Dazu kam, dass Bismarcks äussere Erscheinung
den bedeutendsten Vorwurf für jede Art von bild-
licher Darstellung abgab. Bei den meisten modernen
Menschen kommt für den Künstler nur das Gesicht
in Betracht, ein Gesicht, das sich häufig zu male-
rischer, selten zu plastischer Wiedergabe eignet, und
das auf einem im übrigen vollkommen belanglosen
Körper sitzt. Wie viele Celebritäten giebt es, bei
denen der Körper nur da zu sein scheint, um den
Eindruck des Gesichtes zu stören! Bei Bismarck da-
gegen waren Körperbau, Haltung, Antlitz und Miene
aus einem Gusse, von untadeliger Harmonie und
der vollkommene Ausdruck einer weltgeschicht-
lichen Persönlichkeit. Besonders bemerkenswert
war es dabei, dass dem vorherrschenden Charakter
der Energie überall in eigentümlichem Widerspiel
mildernde Züge der Feinheit beigemischt waren.
Die Hände sprachen deutlich dafür und im Antlitz
der ungewöhnlich feine adlige Umriss des Kinns
unter der mächtigen Ausbildung der oberen Ge-
sichtshälfte. Die Maler wunderten sich über sein
zartes rosiges Inkarnat. Damit war freilich dem
bildenden Künstler eine Aufgabe gestellt, zu deren
Lösung nur Wenige berufen waren, da nun einmal
menschliche Grösse nur von Grösse ermessen werden
kann. Kein Wunder also, wenn die gangbaren Bis-
marckbilder uns gar triste, zugleich verflachte und
verrohte Nachahmungen der edlen Urform zeigen.
Unter den Malern vermochte nur Lenbach Bismarck
gerecht zu werden (Werner hat ihn auf das Ni-
veau eines bramarbasierenden Wachtmeisters herab-
gedrückt), unter den Bildhauern hat ihn keiner
so würdig dargestellt wie Hildebrand. Dabei be-
ruht der charakteristische Unterschied der Auffassung
beider Künstler nicht nur in ihrer Persönlichkeit
sondern eben auch in ihrer Kunst. Beim Maler tritt
die Reizbarkeit des grossen Willensmenschen mehr
hervor, beim Bildhauer mehr die gesammelte Kraft
des auf die höchsten Ziele gerichteten Mannes. Len-
bach versteht es meisterlich, die Persönlichkeit in
ihrer momentanen Erscheinung wirksam zu betonen,
Hildebrand zeigt sie verklärt mit den Zügen ihrer
ewigen Bedeutung. Ja, es scheint uns eines der
grossesten Verdienste Hildebrands in seinen Bild-
nissen zu sein, dass er es überall versteht, ohne
Leere und ohne Phrasenhaftigkeit „das Einzelne zur
allgemeinen Weihe" zu rufen. Von einem so ge-
arteten Manne ist natürlich nicht jene Originalität
unserer Jüngsten zu erwarten, die sich im Erfinden
verzehrt. Als ob damit etwas gethan sei! Da das
Erfinden auf diesem Gebiete für gewöhnlich doch
nur auf ein Andersmachen hinausläuft! Statt neue
Gesetze aufzustellen bemüht Hildebrand sich viel-
mehr, die alten in ihrer Einfachheit und in ihrer
dauernden Gültigkeit anzuerkennen und fasslich zu
formulieren. Dass er es dabei im einzelnen Falle
nicht verschmäht, ein überliefertes Motiv aufzu-
nehmen und auf seine Art zu behandeln, darf ihm
keineswegs als Unselbständigkeit ausgelegt werden.
