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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Charakterbilder aus dem Wiener Volksleben
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Poetische Blumenlese
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0061

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in seiner Brusttasche. Der Mann hat viel aus dem
Herzen: denn zwischen seinem zugeknöpften pfirsichbrau-
nen Frack und der Weste steckt sein ganzes Vermögen.
Er hat nur eine sichere Hoffnung: daß er täglich Alles
gewinnen und Alles verlieren kann; doch hat ihn die
Zeit schon so ziemlich hartschlägig gegen alle möglichen
Vorkommnisse gemacht. —
Wollen wir ihm zur Börse folgen? Der verworrene
Lärm, das dumpfe Geschrei kündigt uns an, daß wir in
der Nähe derselben sind. Man hört hier schwache und
starke Organe, alle möglichen Dialekte und Original-
Sprachen; man hört hier Vieles und doch Nichts.
Doch unser Manu hat sich bereits zu einigen Andern
gesellt und mit locomotivirter Zuugengeläufigkeit beginnt
er folgenden Diseurs:
— „Ich möchte 100 5°/o Metalliques!"
— „Da sind sie zu 95. Können Sie Nordbahn
brauchen?"
— „Ich verkaufe selbst!"
— „Ich nehme sie zu 72 oder gebe Variation
zu 102."
— „Zu hoch, sie kommen herunter."
— „So doch nicht, wie Sie!"

— „Dummheit! geben Sie mir Mailänder zu 68."
„Ich nehme sie!" schreit ein neuer Ankömmling, ohne
recht zu wissen, wovon man spricht. Es entspinnt sich
ein Wortwechsel, der Streit wird ein Skandal, die Po-
lizei legt sich darein. Man läßt sie liegen und entfernt sich.
Auf der entgegengesezten Seite des Platzes hört man:
„Durch mich haben Sie Ihr Glück gemacht!"
„Ich war es, der Ihnen die Aktien verkaufte!"
„Nun sind Sie ein gemachter Mann."
„Gratulire! Gratulire!"
„Sie haben jezt reine 10000 gewonnen!"
„Wird Ihnen nicht schwer fallen, mir ein paar Hun-
derte zu schenken?"
„Ich?^
,^Ja, Die!"
„Fällt mir nicht ein!"
„Unverschämtheit!"
Abermals ein Skandal; die Polizei beeilt sich hin-, die
Schuldigen ebenfalls, fortzukommen, die Börse schließt,
die Ruhe ist hergestellt.
Unser Spekulant geht, er hat Nichts gewonnen und
Nichts verloren; doch hat er neue Hoffnungen gekauft.

poetische Äumenlele.

Nachtrauschen.
„Hörst du nicht der Wasser Rauschen?
Neig die Seele, halte still!
Leise, Mädchen, laß uns lauschen,
Was es uns gemahnen will."
„«Ist es, Lieber, nicht, als riefe
Fern herauf der Liebe Kraft,
Welche in des Berges Tiefe
Ihre dunkeln Wunder schafft?
Rauscht es nicht wie heimlich Kosen,
Frommer Geister Spiel und Sang,
Glänzender metall'ner Rosen,
Schaurig süßer Zauberklang;
Wenn die feindlichen Gewalten,
Sich versöhnt nach herbem Strauß,
Und die Geister Brautnacht halten
Drunten im krystall'nen Haus;
Und der Strom aus tiefem Grunde,
Springt als Bote in die Welt,
Trägt die rauschend frohe Kunde,
Daß die Kön'gin Hochzeit hält;

Jauchzend schlagen auf die Wellen,
Geben lang verhalt'nen Laut,
Tanzen lustig, daß zum Hellen
Mond ihr stäubend Silber thaut.""
>>O mein Kind, ich muß dir sagen:
Schaum und Traum ist wohl dein Wort;
O es ist ein finst'res Klagen,
Dumpf Geheul am wüsten Ort.
Krank und gichtisch ist die Erde,
Und ihr Mark ist gluthversengt,
Jammert, bis ein neues Werde
Ihrer Glieder Fesseln sprengt.
Wolken aus der Tiefe steigen,
Aengstlich murmelnd hohl und schwer,
Schwarz verschleiert sie sich beugen
lieber die Zerschlag'ne her.
Und sie will um Hilse schreien,
Doch versagt der Stimme Kraft,
Ringt umsonst sicy zu befreien,
Sinkt zurück, zum Tod erschlafft;
 
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