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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

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Heft 9
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Hancke, Erich: Das Mesdagmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0456

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und Andere gearbeitet haben, ist ohne weiteres klar.
Von Daubigny, zum Beispiel, sind zwanzig Ölbilder
da, darunter einige angefangene, die uns über seine
künstlerische Art fast noch mehr Aufschluss geben,
als die ganz vollendeten. Ich will aber nicht etwa
die Meinung erwecken, dass es sich um eine Samm-
lung von Skizzen handelt. Die ausgeführten Werke
überwiegen bei weitem und es sind sehr viele Haupt-
werke darunter.

Die Bilder sind auf das Erdgeschoss und die
beiden Stockwerke des Hauses verteilt. Ein Raum
zu ebener Erde ist ganz für die alten geschnitzten
Möbel, das chinesische und japanische Porzellan,
für die Alt-Rozenburgschen Gefässe, die japanischen
Bronzen, die orientalischen Teppiche usw. reser-
viert ; aber auch in den andern Räumen steht hier
und da ein schönes Möbelstück, so dass der Cha-
rakter eines Wohnhauses gewahrt ist. Die Bilder
sind nicht nach den verschiedenen Nationen geson-
dert aufgehängt; man kann einen Israels neben einem
Corot oder Courbet, einen Maris neben einem Dau-
bigny sehen. Wir wollen uns aber zunächst mit der
holländischen Kunst beschäftigen,die durch ungefähr
sechzig zum Teil vortreffliche Künstler vertreten ist.

Der frischeste, kräftigste von ihnen scheint mir
Jakob Maris zu sein, den man hier viel besser
kennen lernt, als im Amsterdamer Reichsmuseum,
wo die Auswahl und Aufstellung seiner Werke
nicht recht günstig ist. Er hat mit seinen Lands-
leuten Israels, Mauve, Mesdag und Anderen Weich-
heit und Helligkeit gemein, eigen aber ist ihm die
grössere koloristische Kraft. „Die holländische
Stadt" von ihm, die im Erdgeschoss hängt, ist ein
Bild voll Bewegung und sprühenden Lebens. Die
Häuser mit ihren roten Dächern stehen in festlicher
Harmonie gegen das sonnige Blau des Himmels und
die silberweissen Wolken. Die frische Atmosphäre
ist famos gegeben. Alles ist mit energischen knappen
Pinselstrichen hingeschrieben. Die „Muschelfischer",
ein grosses sehr durchgeführtes Bild, zeigt die-
selben Vorzüge. Die Düne in schönem, kräftigem
Ton und die Luft mit den energisch geballten
Wolken hat entschieden etwas Grossartiges. Auch
diese kräftige, grosszügige Behandlung der Luft hat
Jakob Maris vor den andern modernen Landschaftern
seines Landes voraus.

Von Mathijs Maris, der seinem Bruder und den
übrigen Meistern der Haager Schule so wenig gleicht
und in dem viele namentlich der jüngeren Künstler
ihren Abgott verehren, ist hier das berühmte Bild
„die Köchin".

Josef Israels ist der berühmteste Maler des
modernen Hollands. In seinen Bildern liegt ein
grosser Zug. Er hat seinen Landsmann Rembrandt
studiert und tief verstanden, und aus seinen Werken
spricht uns etwas an vom Geist des grössten Malers;
der wahre Ton, die schlichte Wochentagsfarbe
seiner Porträts erinnern an manche rührend einfache
Bildnisse Rembrandts. Er sieht auch die Menschen
mit der mitleidigen Liebe, womit Rembrandt sie
sah; aber er hat nicht die malerische Kraft seines
grossen Vorbildes. Vielleicht, um die eminent
lebendige Wirkung, die Rembrandt erreicht, indem
er auf den Pastositäten seiner Malerei das Licht
wie auf der Oberfläche der wirklichen Körper
spielen lässt, in seinen Bildern zu erzielen, setzt
Israels, der die Pastositäten vermeidet, alles in kleinen
durcheinandergewischten Strichen hin, die zweifel-
los sehr lebendig wirken, aber dem Bilde trotz
wundervoller Zeichnung und reichem Ton etwas
Haltloses, Nervöses geben.

Interessant ist es, den „weiblichen Akt" von
Israels mit dem in der Nähe hängenden von Courbet
zu vergleichen. Bei Israels blasse oft verschwim-
mende Striche, in denen gewiss ein feines Gefühl
für den Körper, für Licht und Raum zittert, aber
keine entschiedene Farbe, keine feste Linie. Bei
Courbet dagegen die grösste Kraft und Bestimmt-
heit. In starkem aber süssem Gegensatze steht das
Grün des Vorhangs zu dem Blaugrau der Wand,
dem Rot des Polsters und den rosigen Fleischtönen
des Körpers. Die Formen sind zart, aber sehr kräftig
modelliert, und die Ölfarbe hat das prächtige Email,
das man bei allen Bildern Courbets findet. In der
Nähe solcher Bilder tritt die Schwäche der Israel-
schen Faktur besonders hervor. Selbst das grosse,
sehr bekannte Bild „Allein auf der Welt", ein alter
Mann, der bei anbrechendem Tage an dem Toten-
bette seiner Frau sitzt, eine überaus ergreifende Ge-
stalt, ist nicht frei davon. Ausser diesen Bildern
besitzt die Sammlung zwei schöne Aquarelle von
ihm. Einen bärtigen, alten Mann mit aufgestützter
Hand und einen Kahn mit zwei Arbeitern auf
einem Flusse. Die holländischen Maler sind mit der
Aquarelltechnik besonders gut vertraut. Ihre Aqua-
relle haben dieselben Vorzüge, wie ihre Ölbilder,
ja, sie sind vielleicht sogar noch schöner, weil für
Das, was die Künstler geben wollen, die duftige
Wasserfarbe das geeignetere Ausdrucksmittel ist.
Auch verlangt man von einem Aquarell nicht die
kräftige Farbe eines Ölbildes.

Ein Künstler, der ebenso wie der hier nicht

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