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der Impressionisten, nämlich beschränkt auf die dem
Prisma am nächsten kommenden reinen Grundfarben:
Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett.
Aber wahrend die Impressionisten, als deren typi-
schesten Vertreter in bezug auf die Palette Monet ge-
nannt sein mag, diese Farben willkürlich mischen und
nur bestrebt sind, höhere Leuchtkraft und Schönheit und
grössere Naturwahrheit zu erreichen (sie verschmähen
auch nicht die gelegentliche Anwendung von gebroche-
nen Farben, Ocker, Braun und gemischtem Grau) lehrt
der Neo, dass Farbe und Licht in Natur und Malerei
wissenschaftlich festgelegte untrennbare Begriffe sind,
welche durch optische Gesetze beherrscht werden.
Diese Gesetze zu erkennen und künstlerisch zu ver-
werten, ist der oberste Grundsatz der Neos. Sie erheben
Farbe und Licht dadurch zu einem reinen Stilmoment.
Sie mischen die Farben nicht oder nur mit Weiß und
mit Nachbarfarben; niemals aber Komplementärfarben
untereinander. Die Farbennuancen bewahren so ihre
Reinheit in unendlichen Abstufungen. Sie werden dann
nach optischen Gesetzen in kleinen Partikeln, Punkten
oder Strichen, nicht in Flächen, auf die Leinewand auf-
getragen, ohne dass sich die Ränder mischen. Der mög-
lichst reine weisse Malgrund darf sogar zwischen den
einzelnen Farbpartikeln unter Umständen als trennendes
Neutrum stehen bleiben. Die einzelnen Farbenkomplexe
müssen bestehen aus einzelnen kleinen Teilen der Lokal-
farbe, Beleuchtungsfarbe (bzw. Schattenfarbe) und der
Reflexfarbe, die auf der Netzhaut des Beschauers
beim richtigen Abstände vom Bilde eine optische Mi-
schung eingehen. Der richtige Abstand vom Bilde ist
zum Verständnis und Genuss Voraussetzung, ebenso
wie eine gewisse Mitarbeit des Beschauers bei Beurtei-
lung eines neoimpressionistischen Bildes mehr als sonst
Bedingung ist.
Die Technik der Neos ist also bei allem Spielraum,
der dem einzelnen Künstler bleibt, durchaus logisch be-
gründet im Gegensatz zu der Technik der Naturalisten
und Impressionisten, die weit willkürlicher und mehr
individuell ist.
Die Kontrastwirkungen der farbigen Flächen unter-
einander, deren gegenseitige Steigerung, ihre verschie-
denen Stärkegrade und ihre richtige Verteilung bilden
den zweiten Hauptgrundsatz; den dritten die Reinheit
und die Kraft der Linien, die sowohl die Einzelform
als das ganze Liniengefüge des Bildes beherrschen und
ein Ganzes bilden müssen. Die Kraft und das Leben
der Linien äussert sich wie die der Farben in Wirkungen
und Gegenwirkungen; van de Velde hat sogar nachge-
wiesen, dass man ebenso wie bei der Farbe von kom-
plementären Linien sprechen kann.
Auf das Wort Reinheit ist der Nachdruck zulegen;
denn alle diese Stilmomente an sich werden mehr oder
weniger auch alle anderen modernen Strömungen der
Malerei als ihr Fundament betrachten.
Die Kraft, die in dieser Lehre von der Reinheit der
Stilmomente liegt, kann nur Der ganz empfinden, der
sich mit Überzeugung und Begeisterung ihr hingiebt und
dem sie täglich beim Schaffen sich neu offenbart. . . .
*
Ich möchte dem billigen Tadel die Spitze abbrechen,
der sich immer darin gefällt, nachzuweisen, dass moderne
und insbesondere neoimpressionistische Werke ein ver-
gebliches Bemühen zeigen, das gestellte Problem ganz
zu beherrschen und dass dies augenscheinlich überhaupt
unmöglich sei.
Man sagt ferner — und diesen Vorwurf machen ihm
sogar viele Künstler — der Neo sei zu wissenschaftlich,
und Wissenschaft und Kunst hätten im Grunde genom-
men nichts miteinander gemein.
Dies zu behaupten, hieße jede Weiterentwicklung
der Malerei unterbinden.
