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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

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Heft 8
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0416

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rechtigt, wo ihnen, den zum theatralischen Pathos zur
Hälfte doch Verleiteten, ein brunnenartiges Idyll als das
Zutreffende bezeichnet wird.

Eines Bismarck-Nationaldenkmals so grossen Stils,
wie es hier geplant war, ist zurzeit weder unsere Archi-
tektur noch unsere Plastik fähig. Soll durchaus ein Bis-
marckdenkmal errichtet werden, so übertrage man es
kurzerhand einem Hildebrand — wie Bremen es gethan
hat, — einem Tuaillon, einem Peter Behrens, einem
Lederer sogar, oder einem der Wenigen, die sonst
noch in Frage kommen. Aber man bleibe in den
Städten. Bei lauten Konkurrenzunternehmungen zur
Erlangung von „Nationaldenkmalen" kommt nie etwas
heraus. In diesem Fall ist das Ergebnis, dass das
Resultat nicht entfernt im Verhältnis zu dem un-
geheuren Aufwand an Arbeit und Geld steht; und dass
der Spruch der Jury von dem ersten Reichsfürsten
in Wiesbaden demnächst kontrolliert und vielleicht um-
gestossen werden soll. Dass also der Geist der Sieges-
allee am Ende gar noch triumphiert. Dagegen hätten den
zwölf besten deutschen Bildhauern und einem halben
Dutzend vorzüglicher Architekten für die Ausführungs-
summe von 1800000 M. feste Aufträge für Brunnen,
Denkmale, Statuen und Bauwerke erteilt werden
können, und es' hätte so eine Gesamtleistung entstehen
können, die mit mehr Recht als ein Nationaldenkmal an-

zusprechen gewesen wäre. Aber freilich, dann wäre der
Ehrgeiz nicht auf seine Kosten gekommen.

•SS-

Der geplante, wenn auch noch keineswegs gesicherte
Durchstich von der Französischen nach der Lenne-
Strasse gefährdet eines der vornehmsten Bauwerke aus
dem alten Berlin. Es ist das Haus Mauerstrasse Nr. 36
(Nr. 3 5 ist ein kleiner Anbau), das Friedrich Wilhelm IL
für die Generalin Rosiere errichten liess. In den vor-
nehmen, ruhig gegliederten Formen mit den wirkungs-
voll vortretenden Eckrisaliten, gehört die fensterreiche
Fassade zu den glücklichsten Schöpfungen der Alt-Ber-
liner Baukunst, die gerade unter Friedrich Wilhelm IL
mit Langhans an der Spitze ihre Höhe erreicht hat.
Und wenn dieses palastartige Gebäude rein architek-
tonisch eine Zierde der Gegend ist, in der es nun schon
einhundertundzwanzig Jahre steht, so ist es zugleich
verknüpft mit den wertvollsten kulturhistorischen Er-
innerungen aus dem einstigen Alt-Berlin. Hier hat
Rahel ihrenSalon gehabt und Varnhagen ihn bis zu seinem
Tode weitergeführt.

Indem wir heute nur die Abbildung der Fassade des
Hauses bringen, werden wir demnächst die Geschichte
des Bauwerks und das reiche Innenleben seiner Be-
wohner in einer ausführlichen Studie betrachten.

H. M-y.

ALTES BERLINER HAUS IN DER MAUERSTRASSE 36.

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