MAX SLEVOGT, TRAUERGOTTESDIENST
Künstler merklich zurück. Es ist im wesentlichen
eine unterhaltende Ausstellung neuer deutscher
Kunst geworden, gleichweit entfernt vom Ausser-
gewöhnlichen wie vom Talentlosen. Den Charak-
ter geben ihr die nicht genialischen aber soliden
Talente, die der modernen deutschen Kunst durch
energische Kunstgesinnung wertvoll werden. Diese
Ausstellung zeigt vor allem, wie der neue Künstler-
typus aussieht, der das nächste Jahrzehnt zu be-
herrschen den Willen hat, wie der Kunststil be-
schaffen ist, der der Malweise Liebermanns folgen
wird. Dadurch giebt diese Ausstellung, ohne dass
sie es will, auch eine Antwort auf jenen Protest,
den in diesen Wochen deutsche Maler der mitt-
leren Linie unter der Führung Vinnens erlassen
haben. Die jüngeren Berliner Sezessionisten re-
präsentieren nur darum ein gutes Stück deutscher
künstlerischer Zukunft, weil sie ohneheimatskünstle-
rische Sentimentalität an sich gearbeitet haben, weil
sie gelernt haben, wo es zu lernen gab, ohne viel nach
der Nationalität des Vorbildes zu fragen, und weil
sie die schwer zu erringende Sache meinten und
nicht das leicht zu formulierende Räsonne-
ment. Weil sie Talent haben, weil sie den
Schatz der nationalen Kunst mehren, wo jene
Protestler nur immer vom fremden Kapital zu
zehren wissen. Von dieser Seite betrachtet hat
die zweiundzwanzigste Ausstellung der Berliner
Sezession auch eine über die Grenzen einer
Jahresausstellung hinausreichende, eine grund-
sätzliche Bedeutung.
-Sä-
Slevogts Kollektion ist der Mittelpunkt der
Ausstellung. Nach dem Zeichner feiert nun der
Maler einen grossen Erfolg; er hat unter seinen
Bildern der letzten Jahre so zu wählen ver-
standen, dass der Gesamteindruck in unwider-
stehlicher Weise überzeugt. Slevogt repräsen-
tiert ein gutes Stück vom künstlerischen Geiste
der jüngeren Sezession; es sind in seiner Kunst
viele Möglichkeiten der deutschen Malerei nach
Liebermann zusammengekommen und ver-
schmolzen worden. Seine Malerei ist sehr viel-
fältig, sehr zusammengesetzt in ihrer Einheit-
lichkeit. Nicht nur Liebermann ist in ihr ver-
arbeitet, auch Menzel ist darin und Leibl; und
Manet ist in einer ganz deutschen Weise er-
lebt worden. In aller Stille schließt Slevogt sich
als Meister nun den Meistern an. Der Glanz
seines Talents fasziniert in dieser Ausstellung.
Aber nicht nur Bewunderung versteht er zu erringen,
sondern auch herzliche Empfindungen. Und das
ist das Schönste. Dadurch erscheint er berufen, den
Widerstreit zwischen Nord und Süd, der sich in
Persönlichkeiten wie Liebermann und Leibl noch
verkörpert, zu überwinden. Ein Münchener mit
Menzeltradition! Betritt man den Raum, so ist man
wie in der Atmosphäre jenesMenzel, der das „Balkon-
zimmer" und das „Thcätre gymnasetc gemalt hat.
Es ist dieselbe heitere Beweglichkeit, dieselbe spiri-
tualistische Naivität, dieselbe freudige Nervosität.
