Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

DOI issue:
Heft 1
DOI article:
Hausenstein, Wilhelm: Slevogt: zum 8. Oktober 1918
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0019

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
MAX SLEVOGT, AM KLAVIER

kein Wunder, dass Böcklin ihm etwas bedeutet
hat. Eigentümlich ist aber, dass der junge Slevogt
das Romantische in sich zügelte und der ausgereifte,
nach einer disziplinierten Entwicklung durch das
Naturalistische hindurch, den romantischen Trieb
schiessen Hess. Dies ist ein bewundernswerter Ver-
lauf. Noch merkwürdiger ist ein anderes. Lehnte
Slevogt später Böcklin ab, so widersprach er weder
dem Erfinder noch dem Erzähler, sondern dem
Koloristen. Seltsame Verkehrung: das gemeine
Argument pflegte sich schliesslich und erstlich gegen
die Imagination und gegen das Romantisch-Illustra-
tive bei Böcklin zu wenden. Beides wurde von
Slevogt — so versicherte Voll — angenommen.
Kein Wunder, denn er ist südlich. Das Fragwürdige
Böcklins lag für Slevogt im Mittel. Man giebt sich
nicht genug Rechenschaft darüber, wie richtig es
ist, wenn Voll zu sagen pflegte: der Grundzug im
Wesen Slevogts sei „poetisch". Voll sagte es i p i z
und früher: ehe er wissen konnte, dass ihm gerade
folgende Jahre verblüffend recht geben würden,
wenn es noch nötig war.

Zunächst [schien Slevogt sich gegen das Poeti-
' sehe ins Gefecht zu stellen. Er malte die „Danae".
Am Ende des Bettes eines Berufsmodells von scheuss-
licher Figur und pikanter Hautfarbe sitzt eine
Münchner Hausmeisterin. Die Kollegen nannten
Slevogt „den Schrecklichen". Sie sahen in seiner
Malerei nur einen Exzess des Naturalismus. Sie
sahen nicht, dass damals schon — man möchte
sagen: so gut wie später — in der Farbe, der Kurve,
der malerischen Gestikulation Gedichte standen.
Als Slevogt gegen 1889 Diez verliess, um zu reisen,
mochte in der Loslösung vom Lehrer wohl etwas
wie ein Aufstand des Naturalisten gegen den Histo-
riker liegen. Allein weder wäre Diez mit dem
Namen des Historikers noch Slevogt mit dem des
Naturalisten erschöpft. Slevogt löste sich nicht von
dem Poeten Diez — der er war — und hatte nichts
gegen den romantischen Illustrator einzuwenden.
Es löste sich der Hellere vom Dunkleren. Mittel
sprang gegen Mittel. Mittel fuhr vom Mittel weg.
Dies ist so wesentlich wie der Unterschied des Na-
turalisten vom Historiker. Denkwürdig auch: in

8
 
Annotationen