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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Horn, W. O. von: Verschiedene Wege (Schluß)
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E i n

Verschiedene Wege.
Stücklein aus der gelten, alten

Erzählt von


Zeit.

(Schluß.)

Acht Tage später ging ich am „schwarzen Brette" vor-
über, da sah ich das Diplom des Studiosus F . . . . als
Doctor der Rechte und des Lobes war darin kein Ende.
Die Folge dieser Doctorpromotion war nun, daß
F. . .. zum Assessor bei dem churfürstlichen Ehcgerichte
in Mannheim ernannt wurde mit einer hohen Besoldung,
und ehe ich die Universität verließ, warereiner der ge-
lehrtesten Räthe dieses angesehenen Collegiums. Er saß
dem Glücke im Schooßc, hatte seine Carrwre mit Glanz
gemacht und keine Seele ahnete, wer der Urheber einer
Dissertation war, die im Drucke unter seinem Namen
erschien, und vielfach öffentlich gerühmt wurde.
Und wie wird es Dir ergehen, dachte ich. Mein Ge-
wissen sagte mir, daß ich meine Zeit gut angewendet
hatte; ich konnte es mir selber nicht läugncn, daß ich
etwas Tüchtiges gelernt hatte und das zeigte sich auch im
Examen, denn ich erhielt von Zwölfen, die mit mir
waren geprüft worden, das beste Zeugniß. Aber was
half's?
In der gesegneten Churpfalz wimmelte cs von Can-
didatcn und cs waren welche da, die bereits vierzig Jahre
alt waren, und noch das Loos des Kranken am Teiche
Bethesda theilten. Ueberdieß hatte sich bei dem edeln
Kirchenrath ein Gebrauch ausgebildet, der zu den edel-
sten der Welt und Geschichte gezählt werden konnte. Alle
Pfarreien des Landes waren nämlich in verschiedene Klas-
sen, je nach der Höhe der Pfründe eingetheilt. Jede hatte
ihre Taxe, nämlich einen fest stipulirten Betrag, welchen
der Kandidat an die Herren Kirchenräthe zu bezahlen
hatte, wenn er die Stelle erhielt. Wer reich war, konnte
da jchnell ankommen; der Arme verkümmerte in seinem
Elende. Außerdem waren die Herren besondern Ein-
flüssen zugänglich und die entfernteste Vetterschaft wirkte
mehr, als die vorzüglichsten Kenntnisse und der reinste
Wandel. Das waren die Aussichten, die ich hatte. —
Denn der gute Inspektor war gestorben, dessen Arm im
Kirchenräthe etwas für mich hätte wirken können.
Ich machte meine Visiten bei den Herren; erhielt zum
Versprechen goldene Berge — hinter denen eine wüste
Haide der trostlosesten Aussicht lag. So ging ich denn

nach Ladenburg, um mit meinen Eltern und dem guten
Herrn Rektor zu berathen. Die Ansicht des Rektors
siegte. Er meinte, ich sollte in Heidelberg bleiben, wo
Gelegenheit zum Privatunterricht sei, und den Tagedieben
von faulen Studenten mit Dissertationen aushelfcn. Die
Musik sei für mich die allerergiebigste Hülfsguelle, die
solle ich recht fließen machen.
So ging ich denn wieder nach Heidelberg und die
treffliche Frau Nöthlich gab mir ihr Stübchen wieder
umsonst ein, weil ich dem Petcrchen nachhalf, der mittler-
weile auf die Neckarschule gekommen war und dem es
beträchtlich an dem fehlte, was man nicht kaufen kann.
Nach und nach bekam ich den Musikunterricht in den
ersten Familien der Stadt, auch anderweitigen, daß ich
mein Auskommen hatte. An unwissende Studenten cr-
theilte ich den bcnöthigten Unterricht im Lateinischen,
Griechischen und Hebräischen; ich schrieb juristische und
philologische Dissertationen, übersezte medizinische in das
Lateinische und erwarb mir mit der Zeit ein ganz an-
ständiges Auskommen; allein ein Amt, um meiuen Kräf-
ten gemäß wirken zu können, blieb ein Gegenstand der
Wünsche und — in weitem Felde. Ich hatte eben kein
Geld. Um jede Stelle meldete ich mich, aber ich erhielt
keine, weil, wie man mir sagte, ein älterer Bewerber
da war, oder eine hinterlassene Tochter des seligen
Pfarrers mit der Pfarrstelle mußte geheirathet werden.
Es wird Euch einleuchtcn, daß ich eine solche Zu-
gabe nicht annehmen konnte — denn — meine Seele
hing mit heiligen Banden an meinem Mariechen, die so
manche gute Parthic ausgeschlagen hatte, um mir die
Treue zu bewahren. Wir hatten uns lange treu geliebt
und in unscrn Herzen heilige Treue gelobt, ehe das
Wort über die Lippe ging. Endlich aber war auch die
Scheu vor diesem Bekenntniß überwunden worden, und
wir gelobten uns die ewige Treue. Sie war bei der
Freifrau von Zilnhardt Kammcrjungfer und sparte sich
zu unserm Haushalte und ich that desgleichen. Die
Sparpfennige wuchsen und die—Jahre, aber die Hoff-
nung schrumpfte immer mehr zusammen.
Meine lieben Eltern waren alt geworden und mein
 
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