In glücklicheren Zeitaltern haben es ganze Künstler-
geschlechter nicht anders gehalten und sind gut dabei
gefahren. Also darfauch hier beim Bremer Bismarck-
denkmal die unleugbare Beziehung zum Colleoni
Verrocchios nicht als etwas Wesentliches hervor-
gehoben werden. Sie besteht nur in der Ähnlichkeit
des Motivs, während im übrigen die allgemeine Auf-
fassung der Persönlichkeit und der Charakter der
plastischen Arbeit — also alles Wesentliche —
grundverschieden sind. Von der auf die Spitze ge-
triebenen pointierten Charakteristik des Quattro-
centomeisters ist Hildebrand ebenso weit entfernt
wie von der zierlich preziösen Bildung seines pla-
stischen Details. — Im Gegenteil entspricht bei ihm
die abgeklärte Auffassung durchaus dem plastischen
Stil, der der Realität nicht aus dem Wege geht,
sondern sie vielmehr auf seine Art überwindet. Die
oberflächlichen Beschauer — also Neunundneunzig
vom Hundert — könnten meinen, es sei alles gerade
so mit Pallasch, Kürass und Pickelhelm ganz natur-
getreu abgebildet. Und doch ist das Ausserliche
und Wirkliche durchweg mit sanftem Zwange
der Harmonie des Ganzen angepasst. Solch eine
Uniform gab es nie. Der Reiter sitzt wohl bekleidet
und doch in heroischer Nacktheit auf einem Rosse,
das auf keiner irdischen Weide gegrast hat.
Die Aufstellung des Denkmals ist, wie gesagt,
die Eingebung eines glücklichen Augenblicks. An-
fänglich sollte das Postament noch höher sein und
etwas weiter zurückstehen. Das Projekt hatte seine
Vorteile, da der Bismarck für Den, der den Doms-
hof betritt, an der hochragenden schlichten Turm-
wand einen schönen Hintergrund gefunden hätte,
während er jetzt von dieser Seite aus die unruhigen
Umrisse der Architektur des Hintergrundes nicht
immer glücklich überschneidet. Nun — vielleicht
überdauert er diese Architektur; jedenfalls aber
wurde durch das Vorrücken des Denkmals die
schöne Vorderansicht vom Markte aus mehr betont
und eine herrliche neue Ansicht gewonnen, da sich
das Denkmal von der Börsentreppe aus gesehen in
prachtvollem Umriss von dem hellen Himmel ab-
hebt.
IOI
den bedeutendsten Vorwurf für jede Art von bild-
licher Darstellung abgab. Bei den meisten modernen
Menschen kommt für den Künstler nur das Gesicht
in Betracht, ein Gesicht, das sich häufig zu male-
rischer, selten zu plastischer Wiedergabe eignet, und
das auf einem im übrigen vollkommen belanglosen
Körper sitzt. Wie viele Celebritäten giebt es, bei
denen der Körper nur da zu sein scheint, um den
Eindruck des Gesichtes zu stören! Bei Bismarck da-
gegen waren Körperbau, Haltung, Antlitz und Miene
aus einem Gusse, von untadeliger Harmonie und
der vollkommene Ausdruck einer weltgeschicht-
lichen Persönlichkeit. Besonders bemerkenswert
war es dabei, dass dem vorherrschenden Charakter
der Energie überall in eigentümlichem Widerspiel
mildernde Züge der Feinheit beigemischt waren.
Die Hände sprachen deutlich dafür und im Antlitz
der ungewöhnlich feine adlige Umriss des Kinns
unter der mächtigen Ausbildung der oberen Ge-
sichtshälfte. Die Maler wunderten sich über sein
zartes rosiges Inkarnat. Damit war freilich dem
bildenden Künstler eine Aufgabe gestellt, zu deren
Lösung nur Wenige berufen waren, da nun einmal
menschliche Grösse nur von Grösse ermessen werden
kann. Kein Wunder also, wenn die gangbaren Bis-
marckbilder uns gar triste, zugleich verflachte und
verrohte Nachahmungen der edlen Urform zeigen.