Es fehlt vielleicht die letzte Konsistenz. Dennoch:
Menzel, durch Manet von vielen preussisch provin-
ziellen Erdenresten befreit. Slevogts Malerei ist
ganz blond. Auch innerlich sozusagen. Sie ist
geistreich in jedem Pinselschlag; sie hat ein be-
schwingtes schnelles Tempo. Wie denn Slevogt
seiner ganzen Anlage nach ein con brio-Tempera-
ment ist. Und durch den Esprit dieser Lebhaftig-
keit sieht er nun phrasenlos auf die Wahrheit der
Natur. Geistreich bis zum Sprühen, aber sachlich
47*
Künstler merklich zurück. Es ist im wesentlichen
eine unterhaltende Ausstellung neuer deutscher
Kunst geworden, gleichweit entfernt vom Ausser-
gewöhnlichen wie vom Talentlosen. Den Charak-
ter geben ihr die nicht genialischen aber soliden
Talente, die der modernen deutschen Kunst durch
energische Kunstgesinnung wertvoll werden. Diese
Ausstellung zeigt vor allem, wie der neue Künstler-
typus aussieht, der das nächste Jahrzehnt zu be-
herrschen den Willen hat, wie der Kunststil be-
schaffen ist, der der Malweise Liebermanns folgen
wird. Dadurch giebt diese Ausstellung, ohne dass
sie es will, auch eine Antwort auf jenen Protest,
den in diesen Wochen deutsche Maler der mitt-
leren Linie unter der Führung Vinnens erlassen
haben. Die jüngeren Berliner Sezessionisten re-
präsentieren nur darum ein gutes Stück deutscher
künstlerischer Zukunft, weil sie ohneheimatskünstle-
rische Sentimentalität an sich gearbeitet haben, weil
sie gelernt haben, wo es zu lernen gab, ohne viel nach
der Nationalität des Vorbildes zu fragen, und weil
sie die schwer zu erringende Sache meinten und
nicht das leicht zu formulierende Räsonne-
ment. Weil sie Talent haben, weil sie den
Schatz der nationalen Kunst mehren, wo jene
Protestler nur immer vom fremden Kapital zu
zehren wissen. Von dieser Seite betrachtet hat
die zweiundzwanzigste Ausstellung der Berliner
Sezession auch eine über die Grenzen einer
Jahresausstellung hinausreichende, eine grund-
sätzliche Bedeutung.
-Sä-
Slevogts Kollektion ist der Mittelpunkt der
Ausstellung. Nach dem Zeichner feiert nun der
Maler einen grossen Erfolg; er hat unter seinen
Bildern der letzten Jahre so zu wählen ver-
standen, dass der Gesamteindruck in unwider-
stehlicher Weise überzeugt. Slevogt repräsen-
tiert ein gutes Stück vom künstlerischen Geiste
der jüngeren Sezession; es sind in seiner Kunst
viele Möglichkeiten der deutschen Malerei nach
Liebermann zusammengekommen und ver-
schmolzen worden. Seine Malerei ist sehr viel-
fältig, sehr zusammengesetzt in ihrer Einheit-
lichkeit. Nicht nur Liebermann ist in ihr ver-
arbeitet, auch Menzel ist darin und Leibl; und
Manet ist in einer ganz deutschen Weise er-
lebt worden. In aller Stille schließt Slevogt sich
als Meister nun den Meistern an. Der Glanz
seines Talents fasziniert in dieser Ausstellung.
Aber nicht nur Bewunderung versteht er zu erringen,
sondern auch herzliche Empfindungen. Und das
ist das Schönste. Dadurch erscheint er berufen, den
Widerstreit zwischen Nord und Süd, der sich in
Persönlichkeiten wie Liebermann und Leibl noch
verkörpert, zu überwinden. Ein Münchener mit
Menzeltradition! Betritt man den Raum, so ist man
wie in der Atmosphäre jenesMenzel, der das „Balkon-
zimmer" und das „Thcätre gymnasetc gemalt hat.
Es ist dieselbe heitere Beweglichkeit, dieselbe spiri-
tualistische Naivität, dieselbe freudige Nervosität.
Es fehlt vielleicht die letzte Konsistenz. Dennoch:
Menzel, durch Manet von vielen preussisch provin-
ziellen Erdenresten befreit. Slevogts Malerei ist
ganz blond. Auch innerlich sozusagen. Sie ist
geistreich in jedem Pinselschlag; sie hat ein be-
schwingtes schnelles Tempo. Wie denn Slevogt
seiner ganzen Anlage nach ein con brio-Tempera-
ment ist. Und durch den Esprit dieser Lebhaftig-
keit sieht er nun phrasenlos auf die Wahrheit der
Natur. Geistreich bis zum Sprühen, aber sachlich
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