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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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Heft 10
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https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0439

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wiesen und gezeigt, wie vielfach durch die divergente
Stellung von Kanzel und Altar, durch den Einbau von
Emporen, durch die Richtung des Gestühls usw. der
Raumgedanke in seiner einheitlichen Auswirkung be-
einträchtigt worden ist. Es kommt hinzu, dass der Bau-
anlass der protestantischen Kirche wesentlich profan ist:
an die Stelle der örtlichen Gebundenheit der Religions-
übung ist die" Versammlung der Gemeinde als Baugrund
getreten. Hierin sieht der Verfasser den Grund für
den Niedergang der kirchlichen Baukunst, die, sobald
sie über den Ausdruck der profanen Raumidee hinaus
nach einer an sich religiösen Raumgestalt strebt, in
einen ästhetischen Formalismus gerät.

Wollen wir künftig dem religiösen Leben einen bau-
lichen Ausdruck schafFen, so müssen wir den Kirch-
bau im Sinne der ersehnten geistigen Erneuerung der
Gesellschaft als den Ort sichtbarer Gemeinschaft auf-
fassen: „er ist nicht nur Gehäuse der Versammlung,
sondern sichtbare Form in Gestalt der Gemeinschaft.
Wie der Gang zu dieser Kirche ein sichtbarer Schritt
zur Opferung des Ich, so ist ihr Bau eine sichtbare und
spontane Gebärde der Gemeinschaft, eine Selbstdar-
bringung durch die Baukunst um der Erlösung willen."
Eine solche Kirche, die als Raumform der Gemeinschaft
erbaut würde, entstünde nicht infolge örtlicher Ge-
bundenheit der Religionsübung, sondern die zur Raum-
form drängende religiöse Idee bände sich freiwillig
an den Ort. Eine solche Kirche wäre geeigner, die
Bedeutung der „religiösen Feier" in katholischen Sinne
zu erneuern.

Der Vorschlag des Verfassers geht daher dahin, die

Problematik des evangelischen Gottesdienstes, die aus
der Mischung von Predigt und Feier entsteht (und die
zugleich auch die Problematik desevangelischenKirchen-
baues ist) aufzuheben zugunsten einer Trennung von
Feierkirche und Predigthaus. Der Raumgedanke des
Predigthauses wird dann wieder eindeutig bestimmt
durch die Bewegung zur Kanzel, wodurch auch die
Form der Emporenhalle neu befruchtet werden könnte.
Die Feierkirche aber würde nun, befreit von einengenden
Fesseln profaner Zwecke, wieder in höherem Sinne
sakraler Ort, den zu schmücken Architektur und bil-
dende Kunst miteinander wetteifern würden.

Voraussetzung für eine solche neue Vergeistigung
des Kirchenbaues, darüber ist sich der Verfasser klar,
ist eine Vergeistigung der menschlichen Gesellschaft
und ihre Entfaltung zur wirklichen Gemeinschaft. Die
Menschheit zu diesem grossen Ziele zu führen, das ist,
wie Bartning in einem wunderschönen, einen aufrechten
Idealismus bekundenden Kapitel „Zeichen der Zeit"
ausführt, der Sinn des grossen Kriegers, der als die
Krisis der Menschheit bezeichnet wird. Er hat die
Hingabe unter den Menschen wieder geweckt, die stets
den Keim der Religion bildet. Fast scheint es, als sei
dieses Kapitel, das aus dem inneren Drang entstanden
ist, eine höhere Idee in dem grausamen Geschehen
dieser Tage zu erkennen, der Anlass zu diesem Buche
gewesen: denn es ist ein reines und frommes Be-
kenntnisbuch, das man im Wissen nicht, wohl aber
im Herzen und in der Seele bereichert, dankbar aus der
Hand legt.

Walter Curt Behrendt

das*



LISTE EINGEGANGENER BUCHER

Max J. Friedländer: Der Kunstkenner. Ver-
lag Bruno Cassirer, Berlin.

Die Stadtkrone von Bruno Taut. Verlegt bei
Eugen Diedrichs, Jena 1919.

im freien Volksstaat von Georg Malkowsky. Berlin,
Furche-Verlag.

Gottfr. Aug. Bürger: Münchhausens Reisen.
Mit den Holzschnitten von Gustav Dore vom

Sozialismus und Kultur. Die bildende Kunst Originalholzstock. Im Insel-Verlag.

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