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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Jagd auf einen Sklavenhändler
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Wöhrn, G.: Die Familie Zopf
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0102

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78

hervor, daß selbst seine Verfolger, auch abgesehen von
dem im Falle seines Unterganges verlorenen Prisengelde,
innerlich für seine Rettung beteten. Denn Jack sieht
nicht gern ein hübsches Schiff in Trümmer gehen.
Schon glaubten sie fast, der Schooncr sei verzaubert.
Er schien über das Riff selbst hinzugleiten; er war be-
reits mitten in dem Schaume der Brandung.
„Gott helfe mir, wenn ich nicht meine, es ist der
fliegende Holländer!" sprach eine Blaujacke zur andern.
„Dummes Zeug, Bill! Wir sind ostwärts vom Kap
und der fliegende Holländer kann nicht herumkommen,"
entgegnete der Backsmaat.
Der kleine Schooncr schießt lustig vorwärts! plötz-
lich stockt er, jede Spiere erzittert.
„Er hat gestoßen! rufen zwanzig Stimmen zugleich.
Nun wird er von einer herankommcnden Welle ge-
hoben; nun fährt er mit einer Gewalt nieder, daß die
Stengen brechen und auf das Verdeck stürzen.
„Bote ausgesezt!" befiehlt der Kapitän der Brigg.
Alle Mannen beeilen sich, den Befehl nuözuführen.

Eine neue Welle hebt den Schooncr, er stoßt noch
einmal heftig und rollt über. Die Planken reißen aus-
einander, die Mannschaft kämpft in den Wellen und —
Schauder ergreift die Zuschauer — Hunderte von Ne-
gern, aneinander gefesselt und im Schiffsraum einge-
schlossen, werden in der schäumenden Brandung sichtbar.
Die Seeleute in den Boten der Semiramiö ruderten
tapfer, aber sie retteten nur zwei gewaltige Schwimmer,
die sich aus dem brausenden Gischt hervorgearbeitet hat-
ten. Der Schooncr war so leicht gebaut gewesen, daß
er gleich beim ersten Ausstößen zertrümmert worden war.
Sechshundertunddreißig menschliche Wesen, mit schwerem
Eisen zusammengcschlossen, hatten in den brausenden
Wogen vor den Augen der Mannschaft der Brigg ihren
Tod gefunden; sie hatte das herzzerreißende Geschrei der
Umkommenden mit ihren leiblichen Ohren gehört. Nur
zwei der Kerkermeister waren übrig geblieben, um über
die Zahl derer zu berichten, die im Meere versunken
waren.

Die Familie Zopf.
Humoristische Betrachtung von G

W ö hrn.

Was ein Zopf ist, schöne Leserinnen, brauche ich
Ihnen wohl nicht zu dcfiniren; Sie haben weit öfter
Gelegenheit, Ihre Thätigkeit an einem solchen zu ent-
wickeln, als ich, aber der Zopf ist etwas Anderes,
worüber sich wohl so Mancherlei sagen läßt. Ich möchte
dieß einmal versuchen.
Ein Zopf, das unschädlichste Ding von der Welt,
ist meist am Kopfe des Menschen zu scheu, freilich nur
in gebundenem Zustande, aber was in aller Welt ist
denn völlig ungebunden? Nicht einmal die Rede,
man muß sic gar behutsam an einem Schnürchen halten.
Der Zopf nun befindet sich aber im Kopse des Men-
schen und stellt da, je nach Verhältnis; seiner Größe,
oft ungeheure Verwüstuugcn in der Organisation des
Gehirnes an, d. h. wenn bei solchen, mit innerli-
ch en Zöpfen begabten Menschen, je Gehirn vorhan-
den war. ---
Ein Zopf wird im guten Schwabcnlandc und auch
wohl anderwärts mit vielem Appetit verspeist, und da-
bei der aus Butterteig gefertigte demjcuigcn vorgczogcn,
dcsscu einzige Bestandtheile Wasser, schwarzes Mehl und
etwas Milch bilden; der Zopf hingegen ist für jeden
gesunden Menschenverstand ein unverdaulich Ding.

Ein Zopf hat seine Grenzen, er ist nie länger
als der- oder diejenige, welcher oder welche ihn trägt,
aber der Zopf ist grenzenlos; er umschlingt in tau-
sendfachen Windungen, schlangenähnlich die Personen,
in welche er gefahren ist.
Ein Zopf hängt an den Leuten, dem Zopf aber
hängen die Leute an und cs dehnt sich diese An-
hänglichkeit häufig so weit aus, d.as das Gesetz des
Schwergewichts sich verändert und der Zopf seine An-
hänger mit in die Höhe nimmt.
Der Zopf fängt da an, wo das Deutsche in sei-
ner Sprache wenigstens aufhört, daraus ist zu erse-
hen, daß er jedenfalls sehr weit zurück ist. Man sollte
nun zu der Annahme berechtigt sein, daß, nach dem
Kreislauf der Dinge, das Deutsche auch da wieder
beginnen müsse, wo der Zopf aufhört, — der
Zopf hört aber im Deutschen gar nicht auf.
Der Zopf ist sehr alt, denn man kann in seine
Jugend gar nicht zurückblicken, deßhalb ist er auch auf
Alles, was jung ist, durchaus nicht gut zu sprechen.
Hierin unterscheidet sich auch der Zopf wesentlich von
einem Zopfe, indem ersterer, je mehr der Jahre er
zurücklegt, mehr und mehr zu nimmt und gedeiht,
 
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