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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Cloßmann, A. v.: Der Philosoph und die Araberin
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0024

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Zer Philosoph und die Äraberin.
Humoreske von A. v. Cloßmann.

Ein Philosoph hatte in einer reichhaltigen Samm-
lung alle Kunstgriffe zusammengestellt, welche die Frauen
gegen die Männer anwcnden. Um sich selbst vor solchen zu
schützen, trug er dieselbe beständig bei sich. Als derselbe
eines Tages einen längeren Spaziergang machte, kam er
zu einem arabischen Lager. Eine junge Frau, welche im
Schatten eines Palmbaumes saß, erhob sich sogleich bei
dem Nahen des Fremden und lud diesen ein, sich unter
ihrem Zelte auözuruhen, was er süglich nicht abschlagen
konnte. Der Gatte dieser Frau war abwesend. Kaum
hatte sich der Philosoph auf einem weichen Teppiche
niedergelassen, so bot ihm die niedliche Wirthin frische
Datteln und einen Krug Milch an; er betrachtete mit
nicht geringem Interesse die seltene Schönheit der Hände,
welche ihm den Trank und die Früchte reichten. Um seine
Einbildung gegen die Reize der schönen Araberin, deren
Folgen er fürchtete, zu schützen, nahm der Weise fein
Buch und begann darin zu lesen.
Von dieser Vernachlässigung gereizt, sprach daraus
das verführerische Wesen mit der klangvollsten Stimme:
„Dieses Buch muß sehr interessant sein, da es der
einzige Gegenstand ist, der Eurer Aufmerksamkeit würdig
erscheint. Wäre cs nicht indiscrct von mir, Euch nach
seinem Inhalt zu fragen?"
Mit niedergeschlagenem Blicke erwiedertc der Phi-
losoph :
„Der Gegenstand dieses Buches gehört nicht vor
den Richterstuhl der Frauen."
Nur noch mehr steigerte diese Weigerung die Neu-
gierde der jungen Araberin; sie ließ im Vorschreiten den
schönsten kleinen Fuß sehen, der jemals in dem flüchtigen
Sande der Wüste seine leichte Spur hinterlassen hat.
Der Philosoph wurde verwirrt und sein Blick, durch
diese schonen Füße mächtig angezogen, schweifte unwill-
kührlich zu dem Nacken empor, dessen Reize ihn noch mehr-
entzückten, bis sein bewunderndes Auge dem glühenden
Blicke der jungen Asiatin begegnete, unter dunklen Wim-
pern auf ihn gerichtet.
Jezt fragte sie mit sanfter Stimme von Neuem nach
dem Inhalte dieses Buch, bis der Philosoph ihr voll
Entzücken erwiedertc:
„Ich bin der Verfasser dieses Werkes, allein der
Grundgedanke ist nicht von mir; es enthält alle Kunst-
griffe, deren sich die Frauen bedienen, um uns Männer
in ihre Schlingen zu ziehen."
„Wie! Alle miteinander!" rief das Kind der
Wüste aus.

„Ja, Alle! und nur dadurch, daß ich beständig die
Frauen beobachtete, brachte ich cs endlich dahin, sie so
ganz zu durchschauen."
„Ach !..." rief die junge Araberin, indem sie schelmisch
ihre Augenwimpern schloß, jedoch plötzlich einen so zün-
denden Blick auf den eingebildeten Weisen warf, daß er so-
wohl fein Buch, als auch die darin ausgezeichneten Streiche
vergaß, und auf einmal aus dem Philosophen ein von
heftiger Leidenschaft erfaßter Sterblicher ward.
Da er nun in dem Benehmen des jungen Weibes
einen einladenden Anflug von Eoguettcrie zu erkennen
glaubte, so wagte er sein Geständnis; zu stammeln.
Wie hätte er auch widerstehen können? Der Him-
mel war so blau über ihm, der Sand so glänzend in der
Entfernung, wie ein goldenes Achrenfcld, der Wind der
Wüste selbst hauchte Liebe, und die Araberin schien alle
diese Glnthen, welche sie umgaben, wieder auszustrahlen;
ihr durchdringendes Augcnpaar wurde feucht und ge-
senkten Antlitzes, auf dem sich die Wirkungen der inne-
ren Wallungen in den äußeren Gluthen ausprägten,
lauschte sie willig auf die Worte der Liebe.
Der Weise gab sich schon den süßesten Hoffnungen
hin, als plötzlich die junge Frau beim Vernehmen eines
galoppirenden Pferdes, das sich mit Pfeilesfchnelle zu
nahen schien, erschreckt ausricf:
„Wir sind verloren! Mein Mann wird uns über-
raschen; er ist eifersüchtig wie ein Tiger und unerbitt-
lich, wie . . . Im Namen des Propheten und wenn Ihr
Euer Leben liebet, verbergt Euch in diese Kiste! . . ."
Die zitternde Gelehrsamkeit sah keinen andern Aus-
weg möglich, um sich aus dieser schlimmen Lage zu ziehen,
stieg daher in die Kiste und duckte sich darin zusammen,
die Frau schloß ab und steckte den Schlüssel sodann zu sich.
Sie ging nun ihrem Gatten entgegen. Nachdem sie
ihn mit einigen Schmeicheleien in gute Laune versezt hatte,
begann sie:
„Ich muß Dir ein seltsames Abenteuer erzählen."
„Ich bin ganz Ohr, meine Gazelle!" erwiedertc der
Araber, sich auf einen Teppich setzend und seine Knie nach
orientalischem Brauche über einander kreuzend.
„Heute kam eine Art von Philosoph; er behauptet,
alle Kunstgriffe in einem Buche zusammengetragen zu
haben, deren mein Geschlecht fähig ist; und dieser falsche
Weise sprach von Liebe zu mir."
„Nun!" rief der Araber.
„Ich hörte ihn an," erwicdcrte sie kaltblütig; „er
ist schön, er wurde dringend und . . . Du kamst gerade
 
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