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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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Glaser, Curt: Deutsche Malerei im neunzehnten Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0127

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Aber es soll hier weder über das Wort und über
das Programm des Impressionismus noch über seine
Erfüllung in dieser Ausstellung gerechtet werden.
Man weiss, was die Veranstalter meinten, als sie
vom ,,Werden des Impressionismus" sprachen, und
man mag den Begriff so gelten lassen, wenn es auch
schwer fällt, in Dresden etwa von Carus und Frie-
drich zu Rayski und Kühl, in Düsseldorf von Lessing
und Schirmer zu den Achenbach uud te Peerdt mit
diesem Schlagwort allein die Brücken zu schlagen.
Genug, dass um die Jahrhundertwende eine lebens-
kräftige und ihrer Zeit bewusste deutsche Malerei
erstanden ist. Ihre Hauptvertreter blieben nicht in
München, sondern zogen hinauf nach Berlin, wo ihr
anerkannter Führer, Max Liebermann, ortsansässig
war. In der Berliner Sezession findet die deutsche
Malerei ein anziehungskräftiges Zentrum, um das
sich die besten Krähe scharen. Die Ausstellung
zeigt Liebermann mit einigen starken Werken, die
zumeist den beiden Dresdener Sammlungen Schmitz
und Rothermundt entstammen, derStudie zur „Klein-
kinderschule" von 1875, einem Küchenstück von
1883, dem „Biergarten in Brannenburg" von 1893,
einem „Delfter Gemüsemarkt" von 1907, dem
wundervollen „Kohlfeld" von 1913, das man gern
im Besitz der Nationalgalerie wüsste, und einem
Gartenbild aus Wannsee aus dem letzten Sommer,
so dass in grossen Etappen das ganze Lebenswerk
des Meisters sich aufrolle. Slevogt ist neben älteren,
bekannten Arbeiten mit zwei Landschaften aus der
Pfalz vom vorigen Jahre zur Stelle. Glücklicher
noch stellt sich Corinth dar, dessen weitspannendes
Talent in dem an Wucht der Gestaltung mit Dau-
mier vergleichbaren „Schlachthaus" von 1 907, dem
küstlich funkelnden Parisurteil desselben Jahres und

der magistralen „Toilette" von 1 9 1 1 gut charak-
terisiert ist. Zwei neue Arbeiten, eine „Dame in
Rosa" und ein in seiner Üppigkeit pompöses Blumen-
stilleben legen Zeugnis ab von der jüngsten Ent-
faltung seiner Kunst.

,. ' Das Dreigestirn der Berliner Malerei stellt alles
übrige, was sonst in Deutschland geschaffen wurde,
weithin in Schatten. Die Ausstellung schliesst
wirkungsvoll mit diesem Akkord, indem sie darauf
verzichtet, der Auflösung der Berliner Sezession in
aufs neue sich zersplitternde Kräfte zu folgen. Denn
hier hätte es gegolten, eine andere Ahnenreihe ans
Licht zu ziehen. Statt der Wolkenstudien Dahls
hätten die heroischen Landschaften Josef Anton
Kochs, statt der kleinbürgerlichen Porträts der
Hamburger die grossen Entwürfe der Nazarener
mit den jetzt aufgerollten Kartons des Cornelius
am Eingang gestanden, und manche Künstler, die
jetzt auf Grund einer Skizze für das Werden des
malerischen Stils in Anspruch genommen werden,
müssten mit vollgültigen Werken erneut sich aus-
weisen.

Aber ob nun dies oder jenes bewiesen werden
soll, ob der eine oder der andere historische Beweis
glückt oder misslingt, — über alle Begriffe siegt
doch das lebendige Kunstwerk. Und wenn es lehr-
reich sein mag, den Blick einmal auf die Zusammen-
hänge einzustellen, so ist es genussreicher, sich dem
Einzelnen hinzugeben. Dass die Ausstellung in dem
einen zu mancherlei Gedanken anregt, und gerade
dass sie auch zu Widersprüchen herausfordert, dass
sie im anderen nicht versagt und neben der Fülle
„namenloser Kunst" auch eine stattliche Reihe der
besten Werke deutscher Malerei vereinigte, das
macht ihr zweifaches Verdienst.

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