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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 9.1911

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Heft 10
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Jugendbriefe Anselm Feuerbachs an seine Eltern
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https://doi.org/10.11588/diglit.4706#0493

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tung, im Innern trüge, kurz und gut, er bat noch -wie
keiner zu mir gesprochen. — Er fragte plötzlich:
„Sind Sie noch bei Schadow?" „Nein!" — „Das ist
sehr gut!" Ich übertriebe alles zu sehr, das ginge
durch und steigere sich von Komposition zu Kompo-
sition; zuletzt hatte ich noch meine Gigantenschlacht,
da sagte ich lachend: „ Nun wird, um allem die Krone
aufzusetzen, noch gar der Himmel gestürmt". Allein,
die gefiel ihm am allerbesten, „das freute ihn". Ich
hatte es ganz umkomponiert und mit Rotstift im Effekt
gearbeitet, ich kann nicht leugnen, es ist gewaltig,
phantastisch.....

Jetzt haben wir den Weihnachtsabend, und ich will
nun, weil ich denn so ganz allein bin, trotz meiner
Kopfschmerzen, mit Euch ein bisschen plaudern, vor-
hin in der Dämmerung dacht' ich an die früheren
lieben Zeiten zurück, wo wir im Finstern sassen, vor
Freude ausser uns, jetzt ist es freilich anders, jetzt
sind wir getrennt und nicht eben in der heitersten
Stimmung, ach Gott, und ich habe so viel, so viel zu
schreiben, dass ich mir den Kopf zusammenhalten muss,
um mich hcrauszuwirren und kurz und klar zu fassen.
Ich muss nun erst all das wiederholen, was längst
schon im reifen und klaren durchdacht ist, aber Ihr
wisst ja gar nichts davon, es ist recht betrübt, dass

man nicht miteinander sprechen kann.....— Doch

nun zur Hauptsache: Ich bin fest entschlossen, bis
Ende März nach Paris zu gehen, Roux geht mit.
Mein Bild ist schon seit vierzehn Tagen untermalt,
ziemlich fertig und ganz in Harmonie und Stimmung,
so dass ich längstens bis dahin fertig bin und dann
noch ein zweites beginnen, nein, das fällt mir im Traum
nicht ein; Gott, ich soll mich nun erklären, und weiss
gar nicht, wo ich beginnen soll, ich bin so klar und
habe mich so hineingedacht, dass es mir kaum möglich
wird, mich in Worten auszudrücken, kurz, mit einem
Wort, die Korrektur von Schadow genügt mir nicht,
ich kann mich nicht hineinfinden, mein Geist will was
Höheres und Besseres, und das sollen mir die Alten
sein, warum soll ich mich denn hier verzehren in
meiner eigenen Glut, Gott, sähet Ihr mein Inneres,
Ihr würdet mich bedauern, ich kann und kann und
will und mag nicht mehr länger hier bleiben; mein
kleines Bild werde ich mit Geduld hinausführen, aber
dann will ich im Louvre kopierett und studieren wie
ein Anfänger, was helfen mir den sechs Düsseldorfer
Bilder, die schlecht sind, ich fühle, dass ich noch kein
Bild malen kann, und will deshalb noch mit eisernem
Fleisse studieren, Skizzen malen, bis ich fühle, dass es
Zeit ist, dann aber wage ich mich auch an ein grosses

Bild, die Befreiung des Bacchus, dass ich auch wie ein
Blitz auftrete und nicht so den Eselstrapp. Die Alten
haben sicher sich nicht schon in der Wiege an Bildern
versucht, und so lange schlechte Bilder gemalt, bis ihnen
ein Licht aufging, sondern sie haben so lange rastlos
studiert nach dem Leben und nach Meisterwerken, bis
sie klar wurden, dann aber traten sie keck hervor, nur
dadurch haben sie ihre Frische erhalten, dann brauchten
sie aber nicht wie die Düsseldorfer zu jedem Dreck
Natur, sondern, wie gedacht, so gemacht, vermöge
ihres früheren Studiums. Ich sehe, wie sehr sie hier
alle, sowohl was Technik und Geist betrifft, im Dunkeln
herumirren, ich muss Licht und Klarheit haben, ich
kann nicht mehr im Finstern tasten. Ich mag der
vielen Inkonsequenzen Schadows gar nicht erwähnen,
und wie und wo der Gedanke reif wurde, deshalb
habt Vertrauen zu mir und lasst mich ziehen, und
finde ich in Paris das nicht, nun, so weiss ich doch,
dass nirgends auf der Erde das Vollkommene zu finden
ist, und muss mich eben auf mich selbst verlassen, in
ein Atelier zu gehen halte ich nicht für nötig, da man
sich dort nebst den Vorzügen auch die Fehler der
Meister aneignet, die im Vergleich gegen andere ver-
schwinden. — Kugler hätte ganz recht, wenn der
Mensch eine Maschine wäre, wer kann denn so sagen :
„ Und Sie bleiben noch so und so lange da", Hölle und
Tod, das ist ja nicht mehr zum Aushalten! Er hat
da ein Beispiel angeführt von Schrader, ja, lieber Gott,
der hat aber miserabel hier angefangen, über dessen
Bild, was ich hier aus früherer Zeit gesehen, lache ich;
ja, wenn man sich so heraufarbeiten muss, dann will
ich mich lieber gleich totschiessen, wenn man erst in
seinen alten Tagen klug wird, um nachher einzusehen,
dass alles Bisherige verlorene Zeit war, nicht wahr,
das ist Poesie! Das ist ein famoses Handwerk! Kugler
warnt vor einer stossweisen Ausbildung, ja, muss ich
denn hier erst noch zum Philister gemacht werden, soll
ich denn sechs Jahre Schatten fabrizieren, wo ich jetzt
so klar fühle, bloss um nicht stossweise zu sein; der
möge Gott danken, der sich mit einein Stosse helfen
kann, statt sich langsam vom Ort zu winden. —
Sohns Porträts ekeln mich an, nur Lessing ist gross,
aber von dem hat man auch nichts, denn wer keine
Lessingnatur ist, den begreift er nicht. Mein Faun
wird ganz nett werden, aber meint Ihr denn, das ge-
nügt mir, oder ich würde ihn ausstellen, dass es dann
heisst: „Oh, für ein erstes Bild recht artig, wenn er
so fortfährt, kann was aus ihm werden", nein, lieber
nichts als dies, begreift Ihr das nicht? Ich will den
Faunen dem Grossherzog schenken, gibt er mir was,
so isfs gut, wo nicht, so bin ich aller Verbindlichkeiten

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