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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 5 (Mai 1935)
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Nicklass, Elsa: Atmen tut not!
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Umschau / Buch und Bild
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0119

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sonst bei solchcn Anläffen ;u gehen pflegt, rin Tummcl-
platz für die Unruhc lampenfiebriger Rinder — nein —
man hörtc dicse Rinder gar nicht, denn sie atmetcn, allcin
oder >n Gruppcn. Gder sprachen schwicrigc Sprcchchörc
noch einmal durch, während die „Solisten" siir sich ihrc
Licder probten. Lampcnfreber gab es nicht, was die Rindcr
selbst mit Genugtuung feststelltcn.

^un kur; noch ;u den Bildern der Aufführung selbst.

Der Verkündigung diente Lochners herrlichcs werk als
AnregunA. Ein Insichsein, nicht Lctrachtetwerdcn, cin
Fcrnscin vom Zuschauer. Eine gleiche Vcrinnerlichung gincs
von dem nachsoltzenden Bilde „Marias Gang übcr
das Gebirg" aus, das wir dem Romantiker Führich
anlehnten. Die Engelkinder erstarrten nicht im steifen Stc-
hen, sondcrn schienen singend über die Bühne ;u schreiten.
Es folgte, wie sich Maria und Elisabeth in pachers
Heimsuchung in Liebe und Freundschaft begegnen."
Weiter „Maria und Ioseph" im Rrippenbild (nach
Gvcrbeck), die sich in Liebe und Anbetung ;u dem heiligen
Rinde neigen.

wir ;eigen hier nur die Anbetung der Rönigc,
in leiser, schr bescheidener Verwandtschaft ;u Hugo van
dcr Goes (Bild i).

was nun die Engelchöre anbelangt, so läßt sich das
Eigentliche, gan; Besondcre, das sie hatten, gar nicht im
Dilde festhalten: das war ihre Bewegtheit. Schon ihr
erstes Ronimen mit dem Iubellied „Dochter Zion, freue
dich!", bei dem sie mit immer wieder jauch;end erhobenen
Armen dahcrschritten, läßt sich nicht wiedergeben. Sie
waren im Spiel so losgelöst unirdisch und so von sich be-
freit, wie eben nur das Leben selber es ausdrücken kann
und kein Bild es wiedergibt (Bild r).

Aber all so etwas läßt sich nicht „einiiben" oder gar
„drillcn", auch nicht „aner;iehen" — es läßt sich nur ent-
wickeln — langsam und bchutsam — und der weg dahin
sührt ein;ig und allein über die Atmung.

Von der Atmung aus geht alle Beseelung — deshalb
sollte sie unscr wichtigster Er;iehungsfaktor sein.

Ift der Zeichenunterricht „Gpielereifach"
und „unwesentlich";

Vor einiger Zeit stellte sich ein Referendar einem Direk-
tor im Rheinlande vor. Der Referendar nannte seine
Fächer, Zeichnen und Turnen. Der Direktor ließ verlauten:
„Ah, die Spielereifächer..."

Rür;lich fragte eine wiffenschaftliche Lehrerin, die cin
Her; und Verständnis für den Runstunterricht hat, in
einer Ronferen;: „Soll denn der Zeichenunterricht und die
Musik nicht mehr gewertet werden?" Der die Ronferen;
leitende Direktor sagte darauf: „Vlein, es sind nur die
wesentlichen Fächer ;u werten."




-- v -
M-



Fall l ist kenn;eichncnd für gewiffe philologen — nicht
für allc, auch nicht für alle Direktoren. Zu Fall II stehe
ich als Zeichcnlehrer wie-folgt:

Nach der preußischen Dienstanweisung Abschnitt 7
hat „der Direktor darüber ;u wachen, daß dir regei-
mäßigen Schul;eugniffe nach Änhalt und Form den Vor-
schriften entsprechen". . -

'Vorschrift tst nach § 4 der preußischen Verseyungs-
bestimmungen 1S01, di« msch vön Haupt- und Neben-
fächirn fprechen: „Es kann bei Beürteilung der Gesamt-
reifr Kvch auf die Leistungen in den -verbindlichen nicht
wiffenjchaftlichen Fächern entsprechende Rücksicht genom-
me« werdeü." Nach H F dtrselbe« Bestimmungen ist bri
Versetzungen „die Gesamtheit der Untrrlagen maßgebend"

KW

Es kann also untcr kcineu llmständcn nach diesen von
langc hcr gültigcn Vorschriftcn cinc Dcilhcit maßgebend
scin, wie cs in der oben gekcnn;cichneteii Ronferen; der
Fall war, die kcinc Rücksicht auf vcrbindlichc nicht wiffen-
schaftlichc Fächcr gciiommcn hat.

Dic prcußischen Richtlinicn von i-ire/r? sprechcn nicht
nichr von Haupt- imd Ncbcnfächern, sondcrn von Rern-,
Runstfächcrn und Lcibcsübungen. Sie kcnncn kcinc Schei-
diing in wcsentlichc und andcrc Fächcr. An bc;ug auf den
Zcichcn- und Runstuntcrricht sagcn sic sogar, daß er „dic "
großcn Mängcl unscrcr ästhctischcn Rultur übcrwinden
hilft". An andcrcr Stcllc stcht dort ;u lcscn: „Aus der
organischcn Vcrbindung dcr Rcrnfächcr mit den charak-
tcristischcn Fächcrn und der Wcchsclwirkung mit den
übrigcn Untcrrichts;weigen, welche für
die Formung und Er;ichung notwendigc
Ergän;ung gcbcn" — die also, wic das Runstfach
Zeichcn- und Runstuntcrricht, „notwcndig" und nicht „un-
wescntlich" sind; ;. B. wic der Zeichen- und Runstunter-
richt „;u ticfercm Eindringen in dcn Aufbau und die
Formwerte dcr Runstwerkc" führen; denen demgemäß auch
„einc gan; andcre Stcllung eingcräumt werden muß"!!

Hat der Dircktor, der den Zeichenunterricht als nicht
wesentlich abtat, nach diesen Vorschriften gchandelt; <vf-
fensichtlich nicht; er handelte so, wie es wohl vor i-o-
cinmal Ublich war.

Ist unser Fach heutc „notwcndig"?

Günthers Raffenkundc sagt auf S. i/r, daß „der Blick iM
des heutigen Menschen unbildnerisch ist" — daß „die iv-
bildlichc Nachgestaltung cinem wiffenschaftlichen Zeitaltep^
not tut; daß „nichts notwcndiger ;u frin scheint al»

;u cincr vollcndetcn Erfaffung nötigc Lrgän;ung
kennens: das reine bildnerischc Sehrn"!

Hilft der Lunstunterricht hier nicht auch,
winden' r Ein Beleg von einer Gberprimaneri«
worten: -- .

.r-dMLrGW

Bildnis dcr Freundin, Relieffchnitt

...

Mögen Schulämter in ihrcn „Feinnoten-BerechnuiiA»-'
verfahren für die Freistellen" Rcligion, Runstfächer uslp.
aus der Bercchnung streichen, wie das in Frankfurt a. M.
im Iahre 1-35 noch geschehen ist; mag heute noch hier .
und da ein Direktor in Zeugniskonferen;en nicht nach ben
Vorschriften verfahren, wir haben doch die Freude,
tigere Stimmen ;u hören: - /

I- ^eft 11/1034 von Runst und Iugend gab die Ver-
fügung eines preußischen Gberpräsidiums
 
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