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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

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Heft 2
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Hancke, Erich: Max Slevogt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0080

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herab, die linke ist mit einer sehr glücklichen Be-
wegung in die Hüfte gestützt. Es ist ein hübsches
Mädel mit ihrem rotblonden lockigen Haar, den
grünen Augen, der feinen, spitzen Nase und dem
sehr roten Munde. Ein leichtes Lächeln geschmei-
chelter Eitelkeit, der Eifer, recht gut zu halten und
dabei ein Anflug von lauerndem auf der Hut sein
sind auf dem Gesicht zu lesen. Das Kleid ist
dunkel, an Hals und Taille durch ein helles Band
unterbrochen, dessen feines Blau den Teint hebt.
Zierliche Chiffonturfs von gleicher Farbe sind zu
beiden Seiten des Halses angebracht.

Die Jugendfrische, die über diesem Bilde liegt,
ist indessen nicht nur auf das reizende Modell zu-
rückzuführen, es spricht aus ihm der erhöhte Zu-
stand eines Talentes, das seine Schwingen wachsen
und sich schon von dem Erfolge getragen fühlt; es
liegt in ihm die glückliche Dumpfheit des Münchner
Lebens und zugleich die Energie, das Gefährliche
dieses Lebens zu überwinden.

Als ein echter Kolorist zeigt sich Slevogt hier,
als Einer, der nicht nur Härten zu vermeiden und
zwei oder drei Töne zu angenehmen Harmonien
zusammenzustellen weiss, sondern der das farbige
Leben der Gegenstände empfindet und auf die Lein-
wand bringt. Das Fleisch, das er malt, ist wirk-
liches Fleisch, es ist warm, es errötet, man sieht das
Blut unter der Haut; und ebenso giebt er alle anderen
Qualitäten nicht durch witzig nachahmende Pinsel-
striche, sondern einzig und allein durch die Farbe.

Keine Spur findet man auf dem Bilde von jenen
löschpapiernen grauen, bald zu grünen, bald zu
blauen, bald violett-erfrorenen Tönen, die auf den
Bildern anderer nicht koloristisch begabter Maler
die mühsam erhaltene Farbe doch immer an irgend-
einer Stelle durchlöchern. Vom ersten Strich an
stellt er die farbige Skala auf eine Höhe, auf der
mit Leichtigkeit sich zu bewegen eben nur einem
wirklichen Koloristen gegeben ist.

Die Einwirkung des lenkenden Geschmacks
ist gering bei dieser Kunst, die leidenschaftlich, und
ganz von dem augenblicklichen Impuls abhängig ist.
Auch ist sie nicht einfach, sondern ganz im Gegen-
teil auf das Reiche, Schillernde, Komplizierte ge-
stellt. Slevogts kompliziertesten Bilder sind seine
besten, zum Beispiel „der verlorene Sohn". Aber
auch Rembrandt ist ja nicht einfach und doch der
grösste Maler.

Und wie seine Farbe, so ist auch seine Zeichnung
leidenschaftlich, fern von allem Stilisieren, aber ohne
Kleinlichkeit augenblicklich Gesehenes lebendig

wiedergebend, eine treffliche Gefährtin für eine
solche Malerei.

Während sich auf dem Bilde der Kellnerin das
ganze malerische Interesse auf den Kopf des Modells
konzentriert, zeigt eine „Tänzerin", die aus derselben
Zeit stammt (im Besitze der Kunsthandlung R.Wag-
ner), des Künstlers Fähigkeit aus starkfarbigenStücken
ein Ganzes aufzubauen, das auch als solches den sinn-
lichen Reiz der Einzelheiten hat. Das Sujet an sich
ist nicht allzu verführerisch. Ein mageres knochiges
Mädchen. Ihren Oberkörper bekleidet eine Art von
rotgerandetem Hemd, während von der Taille ein
rotes Gazeröckchen zu den Knieen herabfällt. Weisse
Strümpfe und rote Pantoffeln vervollständigen das
primitive Kostüm. Mit leicht erhobenem Kopf,
die nackten Arme in die Hüften eingestützt, den
rechten Fuss etwas vorgestellt, steht sie vor einer
gelbgrauen Wand. Der Maler machte nicht den ge-
ringsten Versuch sein Modell zu verschönern. Er
malte die entblösste Büste so mager wie sie war, ja,
mit einem gewissen Eifer folgt er den Ausladungen
der spitzen Ellenbogen und den Überschneidungen
der sehnigen Arme. Wie stark aber empfindet er auch
die Schönheiten, das Rührende der Haltung und den
Glanz der Farbe. Ja, er bekleidet dieses unschein-
bare Geschöpf in seinem dürftigen Aufzuge mit
einer solchen Pracht und das ohne die schlichteste
Natürlichkeit zu verlassen, allein durch das Voll-
blütige des Kolorits, dass das geschmeichelte Auge
mit immer neuem Wohlgefallen an ihm herabgleitet.

Eine ganze Welt liegt zwischen diesen Bildern
und den meisten andern, die heut die Wände der
modernen Ausstellungen füllen. Es sind seitdem
die Wogen einer ganz neuen Anschauung über uns
dahingebraust, das Äussere, wenn auch nicht den
Gehalt der Kunstwerke völlig umgestaltend.

Die französischen Maler des vorigen Jahr-
hunderts, die Finder eines neuen Weges der Kunst
empfanden in ihrem Streben nach bewegendem
Leben, dass die Farbe der alten Koloristen ihrem
Wesen nach ruhig, ja vielleicht bewegungsfeindlich
sei. Bei den alten Meistern fiel ihr nur die Aufgabe zu,
die Eigen färbe der Körper und ihre Qualität wieder-
zugeben und durch Zusammenstellung und Abstim-
mung eine dem Musikalischen ähnliche Wirkung
auf unsre Phantasie auszuüben. Alles Andre: Licht,
Bewegung und Form war der Zeichnung überlassen.
Die Lasur, die durchsichtige Farbschicht, die über
eine fertig gemalte Unterlage gegossen wird, ist das
Charakteristikum der alten Koloristikund die gröss-
ten Koloristen haben sich ihrer am meisten bedient.

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