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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

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Heft 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0426

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und gründlich gearbeitet sind und auf der Höhe der
modernen Kenntnisse stehen und das Verständnis be-
sonders für die ältere Kunst, das wir uns angeeignet haben,
oder angeeignet zu haben glauben, voll und treu wieder-
spiegeln. Damit würde dann anerkannt sein, dass das
Werk die Aufgabe, die ihm gestellt war, erfüllt hat. Die
moderne Kunst freilich macht naturgemäss eine ruhige
und gleichmässige Betrachtung und Beurteilung der Er-
scheinungen, wie sie einem solchen Werke angemessen
wäre, viel schwerer. Es ist nicht uninteressant, die kühle
Ruhe der Kritik, die in der überwiegenden Mehrzahl
der Artikel über ältere Meister bewahrt wird, mit dem
unruhigeren und lauteren, nicht selten überschlagenden
Tone, der in den Schilderungen moderner Künstler vor-
herrscht, zu vergleichen. Man wird dabei keineswegs
behaupten dürfen, dass etwa der Enthusiasmus der
Kunstfreunde und Forscher für die alte Kunst geringer
sei als der der Liebhaber des Modernen. Der Unter-
schied liegt vielmehr in der Sache selbst, in dem Ten-
denziösen, Aufreizenden, das dem Neuen für die Zeit-
genossen anhaftet. Ein Vorwurf soll den Verfassern
jener Artikel daraus nicht gemacht werden, aber es ist
doch lehrreich, zu sehen, wie der scharfe Wind des
Modernen selbst in diese stille Ecke der sachlich regi-
strierenden Gelehrsamkeit hineinweht.

Zeichnungen alter Meister im Kupferstich-
kabinett der k. Museen zu Berlin. Herausgegeben
von der Direktion. Lichtdrucke der Reichsdruckerei.
Berlin, 1910. G. Grotesche Verlagsbuchhandlung.

Mit Recht sehen die Leiter vieler unserer grossen
Kunstsammlungen ihre Aufgabe nicht nur in der Ver-
waltung und Vermehrung der ihnen anvertrauten Schätze,
sie fühlen sich auch verpflichtet, durch die Veröffent-
lichung guter Abbildungen nacli den besten Stücken die
Kenntnis von diesen Kunstwerken unter den Liebhabern
und Forschern zu verbreiten. Leider hat das gute Bei-
spiel der Wiener „Albertina", die Nachbildungen so
billig herstellen zu lassen, dass ihre Anschaffung auch
dem Studierenden möglich wird, so gut wie keine Nach-
ahmung gefunden und vielleichtauchnichtfindenkönnen,
weil die Kosten der Ausführung guter Reproduktionen
sich gerade in letzter Zeit ganz erheblich gesteigert
haben. Auch die vortreffliche Publikation ausgewählter
Zeichnungen des Berliner Kupferstichkabinetts, die nun
mit der dreissigsten Lieferung ihren Abschluss gefunden
hat, ist leider — wenn auch der Preis für die vorzüg-
liche Qualität des Gebotenen vielleicht nicht hoch ist —
zu kostspielig geworden, als dass sie auf eine weitere
Verbreitung unter Liebhabern und Studierenden, die
ihr zu wünschen wäre, rechnen dürfte. Um billige und
gute Reproduktionen liefern zu können, müsste man
auf die Wiedergabe der Farben und der verschieden-
artigen Töne, die heute allgemein für unentbehrlich ge-
halten wird, verzichten. Ich glaube, dass man doch
wieder auf die einfarbige Lichtdruckreproduktion von
Gemälden und Zeichnungen zurückkommen wird, wenn

unser künstlerisches Unterscheidungsvermögen fein ge-
nug geworden sein wird, um nicht nur den gewaltigen
Abstand selbst der kunstvollst und sorgfältigst ausge-
führten Reproduktionen vom Original zu erkennen,
sondern auch die Unwahrhaftigkeit und Geschmack-
losigkeit, die einer mit unzulänglichen Mitteln ver-
suchten Täuschung des Auges anhaftet, zu empfinden,
wenn man eingesehen haben wird, dass die mehrfarbige
Nachbildung meist für das Studium weniger bietet und
weniger anregend wirkt als die einfarbige. Ich fürchte,
dass die buntgedruckte Nachbildung nur zu leicht vom
Studium der Originale eher ablenkt, als zu ihm hin-
führt. Als Versuche, eine Vorstellung vom Eindrucke
der Originale zu vermitteln, sind mehrfarbige Repro-
duktionen nach alten Kunstwerken wohl berechtigt,
nur müssen sie deutlich genug als solche gekennzeichnet
sein. Es muss wohl anerkannt werden, dass in den Licht-
drucken nach den Berliner Zeichnungen in der Wieder-
gabe derFarbentöne das beim heutigen Stande derTechnik
Mögliche geleistet worden ist. Die Transparenz der Far-
ben der Originale kann der Lichtdruck seinem Charakter
gemäss ebensowenig erreichen wie absolute Treue in der
Wiedergabe der Licht- und Farbenwerte. In den Berliner
,,Zeichnungen alter Meister" hat man jedenfalls erfreu-
licherweise nicht versucht, ihren Charakter als mecha-
nische Vervielfältigungen zu verbergen, und es ver-
schmäht, durch die Nachahmung des alten Papiers, durch
den Druck und die Aufmachung den Abbildungen den
prätentiösen Anschein von Originalen geben zu wollen.
Das Werk ist im Jahre 1901 vom verstorbenen
Direktor Lippmann begonnen worden, der auch denPlan
in den Grundzügen aufgestellt und die Auswahl für
einen Teil der Lieferungen getroffen hat. Es ist dann
von seinen Nachfolgern im Amte in seinem Sinne
weitergeführt worden, an welcher Arbeit Elfried Bock,
von dem auch das mit grosser Sorgfalt und eingehender
Sachkenntnis angefertigte Verzeichnis herrührt, nicht
unwesentlichen Anteil genommen hat. Die Absicht,
„jene Entwickelung, die sich in Gemäldegalerien offen-
bart, aus systematisch gereihten Entwürfen, Skizzen und
Studien hervortreten zu lassen", die bei der Auswahl
massgebend war, ist, soweit die ungleichmässigen Be-
stände der Sammlung das gestatteten, in der hier vor-
liegenden Zusammenstellung der Abbildungen von 323
Zeichnungen bis zu einem gewissen Grade wohl er-
reicht worden. Wenn auch einzelne Zeichner ersten
Ranges unter den Malern, wie z. B. RafFael und Man-
tegna, Jacopo und Giovanni Bellini und Andere, deren
Zeichnungen zu den Seltenheiten gehören, überhaupt
nicht, andere Grössen nur unzulänglich vertreten sind,
so können doch die Reihen, die in den einzelnen Län-
dern und Landschaften die Entwickelung repräsentieren,
und die verschiedenen Typen der Zeichnungstechnik
in diesem Werke fast ohne Unterbrechung an vorzüg-
lichen und meist auch sehr charakteristischen Beispielen
studiert werden.

u

NEUNTER JAHRGANG. ACHTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 17. APRIL. AUSGABE AM I. MAI NEUNZEHNHUNDERTELF
REDAKTION: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERANTWORTLICH IN ÖSTERREICH-UNGARN: HUGO HELLER, WIEN I.
_______VERLAG VON BRUNO CASSIRER IN BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON W. DRUGULIN ZU LEIPZIG.
 
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