Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

DOI Heft:
Eine Nichte Oncle Toms
DOI Heft:
Horn, Moriz: Episode aus dem Leben eines Hutes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0207

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zen Sklaven zu verzehren, die als wahre Gläubige sich
einer Gunst und Achtung erfreuten, auf die ciu Knffir,
ein Nazarener keinen Anspruch machen durfte.
Mein Temperament kämpfte glücklich gegen alle Lei-
den und Entsagungen. Wenn ich auch mciue letzte Unze
überflüssiges Fleisch verlor, so erhielt mein Körper dafür
die Nervenstärke eines Beduinen, meine Muskeln härteten
sich zu Stahl. Ich ertrug Strapazen, Hunger und
Durst auf's Beste. Meine Fortschritte in der Landes-
sprache machte ich sehr rasch. Es fehlte mir weiter nichts
mehr, als eine Gelegenheit, um die Plane auszuführen,
von denen ich den Kopf voll hatte. Oft führte ich die
Kameele eine bis zwei Tagrcisen fort, um die armen
Thiere einige verkrüppelte Büsche abweiden zu lassen.
Dieses einsame Nomadenleben als Kameelhirte ließ mir
Zeit, die Reiseroute mir wieder ganz zu vergegenwärti-
gen, die Kalula hatte einschlagen müssen, und Mir die
Mittel zu überlegen, wie ich damit meinen Reiscplan
in Einklang bringen konnte. Indem ich, wo es angin'g,
den Gesprächen der Araber zuhörte, sammelte ich eine
Menge nützlicher Angaben über die Wüste.
Eines der Hauptmittel, um einigen Einfluß zu ge-
winnen, war für mich die Kunst, Zaubermittel zur
Heilung von Krankheiten, oder zum Schutz des Trä-
gers Zettel gegen böse Einflüsse zu schreiben. Diese
arabischen Talismans haben gar keine Aehnlichkeit mit
denen der Neger am Cougo. Sie bestehen aus Koran-
versen, die gewöhnlich auf Papicrstreifen geschrieben
sind, die man bei sich trägt, manchmal auch aus einer
kleinen Holzplatte, auf die man mit Kreide schreibt. Bei

einem Krankheitsfall wascht man die Zeichen weg, der
Patient trinkt das Waschwasser und spricht dazu die
gewöhnliche Bekenutnißformcl des Glaubens au den eini-
gen Gott und seinen heiligen Propheten. Da ich keine
Gelegenheit hatte, Arabisch lesen und schreiben zu lernen,
so schrieb ich alle Zaubcrsprüche ab, die ich finden konnte,
prägte dadurch die Buchstabenformen meinem Gedäcktniß
ein, so daß ich sie bei Gelegenheit wieder leicht nach-
zeichnen konnte, vielleicht in völlig sinnlosen Zusammen-
stellungen, die aber eben dadurch als Zauberformeln nur
um so wirksamer wurden. Zuerst erforderte meine Taktik,
mich den Arabern so wenig nützlich als möglich zu ma-
chen, man sollte nichts von mir erwarten, als den Dienst
eines Kameeltrciberö. Diese Taktik war nicht ohne Ge-
fahr: denn eines Tages hörte ich Mohammed, der von
meinen Dienstleistungen gar nicht sehr befriedigt war,
davon reden, er wolle mich in die Salinen bei Quahlet
verkaufen, in denen wahrscheinlich der arme Jack Thomp-
son auch arbeitete. Der Gedanke wurde von einigen
seiner Freunde sogleich warm unterstützt, besonders durch
einen alten Talb (Priester), der mir die vergeblichen
Bemühungen nicht verzeihen konnte, die er gemacht hatte,
um mich zum Glauben der Muselmänner zu bekehren.
— Der Nazarener taugt nichts, sagte er, er hat den
bösen Blick.
Ich merkte mir dieß, war aber fest entschlossen, in
dem Salzbergwerk nicht zu arbeiten, wo ich eine strenge
Ucberwachung voraussah, die jeden Fluchtversuch un-
möglich machte.
(Schluß der vierten Abtheilung.)

Episode aus dein Leben eines


Humoreske von Moriz Horn.

Es war um die Zeit, wo die Krautpflanzen, welche
zu Anfang ihres Lebens Höchst miserable Figuren spielen,
weil sie in dem dünnen Kleidchen, — in manchen Ge-
genden nicht unpassend „Fähnchen" genannt — vor Frost
zittern, das Haupt hochtragcu. Wir bemerken dann in
den gesegneten Gefilden eigenthümliche Gestalten, Wächter
jener Krautplautagen, denen man die Kraft zuschreibt,
etwaige Diebe zu scheuchen. Um diese Zeit führten mich
meine Spaziergänge eines Tages an einem solchen Felde
vorüber, dessen Beaufsichtigung einem derartigen Custos
übergeben war. Ein alter, deshalb polizeilich gedulde-
ter, unschädlicher Calabreser mit fliegenden Bändern und
einem Strohwisch geziert, überschaute von seiner Stange,
wie einst sein Herr College, der Gcßlcriaucr, die Ge-

gend weit und breit. Ich wunderte mich daher nicht
wenig, an der oberen Ecke des Feldes einen alten vor-
märzlichen Hasen mit zwei hoffnungsvollen Söhnen Kraut
stehlen zu sehen, und sprach diese Verwunderung gegen
den Wächter aus, als ich ihm so nahe gekommen war,
daß er mich verstehen konnte. „Mein Herr," entgegnete
er, ich muß Ihnen Recht geben und wundere mich über
Ihr Erstaunen nicht, doch bin ich fest überzeugt, daß
Jeder, welcher mein Schicksal kennt, mir die eben von
Ihnen gerügte Nachlässigkeit verzeihen wird." Ich hatte
nichts zu versäumen, nahm daher ans einem Rainstein
Platz und bat um Aufklärung.
„Sie sehen," begann er seine Erzählung, „mich in
einem Zustande, der Aehnlichkeit mit dem eines Vaga-
 
Annotationen