Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

DOI issue:
Mörike, Eduard: Die Hand der Jezerte
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0055

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
39

Die Hand der Jezerte.
Bon
Eduard Mörike.

In des Königes Garten, eh' das Frühlicht schien,
rührte der Myrtenbaum die Blätter, sagend:
Ich spüre Morgenwind in meinen Zweigen; ich trinke
schon den süßen Thau: wann wird Jezerte kommend
Und ihm antwortete die Pinie mit Säuseln!
Am niedern Fenster seh' ich sie, des Gärtners Jüngste,
schon durch's zarte Gitter. Bald tritt sie aus dem Haus,
steigt nieder die Stusen zum Quell und klärt ihr An-
gesicht, die Schone.
Darauf antwortete der Quell:
Nicht Salböl hat mein Kind, nicht Oel der Rose;
es tunkt sein Haar in meine lichte Schwärze, mit seinen
Händen schöpft es mich. Stille! ich höre das Liebchen.
Da kam des Gärtners Tochter zum Born, wusch sich
und kämmte sich und flocht ihre Zöpfe.
Und sieh, es traf sich, daß Athmas, der König, aus
dem Palaste ging, der Morgenkühle zu genießen, bevor
der Tag anbrach; und wandelte den breiten Weg daher
auf gelbem Sand und wurde der Dirne gewahr, trat
nahe zu und stand betroffen über ihre Schönheit, begrüßte
die Erschrockene und küßt' ihr die Stirn.
Seit diesem war sie Athmas lieb und kam nicht mehr
von seiner Seite Tag und Nacht; trug köstliche Gewän-
der von Byssus und Seide, und war geehrt von den
Vettern des Königs, weil sie sich hold und demüthig er-
wies gegen Große und Kleine und gab den Armen Viel.
Ueber's Jahr aber wurde Jezerte krank, und half
ihr nichts, sie starb in ihrer Jugend.
Da ließ der König ihr am Garten des Palasts ein
Grabgewölbe bauen, wo der Quell entsprang, darüber
einen kleinen Tempel, und ließ ihr Bildniß d'rin auf-
stellen aus weißem Marmor, ihre ganze Gestalt, wie sic
lebte, ein Wunderwerk der Kunst. Den Quell aber hielt
das Volk heilig.
Alle Monden einmal ging der König dahin, um Je-
zerte zu weinen. Er redete mit Niemand jenen Tag,
man durfte nicht Speise noch Trank vor ihn bringen.
Er hatte aber eine andere Buhle, Naira; die ward
ihm gram darob und eiferte im Stillen mit der Todten;
gedachte, wie sie ihrem Herrn ihr Andenken verkümmere
und ihm das Bild verdürbe.
Sie bcschied insgeheim Jcdanja zu sich, einen Jüng-
ling, so dem König diente; der trug eine heimliche Liebe
zu ihr, das war ihr nicht verborgen. Sie sprach zu ihm:
Du sollst mir einen Dienst erzeigen, d'ran ich erkennen
—--

will, was ich an dir habe. Vernimm. Ich höre von
Jczerten immerdar, wie schön sie gewesen, so daß ich
viel d'rum gäbe, nur ihr Bildniß zu seh'n, und ob ich
zwar das nicht vermag, weil mein Herr es verschworen,
will ich doch Eines von ihr sehen, ihre Hand, davon die
Leute rühmen, es sei ihresgleichen nicht mehr zu finden.
So sollst du mir uun dieses Wunder schaffen und mir
vor Augen bringen, damit ich cs glaube.
Ach, Herrin, sagte er, ich will dich selbst hinführen,
daß du Jezerte beschauest bei Nacht.
Mit nichtcn, antwortete sie, wie könnte ich aus dem
Palaste gehend Thu', wie ich sagte, Lieber, und stille
mein Gelüst. — Und sie verhieß ihm große Gunst, da
versprach es der Knabe.
Auf eine Nacht ersah er die Gelegenheit durch Pfor-
ten und Gänge, und kam zum Grabmal unbeschriccn,
denn die Wache stand in den Höfen. Er hatte aber
einen künstlichen Haken, der öffnete das Schloß, und wie
er eintrat, sah er das Bildniß steh'n im Schein der Lam-
pen; die brannten Tag und Nacht.
Er trat herzu, faßte die Eine Hand und brach sie
ab, hart über dem Gelenke, barg sie in seinen Busen,
eilte und zog die Thür hinter sich zu.
Wie er nun längs der Mauer hinlief, vernahm er
ein Geräusch und däuchtc ihm als käme wer. Da nahm
er in der Angst die Hand und warf sie über die Mauer-
hinweg in den Garten und floh. Die Hand fiel aber
mitten in ein Veilchenbect und nahm keinen Schaden.
Alsbald gereuete den Jüngling seine Furcht, denn sie
war eitel, und schlich in den Garten, die Hand wieder
zu holen; er fand sie aber nicht, und suchte bis der Tag
anfing zu grauen, und war wie verblendet. So machte
er sich fort und kam in seine Kammer.
Am Morgen, als die Sonne schien, lustwandelte Ath-
mas unter den Bäumen. Er kam von ungefähr an jenes
Beet und sah die weiße Hand in den Veilchen, und hob
sic auf mit Schrecken, lief hinweg, und es entstand ein
großer Lärm durch den Palast. Kamen auch alsbald
Knechte des Königs und sagten ihm an: wir haben in
der Dämmerung Jedanja gesehen durch den Garten hin
fliehen und haben seine Fußstapfen verfolgt. — Darauf
ward der Jüugling ergriffen und in das Gcfängniß ge-
worfen.
Naira mittlerweile bangte nicht, denn sie war keck
und sehr verschlagen. Berief in der Stille Maani zu


 
Annotationen