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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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Heft 11
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Mackowsky, Hans: Brüderstrasse 29, [1]: Kunst und Leben in einem Altberliner Geschäftshause
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https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0462

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ANTON WACHSMANN, 1765 ISIS UM 1836. KAMMEkMUSIKABEND IM DECKER'SCHEN HAUSE
TUSCHZEICHNUNG. BERLIN. PREUSSISCHE STAATSBIBLIOTHEK

äusserem Glanz, so doch an innerem Glück und
geistiger Kultur von allen vielleicht die bevorzugteste.
Denn^Bergassessor Friedrich Rosenstiel, der Schütz-
ling des Ministers Heinitz und später Redens, machte
eine glänzende Lauf bahn, die ihn unter anderem
auch an die Spitze der Berliner Porzellanmanufaktur
führte. Dieser neue Zweig der Familie wuchs
ganz in die Berliner Kunst hinein, indem die
Tochter des Rosenstielschen Paares, Henriette, i 8 17
Gottfried Schadow die Hand zum zweiten Ehe-
bunde reichte.

Die hochzeitlichen Freuden entschädigten für
den Kummer, den der Tod in diese reich sich ent-
faltende und innig zusammenhängende Familien-
gruppe brachte. Den schmerzlichsten Verlust erlitt
sie durch das Hinscheiden der treuen Hausmutter
1784. Untröstlich blieb lange Decker selbst, bis
er sich auf Zureden Salomon Gessners und Salomon
Landolts, dem Urbilde von Gottfried Kellers „Land-
vogt von Greifensee", denen der Witwer bei einem
seiner Besuche in der Schweizer Heimat sein Leid
klagte, sich bestimmen liess, seine früh verwitwete

Schwester, die Gattin des Dr. Schobinger, mit sich
nach Berlin zu nehmen. Noch lange Jahre hat
die wackere Frau dem Berliner Hauswesen vorge-
standen.

Damals erreichte auch die Geselligkeit in der
Brüderstrasse 29 ihren Höhepunkt. Ein grosser
Teil der ständigen Hausfreunde ist in den Annalen
deutscher Geistesgeschichte ehrenvoll verzeichnet.
Von Johann Jakob Engel, dem „Philosophen für
die Welt" und dem Verfasser bes noch immer leb-
endigen Charaktergemäldes „Herr Lorenz Stark",
dem bühnenkundigen Theoretiker mimischer Schau-
spielkunst, war schon die Rede. Neben ihm finden
wir dort den Leibarzt Möhsen, den Astronomen
Bode, dessen „Gestirnter Himmel" noch bis tief in
das neunzehnte Jahrhundert hinein als volkstüm-
liche Sternenkunde ein beliebtes Buch blieb, den
Botaniker Gleditsch, den ersten Direktor des Ber-
liner botanischen Gartens, die Schulmonarchen
Meierotto und Gedike, den Bischof Sack. Man
sieht, dass es diesem geselligen Kreise an Vielseitig-
keit nicht gebrach. Und schliesslich stellte auch die

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