Warum sollten Wissenschaft und Kunst sich nicht
gegenseitig befruchten, wenn es auf ganz natürlichem
Wege geschehen kann. Anatomie und Perspektive sind
doch auch Wissenschaften und auf diese legt der akade-
mische Unterricht mehr Wert als vielleicht nötig wäre.
Was man bisher unter der Einheit eines malerischen
Kunstwerkes verstand, unter dem Unteilbaren, wie es
Meier-Graefe nennt, sinkt zu einem Teilbegriff herab,
sobald die Forderung des Gesetzes vom Licht als ein
Neues und die Kunst der Malerei krönendes Moment
hinzutritt. Hier gilt es also, sofort den Begriff künstle-
rische Einheit neu zu formulieren, die Beziehungen neu
herzustellen, die die Gesetze untereinander in Ein-
klang bringen. Hier liegen die eigentlichen geistigen
Schwierigkeiten und Aufgaben. Viel weniger in der
Bewältigung des Materials und nicht darin, die Farben,
ich möchte sagen, mechanisch-optisch so zu behandeln,
dass dem Gesetze rein äusserlich Genüge geschieht. Dies
Letzte fällt unter den Begriff Technik, und Technik
gehört nicht zum Wesen des Stils.
Technik sind die von jedem Künstler möglichst voll-
kommen zu erlernenden und individuell anzuwendenden
Mittel und Prozesse, den künstlerischen Problemen und
Gesetzen materiellen Ausdruck zu verleihen. Ein äusser-
liches Überwuchern des Technischen setzt den Begriff Stil
herab und endet in Manier und in Technik als Selbst-
zweck. Die Technik des Neo ist lediglich äusseres Hilfs-
mittel, den geistigen Sinn der reinen Malerei, die Har-
monie, zu verkörpern. Sie soll nichts anderes als dem
Material seine höchste Schönheit abgewinnen, indem sie
seine Reinheit verbürgt. Sie ist eine künstlerisch logische
Folge und gestattet trotzdem der Individualität jedes
Künstlers die grösste Freiheit.
Anmerkung der Redaktion: Dieses sind einige Bruch-
stücke eines Buches, das Gurt Herrmann unter dem Titel
dieses Aufsatzes in den nächsten Wochen bei Erich Reiss er-
scheinen lässt.
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der Impressionisten, nämlich beschränkt auf die dem
Prisma am nächsten kommenden reinen Grundfarben:
Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett.
Aber wahrend die Impressionisten, als deren typi-
schesten Vertreter in bezug auf die Palette Monet ge-
nannt sein mag, diese Farben willkürlich mischen und
nur bestrebt sind, höhere Leuchtkraft und Schönheit und
grössere Naturwahrheit zu erreichen (sie verschmähen
auch nicht die gelegentliche Anwendung von gebroche-
nen Farben, Ocker, Braun und gemischtem Grau) lehrt
der Neo, dass Farbe und Licht in Natur und Malerei
wissenschaftlich festgelegte untrennbare Begriffe sind,
welche durch optische Gesetze beherrscht werden.
Diese Gesetze zu erkennen und künstlerisch zu ver-
werten, ist der oberste Grundsatz der Neos. Sie erheben
Farbe und Licht dadurch zu einem reinen Stilmoment.
Sie mischen die Farben nicht oder nur mit Weiß und
mit Nachbarfarben; niemals aber Komplementärfarben
untereinander. Die Farbennuancen bewahren so ihre
Reinheit in unendlichen Abstufungen. Sie werden dann
nach optischen Gesetzen in kleinen Partikeln, Punkten
oder Strichen, nicht in Flächen, auf die Leinewand auf-
getragen, ohne dass sich die Ränder mischen. Der mög-
lichst reine weisse Malgrund darf sogar zwischen den
einzelnen Farbpartikeln unter Umständen als trennendes
Neutrum stehen bleiben. Die einzelnen Farbenkomplexe
müssen bestehen aus einzelnen kleinen Teilen der Lokal-
farbe, Beleuchtungsfarbe (bzw. Schattenfarbe) und der
Reflexfarbe, die auf der Netzhaut des Beschauers
beim richtigen Abstände vom Bilde eine optische Mi-
schung eingehen. Der richtige Abstand vom Bilde ist
zum Verständnis und Genuss Voraussetzung, ebenso
wie eine gewisse Mitarbeit des Beschauers bei Beurtei-
lung eines neoimpressionistischen Bildes mehr als sonst
Bedingung ist.
