J**l
■
§3* ■
MÄDCHEN AM BACH
MUSEUM FÜR VÖLKERKUNDE, BERLIN
ständige Traditionen in bescheidenemMasse vorfand,
im übrigen aber, wie das Herrscherhaus selbst, un-
mittelbar an die TimuridenvonSamarkand anknüpft.
Man muss sich diesen eigentümlichen Kreislauf
vergegenwärtigen, um eine Erklärung für die Lücke
zu finden, die hier in der Geschichte der Malerei
eines und desselben Volkes klafft, und um die vielen
fremdartigen Elemente zu verstehen, mit denen sie
in ihrer neuen Phase durchsetzt erscheint. Dazu
kommt die Bedeutung der religiösen Umwälzung:
in den buddhistischen Fresken handelte es sich um
Werke, die der Verherrlichung des Glaubens galten,
während die Malerei der mohammedanischen Hindus
einem höfisch — weltlichen, vom religiösen Stand-
punkte aus geradezu anstössigen Zwecke dient.
Damit ist auch schon eine Beschränkung der tech-
nischen Möglichkeiten angedeutet. Es sollte sich
nicht mehr um eine „öffentliche" Kunst, um Wand-
gemälde oder dekorative, durch Raumideen be-
stimmte Bilder handeln, sondern lediglich um intime,
minutiöse Arbeiten, die, in kostbaren Albums sorg-
lich verwahrt, von dem Besitzer eifersüchtig gehütet
und in müssigen Stunden mit genussfrohem Auge
betrachtet wurden.
Es ist fraglich, ob ein aus solchen Bedürfnissen
erwachsener Miniaturstil jemals auf die Höhe ge-
langt wäre, die er in Indien thatsächlich erreicht hat,
wenn nicht immer kunstverständige Fürsten ihm
die Wege gewiesen und ihm stets neue Aufgaben
gestellt hätten. Von ihnen hing in der That alles ab.
Kaiser Akbar (1556 1 605) umgab sich mit einem
ganzen Stab von IMalern und wies sie zuerst auf
das Studium der Natur, während sie bis dahin in
einem steifen mongolisch-persischen Schematismus
befangen gewesen waren. Sein Sohn Djehangir
(1605—1617) brachte es, wie er in seiner Bio-
graphie selbst erzählt, in der Kennerschaft so weit,
dass er jede ihm vorgelegte Arbeit mit Sicherheit
ihrem Meister zu attribuieren vermochte. An den
kleineren Fürstenhöfen und in den Palästen grosser
Würdenträger beschäftigte man ebenfalls Miniatur-
maler. Der handwerksmässige Betrieb der Porträt-
miniatur erfüllte lange dieselben Aufgaben, wie
später die Photographie, und noch heute giebt es
kleine indische Potentaten, die sich den Luxus
eigener Hofmaler gestatten, obwohl deren Kunst
längst jeden Reiz verloren hat und die Versuche,
ihr europäische Prinzipien aufzupfropfen, nicht ge-
rade zu einer Veredelung geführt haben.
Was die technischen Eigentümlichkeiten betrifft,
so ist von einer Entwicklung in dieser Hinsicht
kaum die Rede; die Ausdrucksmittel waren im
neunzehnten Jahrhundert dieselben, wie im sech-
zehnten. Es handelt sich stets um feine Pinselzeich-
nungen, entweder nur in Umrissen, und allenfalls
stellenweise getönt und mit Gold gehöht, oder
vollständig in Farben ausgeführt, und dann eben-
falls häufig mit einzelnen Details in Gold. Das
Kolorit ist übrigens durchweg klarer, wässeriger als
TOILETTESZENE
SAMMLUNG SARRE, BERLIN
*34
»