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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Zuleika
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Charakterbilder aus dem Wiener Volksleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0060

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Eine Thräne glänzte in den Blicken des braven Gos-
ford, als er diesen Punkt berührte. Wäre mein Herz
noch frei gewesen, ries er aus, Zuleika wäre meine Gat-
tin geworden!
Der Pirat von Walter Scott ist ihre Lieblingsnovelle
und von Harold's Pilgerfahrt weiß sie mehrere Gesänge
auswendig. Sie selbst hat einige lyrische und beschrei¬

bende Gedichte, auch einige Gelogen, die das Landleben
am Ohio schildern, verfaßt, Tändeleien, wie sie bescheiden
sagte. Freudige Ereignisse in der Familie ihres Freun-
des und Wohlthäters Pflegt sie durch poetische Grüße
und Glückwünsche zu verherrlichen; es sind Klänge eines
warmen, liebevollen Herzens. Die Gute! sollen wir sie
eine Glückliche oder Unglückliche nennen. G.

Charakterbilder ans dem Wiener Volksleben.

r.
Ein Mann, der zu leben weiß.
Sehen Sie ihn dort hinauf spazieren an der Häuser-
reihe? Eine Cigarre im Munde, den frischgebügelten Hut
auf den gebrannten Locken, im kurzen Bonjour, der kaum
über die Hüften hinabgeht, die Hände in den Taschen,
da er seine martgelben Handschuhe der Welt nicht ge-
rade vor die Nase halten will, weil sie einen verrätheri-
schen, höchst fatalen Terpentingeruch aushauchen. — Das
ist Er! Sein ganzer Anzug ist theils halb, theils drei-
viertclö modern. Jedenfalls ist er aber billig dazu ge-
kommen. Sein Gang ist etwas vorhängend; das kommt
vom Billardspielen, was die stärkste seiner schwachen Sei-
ten ist. Er hat gewöhnlich Nichts zu thun, und damit
versäumt er viel Zeit. Sein gewöhnlicher Aufenthalt ist
in Cafehäusern; er nimmt stets an einem Sciten-Tisch-
chen Platz, wo ein Uebcrziehcr, Burnus, Mantel oder
Tween hängt, den er vorläufig nur dazu benüzt, nm sei-
nen Kopf nicht an die Mauer lehnen zu müssen.
„Kellner!"
„Befehlen Ew. Gnaden?"
„Ist die ,Allgemeine" belegt?"
„Ja!"
„Ist der Humorist frei?"
„Nein!"
„Das Fremdenblatt?"
„Bringen Sie mir cs, mit einer Melange."
Er liest gern leztcres Blatt, um zu sehen, in wel-
chem Gasthause bedeutende Fremde angekommen, die er
Abends mit einem Besuche beehrt, um sie mit artiger
Manier zu einem Spielchen zu veranlassen, in dem er den
Fremden einige Mal gewinnen läßt, um ihm nach und
nach Alles abzugewinnen: denn das muß man ihm las-
sen, mit dcm Kartenmischcn weiß er umzugehen, und als

Läßt sich kein Billard oder sonstiges Spiel im Cafe
machen, so verläßt er, nachdem er neben dem Journal-
lesen jeden der Gäste beobachtet hat, das Cafe, wobei
er in der Zerstreuung gewöhnlich zu zahlen, aber nicht
leicht den über ihm hängenden Tween mitzunehmen ver-
gißt, an dessen unmittelbare Nähe er sich nun schon ein-
mal gewöhnt hat.
Im Grunde genommen lebt er äußerst sparsam und
billig. Wenn er nicht um Geld spielen kann, so spielt
er um Speisen und Getränke; seine Cigarren, deren er
nicht wenige braucht, kauft er bald bei diesem, bald bei
jenem Kaufmann, er läßt sich von dem und dem Kist-
chen einc Cigarre auf Probe geben, und wieder eine und
eine dritte, und geht dann — zu einem andern Kauf-
mann. — Sein Hut, wenn er abgetragen, tauscht sich
fast von selber, ganz unabsichtlich verwechselt, gegen einen
bessern aus.
Man sieht ihn häufig im Theater, wo er gegen ein
Frcibillet seine Hände in Bewegung sezt, stehend, weil
er früh oder spät doch noch zum „Sitzen" kommt. —
Sein Zimmerchen, das unterm Dach sich befindet, weil
er gerne der Höchste im Hause ist, verläßt er früh Mor-
gens und kehrt spät Abends zurück, und ist daher aus
gewissen Gründen und für gewisse Leute dort in der Re-
gel nicht zu sprechen. In seiner Jugend wurde er von
der Mutter „Sohn", vom Vater „Bub" und von der
bösen Welt „Lump" genannt, welch leztern Namen er
bis in's späte Alter zu bewahren sucht.

U.
Der Börsenwelf.

Freund der Hausthiere, auch der unsaubersten, trennt er
sich von seinem „Aß" nicht gern.

Mit langsam bedächtigem Schritt geht der Mann mit
dem odisch-magnetischen, lederfarbcnen Ziffern-Gesicht der
Grünangergasse zu. Näher betrachtet erkennt man viel-
leicht in ihm den Bekenner des mosaischen Glaubens.
Sein Gang ist so unsicher und schwankend, wie die Aktien

-Gv-,—
 
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