Die Technik der Neos ist also bei allem Spielraum,
der dem einzelnen Künstler bleibt, durchaus logisch be-
gründet im Gegensatz zu der Technik der Naturalisten
und Impressionisten, die weit willkürlicher und mehr
individuell ist.
Die Kontrastwirkungen der farbigen Flächen unter-
einander, deren gegenseitige Steigerung, ihre verschie-
denen Stärkegrade und ihre richtige Verteilung bilden
den zweiten Hauptgrundsatz; den dritten die Reinheit
und die Kraft der Linien, die sowohl die Einzelform
als das ganze Liniengefüge des Bildes beherrschen und
ein Ganzes bilden müssen. Die Kraft und das Leben
der Linien äussert sich wie die der Farben in Wirkungen
und Gegenwirkungen; van de Velde hat sogar nachge-
wiesen, dass man ebenso wie bei der Farbe von kom-
plementären Linien sprechen kann.
Auf das Wort Reinheit ist der Nachdruck zulegen;
denn alle diese Stilmomente an sich werden mehr oder
weniger auch alle anderen modernen Strömungen der
Malerei als ihr Fundament betrachten.
Die Kraft, die in dieser Lehre von der Reinheit der
Stilmomente liegt, kann nur Der ganz empfinden, der
sich mit Überzeugung und Begeisterung ihr hingiebt und
dem sie täglich beim Schaffen sich neu offenbart. . . .
*
Ich möchte dem billigen Tadel die Spitze abbrechen,
der sich immer darin gefällt, nachzuweisen, dass moderne
und insbesondere neoimpressionistische Werke ein ver-
gebliches Bemühen zeigen, das gestellte Problem ganz
zu beherrschen und dass dies augenscheinlich überhaupt
unmöglich sei.
Man sagt ferner — und diesen Vorwurf machen ihm
sogar viele Künstler — der Neo sei zu wissenschaftlich,
und Wissenschaft und Kunst hätten im Grunde genom-
men nichts miteinander gemein.
Dies zu behaupten, hieße jede Weiterentwicklung
der Malerei unterbinden.
Warum sollten Wissenschaft und Kunst sich nicht
gegenseitig befruchten, wenn es auf ganz natürlichem
Wege geschehen kann. Anatomie und Perspektive sind
doch auch Wissenschaften und auf diese legt der akade-
mische Unterricht mehr Wert als vielleicht nötig wäre.
Was man bisher unter der Einheit eines malerischen
Kunstwerkes verstand, unter dem Unteilbaren, wie es
Meier-Graefe nennt, sinkt zu einem Teilbegriff herab,
sobald die Forderung des Gesetzes vom Licht als ein
Neues und die Kunst der Malerei krönendes Moment
hinzutritt. Hier gilt es also, sofort den Begriff künstle-
rische Einheit neu zu formulieren, die Beziehungen neu
herzustellen, die die Gesetze untereinander in Ein-
klang bringen. Hier liegen die eigentlichen geistigen
Schwierigkeiten und Aufgaben. Viel weniger in der
Bewältigung des Materials und nicht darin, die Farben,
ich möchte sagen, mechanisch-optisch so zu behandeln,
dass dem Gesetze rein äusserlich Genüge geschieht. Dies
Letzte fällt unter den Begriff Technik, und Technik
gehört nicht zum Wesen des Stils.
Technik sind die von jedem Künstler möglichst voll-
kommen zu erlernenden und individuell anzuwendenden
Mittel und Prozesse, den künstlerischen Problemen und
Gesetzen materiellen Ausdruck zu verleihen. Ein äusser-
liches Überwuchern des Technischen setzt den Begriff Stil
herab und endet in Manier und in Technik als Selbst-
zweck. Die Technik des Neo ist lediglich äusseres Hilfs-
mittel, den geistigen Sinn der reinen Malerei, die Har-
monie, zu verkörpern. Sie soll nichts anderes als dem
Material seine höchste Schönheit abgewinnen, indem sie
seine Reinheit verbürgt. Sie ist eine künstlerisch logische
Folge und gestattet trotzdem der Individualität jedes
Künstlers die grösste Freiheit.
Anmerkung der Redaktion: Dieses sind einige Bruch-
stücke eines Buches, das Gurt Herrmann unter dem Titel
dieses Aufsatzes in den nächsten Wochen bei Erich Reiss er-
scheinen lässt.
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