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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Bilder zur See
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Lunkenbein: Der Millionär ein Bettler
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0119

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kanische Polka's getreten, bis die Stimme des Steuer-
manns wieder zum Dienste ruft. Stiller wird es uud
stiller, nur von der Küche des Mnlattenkochs tönt es
oft wie lautes Gelächter. Dort haben sich noch einige
Mädchen einquartirt. Ich weiß nun nicht, war es die
frifche Brodrinde, die sie im Vorbeigehen von den Ab-
fällen des Kajütentischs davontrugen, oder das heiße
Wasser, das sie täglich bekamen, oder batten die Mu-
latten eine besondere Anziehungskraft, ein gewisses jo
ns salz guoi an sch, das lenen besonders wohl that,—
wie cs nun sein mag, sie standen bei den Mädchen ge-
wöhnlichen Schlags in besonderen! Werthe, nnd oft mögen
sie in rascher Benützung des Augenblicks eine Gunstbe-
zeugnng davon getragen haben, um die sich der weiße
Mitbruder auf der ganzen Kreuzfahrt mit berkömmlichcr
Galanterie vergeblich bewarb, und die er am Ende eher
noch dem gleichfalls glücklichem: Rivalen, den er an jedem
Matrosen fand, als dem „schmutzig-gelben Spitzbuben"
gönnen mochte.
Das Zwischendeck scheint von des Tages Last und
Hitze zu ruhen; da bricht an einem Ende desselben neuer
Lärm unb unauslöschliches Gelächter aus. Die badischen
Freischärler hatten bei ihrem Wein des Guten zu viel
gethan und ihre Herzen waren froh geworden. Einer

derselben, unternehmender als die übrigen, — denn er
war Hauptmann gewesen — hatte sein Lager neben eini-
gen Judenmädchen, von denen auch das Gelächter her-
rührte, das gar nicht enden wollte.
Einen wiederholten Anlauf zum Schlafen nehmend,
wollte ich eben die Augen schließen, da tönen schräg
herüber von einer Koje her noch einzelne Laute eines
Licbesgesprächs. Eines der gua-Ehcpaare hatte sich dort
häuslich eingerichtet; der Mann war etwas vom Weine
„angeduselt", wie die Schwaben cs nannten, und wollte
nun auch „seine Ruhe haben" ; die Frau gedachte mit ihm
noch ein Viertclstündchen zu plaudern. „Du magst mich
gar nicht mehr!" klagt sic endlich, da alle Mühe, etwas
Leben in den Klotz zu bringen, vergeblich ist; „hätte ich
doch meinem Bruder gefolgt!" — „Dich nnd Deinen
Bruder soll der .-"! nnd flugs fahren sie
auseinander, als wollten sie eine ewige Scheidewand
zwischen sich aufführcn. Ich drehte mich gleichfalls um,
es schlug auf der Schiffsglocke zwölf Uhr, und inmitten
der aus den Kojen allmählig aufstcigcnden Dünste be-
merkte ich kaum noch, wie einige Dämchen sich vom Ver-
deck herunter schlichen und ihre Nester aufsuchten. Sie
hatten sich beim Mulattenkoch verspätet!


Der Millionär ein Bettler.

Skizze von Du. Lunkellbeitt.

Im Traume reich sein; nie daraus erwachen,
Selbst wachend träumen, daß man reich noch sei, —
Erregt es nur in uns ein heit'res Lachen,
Jst's Mitleid, was wir fühlen doch dabei?
Wohl beides mag es. Doch wenn dieses Wähnen
Ein Leben aufreibt in vergeb'ner Pein,
Dann zollen wir des Mitleids warme Thronen,
Wird unser Lächeln das des Schmerzes sein.
Wer vor nun mehr als fünfundzwanzig Jahren Ge-
legenheit hatte, sich längere Zeit in B., der Hauptstadt
eines Kreises des Königreichs B., aufzuhaltcn, dem kam
wohl öfters die Gestalt eines schon bejahrten Mannes
vor Augen, der sich mit einem Kasten voll unbedeuten-
den Krames auf den Straßen und in den Gasthäusern
umhertricb und bei dem Verkaufe seiner Maaren weni-
ger durch ihren Werth die Börse der Käufer, als durch
deren Unwerth und seine ganze Erscheinung das Mitleid
weit über den Preis zahlender Geber in Anspruch nahm.

Wenige aber möge dem eigentlichen Schicksale dieses
Trödelkrämers mehr. Beachtung geschenkt haben, und
selbst bei den Bewohnern der Stadt hatte die Gewohnheit
endlich nur die erheiternde Seite an der ganzen Erschei-
nung hcrvortretcn lassen uud sic war so recht eigentlich
zum Spotte der Kinder uud zur Zielscheibe unschuldiger,
wie frivoler Witze Erwachsener geworden. Uns selber,
die wir damals die höhere Schule der Stadt besuchten,
war cs, wenn nicht ganz so, doch — wir gestehen es —
nicht viel anders ergangen; was unscrm jugendlich sorg-
losen Sinne unbeachtet geblieben, sollte sich erst später
dem reiferen Blicke aus den einzelnen Erinnerungen meh-
rerer Jahre zu einem Bilde zusammcnsetzcn, das jezt,
nach Verlauf eines Menschenalters, uns der Darstellung
und weiterer Mitthcilung würdig scheint.
Schneider — so nannte sich der Gegenstand dieser Er-
zählung — mochte damals, als wir ihn zuerst kennen
lernten, schon ziemlich hoch in den Sechzigen stehen. Der
 
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