Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:
Dresdner, Albert: Kopenhagen, [1]: ein Beitrag zur Kunstgeschichte des Stadtbaues
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0224

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


I



KOPEM HAGEN, DIE BÖRSE

und Kanälen tief in den Stadtkörper selbst hinein-
drängt und den ewig regen, malerischen Schiffs-
und Hafenverkehr bis an die Brennpunkte des
grossstädtischen Lebens heranträgt. Die grossen
edlen Umrisse der Segelschiffe, die gedrungenen
Formen moderner Dampfer, energisch geschnittene
Fischerboote von allerlei Art und Gestalt, alte
Häuserreihen und stattliche Monumentalbauten, die
sich im Wasser spiegeln, dazu die feuchte Seeluft,
die alle Formen dämpft und fein zusammenfasst: das
sind abwechslungsreiche und anziehende Erschei-
nungen, deren Schönheit sich auch das stumpfere
Auge nicht leicht entzieht. Selbst da, wo die See
nicht mehr hindringt, auf der Landseite, im Rücken
der alten Stadt, haben sich als Rest eines einstigen
Wasserlaufes drei (ursprünglichzwei) Seenerhalten,
an deren Ufern sich ein an die Hamburger Alster
erinnerndes Stadtbild aufbauen konnte. Längst ist
Kopenhagen bis an den berühmten Tiergarten
(Dyrehavc) vorgestossen und hat damit einen eben-
so ausgedehnten wie wohlgepflegten Naturpark an
die Stadt selbst angeschlossen, in dessen majestäti-
schen Buchenhallen man die seeländische Natur

von ihrer grossartigsten Seite kennen lernt. Und
so mächtig sich auch die Stadt im jüngsten Men-
schenalter ausgedehnt hat, so ist sie doch noch nicht
bis zu dem Grade monströs und unübersichtlich
geworden, dass man nicht nach den verschiedensten
Seiten hin leicht und bequem die sie umgebende
Landschaft erreichen könnte: eine idyllische Flach-
landschaft von ruhigen, weitgezogenen Linien und
der Intimität alten Kulturbodens.

Indes reicht das alles durchaus nicht hin, um
das Geheimnis der Stadtschünheit Kopenhagens zu
enträtseln. Christiania gebietet über eine unver-
gleichlich grossartigere Lage und Natur, und wirkt
doch zwischen seinem Fjorde und seinen Fjelden
nur als ein anstössiger Fremdkörper. Die dänische
Hauptstadt aber geht mühelos in ihre Umgebung
ein, vermählt sich mit ihr, erhöht sie und wird von
ihr erhöht. Sie ist ihr innerlich verwandt: frei
von grossartigen Prätensionen und doch nicht ohne
Grösse, reichbelebt und doch ruhevoll, intim und
ihrer Wirkung nach nicht überwältigend, wohl
aber von einer Anziehungskraft, die je länger je
unwiderstehlicher ist. Sie ist, das schöne Goethe-

z 10
 
Annotationen