkopf; übrigens von einer Leere und
„Talentlosigkeit", die geradezu rührend ist! Dazu ein
spassiges Gemälde: „Der Teufel in der Schmiede", das
Böcklin unter Mitwirkung von Begas und Lenbach in
Weimar gemalt haben soll. Und dann die kleinen, weit-
räumigen Landschaften. Ja, auch ein Böcklin fiel nicht
fertig vom Himmel herunter!

Die Landschaft war das Wesentliche und Ent-
scheidende im neunzehnten Jahrhundert. Wie erkennt
man das deutlich bei Brendel (dem Kuhmaler) und
Buchholz und HofFmann von Fallersleben. Diese Leute
liebten die Landschaft mit Inbrunst, gleichsam in Er-
mangelung einer Religion. Sie beteten sie an, aber nicht
nur das Tatsächliche und Zufällige in ihr, sondern vor
allem das Organische und Konstruktive, wobei das
Momentane nur als Stimmungsgeber wichtig erschien.

Bildchen wie: „Die
Schonung", von
HofFmann - Fallers-
leben, wie „die
Wiese mit Wasser-
tümpel", oder der
„Dorfteich" kenn-
zeichnen wunderbar
die Art dieser
Maler, in die Natur
zu gehen mit dem
Willen zum Bilde.
Wirklichkeitsdar-
stellung in einem
mehr modernen
Sinne hat der feine
und liebenswürdige
Freiherr von Glei-
chen Russwurm
versucht. Zu seinem
Schaden, denn das
Problem der rein

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