Unter den Malern vermochte nur Lenbach Bismarck
gerecht zu werden (Werner hat ihn auf das Ni-
veau eines bramarbasierenden Wachtmeisters herab-
gedrückt), unter den Bildhauern hat ihn keiner
so würdig dargestellt wie Hildebrand. Dabei be-
ruht der charakteristische Unterschied der Auffassung
beider Künstler nicht nur in ihrer Persönlichkeit
sondern eben auch in ihrer Kunst. Beim Maler tritt
die Reizbarkeit des grossen Willensmenschen mehr
hervor, beim Bildhauer mehr die gesammelte Kraft
des auf die höchsten Ziele gerichteten Mannes. Len-
bach versteht es meisterlich, die Persönlichkeit in
ihrer momentanen Erscheinung wirksam zu betonen,
Hildebrand zeigt sie verklärt mit den Zügen ihrer
ewigen Bedeutung. Ja, es scheint uns eines der
grossesten Verdienste Hildebrands in seinen Bild-
nissen zu sein, dass er es überall versteht, ohne
Leere und ohne Phrasenhaftigkeit „das Einzelne zur
allgemeinen Weihe" zu rufen. Von einem so ge-
arteten Manne ist natürlich nicht jene Originalität
unserer Jüngsten zu erwarten, die sich im Erfinden
verzehrt. Als ob damit etwas gethan sei! Da das
Erfinden auf diesem Gebiete für gewöhnlich doch
nur auf ein Andersmachen hinausläuft! Statt neue
Gesetze aufzustellen bemüht Hildebrand sich viel-
mehr, die alten in ihrer Einfachheit und in ihrer
dauernden Gültigkeit anzuerkennen und fasslich zu
formulieren. Dass er es dabei im einzelnen Falle
nicht verschmäht, ein überliefertes Motiv aufzu-
nehmen und auf seine Art zu behandeln, darf ihm
keineswegs als Unselbständigkeit ausgelegt werden.
In glücklicheren Zeitaltern haben es ganze Künstler-
geschlechter nicht anders gehalten und sind gut dabei
gefahren. Also darfauch hier beim Bremer Bismarck-
denkmal die unleugbare Beziehung zum Colleoni
Verrocchios nicht als etwas Wesentliches hervor-
gehoben werden. Sie besteht nur in der Ähnlichkeit
des Motivs, während im übrigen die allgemeine Auf-
fassung der Persönlichkeit und der Charakter der
plastischen Arbeit — also alles Wesentliche —
grundverschieden sind. Von der auf die Spitze ge-
triebenen pointierten Charakteristik des Quattro-
centomeisters ist Hildebrand ebenso weit entfernt
wie von der zierlich preziösen Bildung seines pla-
stischen Details. — Im Gegenteil entspricht bei ihm
die abgeklärte Auffassung durchaus dem plastischen
Stil, der der Realität nicht aus dem Wege geht,
sondern sie vielmehr auf seine Art überwindet. Die
oberflächlichen Beschauer — also Neunundneunzig
vom Hundert — könnten meinen, es sei alles gerade
so mit Pallasch, Kürass und Pickelhelm ganz natur-
getreu abgebildet. Und doch ist das Ausserliche
und Wirkliche durchweg mit sanftem Zwange
der Harmonie des Ganzen angepasst. Solch eine
Uniform gab es nie. Der Reiter sitzt wohl bekleidet
und doch in heroischer Nacktheit auf einem Rosse,
das auf keiner irdischen Weide gegrast hat.
Die Aufstellung des Denkmals ist, wie gesagt,
die Eingebung eines glücklichen Augenblicks. An-
fänglich sollte das Postament noch höher sein und
etwas weiter zurückstehen. Das Projekt hatte seine
Vorteile, da der Bismarck für Den, der den Doms-
hof betritt, an der hochragenden schlichten Turm-
wand einen schönen Hintergrund gefunden hätte,
während er jetzt von dieser Seite aus die unruhigen
Umrisse der Architektur des Hintergrundes nicht
immer glücklich überschneidet. Nun — vielleicht
überdauert er diese Architektur; jedenfalls aber
wurde durch das Vorrücken des Denkmals die
schöne Vorderansicht vom Markte aus mehr betont
und eine herrliche neue Ansicht gewonnen, da sich
das Denkmal von der Börsentreppe aus gesehen in
prachtvollem Umriss von dem hellen Himmel ab-
hebt.
IOI