Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Waldmann, Emil: Liebermannfälschungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0129

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
dem kleinen Dachschornstein. Hier passiert aber auch
nicht das Geringste an Form- oder Raumerlebnis, hier
hat die bare Phantasielosigkeit nur still vor sich hin-
gekritzelt. Man muss sich einmal Liebermanns herrliche
Kaltnadelradierung der Stiandhäuser ansehen und das
dann, wenn auch nur in der Erinnerung, vergleichen
mit dieser gefälschten Zeichnung. Wie hier räumlich
alles durcheinandertaumelt und keine Wand richtig in
der Ebene steht, wie hier Land und Meer ein und die-
selbe dumpfe Stofflichkeit haben und die ausdruckslos
hingesetzten dunklen Striche weder Terrainbewegung
noch Räumlichkeit suggerieren! Der Fischer, der da
rechts heraufkommt, und den Liebermann mit fünf
Strichen macht, ist womöglich noch schlechter als die
auftauchenden Segelbootsmasten, von denen man nicht
weiss, woher sie auftauchen.

Und vor allem: die Farbe! Liebermanns Pastelle
sind glänzend und hell in der Farbe, vollklingend und
tief leuchtend, sehr schwingend im Licht und bei aller
Durchsichtigkeit in klaren Flächen rhythmisch sprechend.
Hier ist nichts als ein mühselig trockener Ton des
Einzelstrichs, der sich nie mit dem Ganzen verbindet
und daher als Ganzes trübe und stumpf wirkt. Von
Verselbständigung der Farbe, von Leuchten der Ge-
samtfarbe ist keine Rede, von Kostbarkeit veredelter
Materie zu schweigen.

Warum wir uns mit solchen Machwerken überhaupt
beschäftigen?

Einmal aus äusserlichen, rein praktischen Gründen
der Warnung. Denn es ist anzunehmen, dass diese
Fälschungen nach dem ersten missglückten Versuch, sie
anzubringen, nicht gleich wieder dahin verschwinden,
woher sie gekommen sind. Solche Dinge haben immer
eine etwas romanhafte Geschichte, mit verwickelter
Provenienz von zeitweiliger Vergessenheit und ehe-
maliger Schenkungund pflegen in gewissen Zeitabständen
an verschiedenen Orten immer wieder aufzutauchen
und den Markt zu beunruhigen.

Dann aber dienen sie doch auch indirekt zur Be-
reicherung unsrer Kenntnis von Liebermanns Kunst.
Wenn man immer nur echte Liebermanns sieht, ge-
wöhnt man sich schliesslich an diesen Wert wie an
seine Selbstverständlichkeit. Sieht man aber gelegent-
lich auch einmal unechte Liebermanns und fragt sich,
warum sie denn nun, abgesehen von allen äusseren
Merkmalen, falsch sein müssen und nicht von Lieber-
mann herrühren können, dann schärft man damit
wieder einmal sein Gefühl dafür, worin eigentlich in
Liebermanns Kunst das Schöpferische besteht, was an
seiner Art zur Not lernbar ist und was nicht, was bei
ihm die Handschrift bedeutet und was bei andren
Manier ist.

■ -■



y**

i/tnuK'AU,

FRAU IM HOF. KREIDEZEICHNUNG

1 ')
 
Annotationen