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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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Heft 7
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Sarre, Friedrich: Eine persische Kopie von Peruginos "Beweinung Christi"
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Riza sind allerdings auch die Namen von Imamen,
aber es sind gebräuchliche Namen, wie sie jeder
dritte oder vierte schiitische Perser führt; sie gelten
nicht als Ehrentitel, sie stempeln nicht den Träger
des Namens zu einem „Sejjid", einem „Herrn" und
Prophetenabkömmling. Ein Hinweis auf diese
religiöse Wurde mochte dem Künstler auf einer
Darstellung aus der christlichen Lehre unstatthaft
und unschicklich erschienen sein. Auch den Pro-
pheten, einen Imam oder heiligen Mann darzustellen
scheut sich der Perser; wenn er es thut, so verhüllt
er das Antlitz desselben.15 Man darf trotz der Be-
deutung, die die Malerei im persischen Kulturgebiet
des Islams gewonnen hat, nicht vergessen, dass die
Orthodoxie ihr stets feindlich gegenüberstehen
musste, dass „den Strenggläubigen die Malerei eine
fremdartige, nur geduldete, sozusagen anonyme
Kunst, ein Kind der Laune von Herrschern und
Grossen war, kein nationales Bedürfnis." Das ist zu-
gleich ihre Stärke und ihre Schwäche gewesen. Die
persische Malerei musste zu gründe gehen, als sie
nicht mehr die privilegierte Kunst des Hofes und
einer raffinierten Gesellschaftsschicht war, als diese
Gesellschaft mehr Gefallen an ausländischem Kunst-
schaffen fand und auch in der Malerei nur mehr das
Abbild des Fremden, nicht mehr die einheimische
Kunstübung zu schätzen wusste.

Wir erwähnten schon oben, dass auf unserer
Miniatur, im Gegensatz zu dem Gemälde Peruginos,
die Wundmale und die Dornenkrone fehlen. In
diesemUmstande möchte ich dasBestreben desKünst-
lers erkennen, der christlichen Lehre keine mit der
islamischenunvereinbaren Zugeständnisse zu machen.
Lehnt doch der Islam, der sonst die Christologie
weitgehend übernommen hat, die Gottheit Christi
und den Kreuzestod ab (Koran IV. 156)- Die
übliche Lehre ist, dass an Stelle von Jesu ein anderer
gekreuzigt worden sei, entweder einer seiner Ge-
nossen (z. B. Judas) oder aber, wie es Johannes
Damascenus vom Islam berichtet, der Schatten Jesu.10

Unsere Miniatur ist unstreitig keine der besten
Schöpfungen Riza Abbasis; man hat sie ihm sogar
absprechen und einer jüngeren Zeit zuweisen wollen
(Schulz a. a. O. S. 75); meines Erachtens mit Un-
recht. Abgesehen davon, dass sich der Künstler vor
allem in farblosen Zeichnungen und nur selten in
Miniaturmalereien auf der Höhe seines Könnens
zeigte, haben ihn hier die Abhängigkeit, in der er
sich von dem italienischen Vorbilde befand, und
vielleicht auch die religiösen Bedenken, die ihm

der Vorwurf machte, ungünstig beeinflusst und
seine Unbefangenheit gehemmt.

Wie viel freier und deshalb auch künstlerisch
besser erscheint Riza Abbasi, wenn er einen ihm
zusagenden Vorwurf behandelt! Ein Beweis dafür
ist das gleichfalls stark farbige Blatt mit einem
Liebespaar, das vor neun Jahren in dieser Zeitschrift
veröffentlicht worden ist. Trotz der Abhängigkeit,
in der sich der Künstler bei unserer Miniatur von
der italienischen Vorlage befand, beweist aber ge-
rade der Umstand, dass er nicht sklavisch kopierte,
dass er z. B. die rhythmische Geschlossenheit der
italienischen Komposition nicht übernahm, seinen
Charakter; er bleibt auch hier sich selbst getreu.
Und so ist diese persische „Beweinung Christi" in
gewissem Sinne höher zu bewerten, als manche ge-
fälligere Arbeit des Künstlers.

1 Rembrandts Zeichnungen nach indisch - islamischen
Miniaturen (Jahrb. d. Kgl. Preuss. Kunstsammlgn. 1904.
S. 143 ff.) und Ein neues Blatt von Rembrandts indischen Zeich-
nungen (ebendort 1909. S. 28311".).

2 F. Sarre und E. Mittwoch: Zeichnungen von Riza Ab-
basi. München ig 14. S. 3. Abb. 2.

3 ebendort Taf. 2—4b, 28b, 29b, 32. — F. R. Martin:
The Miniature Painting and Painters of Persia. London 1912.
PI. 159. .— Ph. Walter Schulz: Die persisch-islamische Minia-
turmalerei. Leipzig 1914. Taf. 160, 163. — Derselbe: Die
Wahrheit über Riza Abbasi, den Maler. Zeitschr. f. Bild. Kunst.
52. Jahrg. S. 80.

4 Goethe hat die bemerkenswertesten dieser Werke, die
unendlich wertvoller sind als die oft eilig verfassten und auf
Effekt berechneten modernen Reisebeschreibungen, ein-
gehend studiert, als er sich mit östlicher Literatur beschäftigte.
Vgl. Noten und Abhandlungen Zum besseren Verständnis des
West-östlichen Divans. Jubü.-Ausgabe. V. Band mit Einlei-
tungen und Anmerkungen von Konrad Burdach,

5 L'Ambassade de Don Garcia de Silva Figueroa en Perse.
Paris 1667. S. 231.

6 Voyage de Corneille le Brun en Perse. Amsterdam
1718. S. 222.

7 Petri della Valle Reiss-Beschreibung in die Orientalischen
Länder. Genf 1674. III. S. 14.

8 Les six Voyages de Jean Baptiste Tavernier. Utrecht
1712. IV. S. 47.

9 Moscovitische und persianische Reisebeschreibung, heraus-
gegeben durch Adam Olearius. Schleswig 1656. S. 531.

10 Auf dieser Miniatur wiederholt sich eine Geste der Grab-
legungs-Miniatur in der Art, wie. ein Tuch an Zwei Zipfeln
emporgehoben wird; aber diese Übereinstimmung ist wohl
nur eine Zufällige.

11 GrafF. A. vonNoer: Kaiser Akbar, Leiden 1885. II. S. 326.

12 William Ouseley: Travels in various countries of the
east, more particularly in Persia. London 1819. S. 46. — George
N. Curzon: Persia. London 1892. S. 54. — Schulz a.a.O. S. 59.

T3 F. Sarre: Denkmäler persischer Baukunst. Berlin 1910.
S. 102ff. Taf. 71—74. Abb. 117, 119, 148—150.

H Zu dieser Frage haben sich in ihren Besprechungen Prof.
E. Littmann (Götting. Gelehrte Anzeigen 1917 S. 604) und
Dr. Ph. W. Schulz (Zeitschr. für Bild. Kunst a. a. O. S. 74)
geäussert.

J5 Z. B. auf der oft in der Miniaturmalerei wiedergegebenen
Szene der Himmelfahrt Mohammeds auf dem Fabelreittier Borak.

16 Gütige Mitteilung von Prof. C. H. Becker. Vgl. seinen
Aufsatz: Christliche Polemik und islamische Dogmenbildung.
Zeitschr. f. Assyriologie. 25. Band. S. 175 ff.

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