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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Eine Nichte Oncle Toms
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0195

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Eine Nichte Oncle Toms.
Nach I. Romer' s Denkwürdigkeiten
von
vr. Majo.

5.
Nirgends sicht man Gruppen von Unglücklichen, die
einen so jammervollen Anblick bieten, mic auf einem
Sklavenschiff. Beinahe alle waren schon vor ihrem
Transport auf dem Schiff krank, alle hatten die See-
krankheit. Ihre nackten, schmutzigen Leiber schauderten
an der frischen Luft und unter dem Wasserstrahl, ihre
zitternden Lippen, ihre rollenden Augen drückten fort-
während Angst aus. Es war nicht der sorglose Stumpf-
sinn, der vor dem Einschiffen auf ihrem Gesicht zu lesen
war. Auf dem Lande hatte der Schmerz und die Miß-
handlung für sie nichts Ungewohntes, und sie trozten
ihrem Schicksal mit ungebeugter Resignation; aber hier
befanden sie sich auf einem neuen Element, sie empfan-
den neue Schmerzen, erlebten unerhörte Schrecknisse und
die Unglücklichen waren erst beim Vorspiel ihrer Mar-
tern, erst an der Schwelle ihrer Hölle.
Ach machte einen Versuch in das Sclavendeck hinein
zu gehen. Der furchtbare Anblick und Geruch warfen
mich zurück.
— Gott im Himmel! rief ich, es ist noch viel schreck-
licher, als ich es mir gedacht hatte.
— Ei potz Tausend! ein lachender Anblick ist das
freilich nicht, sagte der Kapitän, wie kann's auch anders
sein? Sie sind alle seekrank. Laßt ihnen nur Zeit, sich
zu erholen, und wir wollen sie ganz gut fortbringen.
Natürlich muß man auch erwarten, daß ihre Zahl sich
ein wenig lichtet. Die Ersten, die abgehen, werden den
Andern ihre Lage nur um so bequemer machen. Die
Lücken füllen wir nicht wieder aus.
— Aber wenn cs fo bei ruhiger See geht, wie wird
es dann bei einem großen Sturme?
— Daß Sie nur der Teufel nicht hört! rief der Ka-
pitän Garbez. Wenn man einmal die Lucken schließen
muß, dann Ade Profit! Kaum daß man seine Kosten
heraus schlägt, sie sterben wie die Blutigel unter'm Ge-
witter. Ach befand mich einmal auf einem kleinen Schoo-
ner mit 300 Negern an Bord, und wir mußten drei
Tage lang im Sturme segeln. Nie habe ich das Meer
so gesehen; mehrere Mal waren wir am Ertrinken. Das

Unwetter kostete uns 250 Sclaven. Es wurde uns
schwer, zu den Todten zu gelangen, um das Deck aufzu-
räumen und sie in's Meer zu werfen, und so kam es,
daß die, die nicht aus Mangel an Luft erstickt waren,
durch die Leichname, die hcrabrollten und auf sie fielen,
gctödtet wurden. Von den Ueberlebenden hatte der Eine
dieses, der Andere jenes Glied gebrochen; Allen hatten
die Fesseln das Bein bis auf den Knochen bloß gelegt.
— Gräßlich! Und solch abscheulichen Handel können
Sie forttreiben?
— Warum uicht? Trotz all seiner Verdrießlichkeiten
trägt der Handel was ein, und daß er grausam ist,
deßhalb haltet euch an die Engländer. Wären sie nicht,
so würde man große, geräumige Schiffe nehmen, man
würde es den Sclaven so gut wie möglich machen, um
sie in gutem Zustande auf den Markt zu bringen. So
aber muß man nothgedrungen Alles der einen Rücksicht
aufopfern, den englischen Kreuzern zu entgehen.
Es fiel mir nicht ein, das Argument des Kapitäns
zu widerlegen; es wäre auch verlorene Zeit und Mühe
gewesen, gerade so als wenn man eine Verthcidigung der
Gotteslästerung oder des Mords einer Erwiederung wür-
digen wollte. Einen scheußlichen Eindruck hatte mir der An-
blick der sich erbrechenden und in Ohnmacht fallenden Neger
gemacht. Mit noch größerem Ekel aber kehrte ich diesen
Teufeln in Menschengestalt den Rücken; ich suchte bessere
Gesellschaft in meiner Kajüte. Kalula und Enphadde
hatten ebenfalls die Seekrankheit, aber nur leicht, und
nach zwei, drei Tagen schon waren sie so weit hergestcllt,
um auf dem Verdeck Luft schöpfen zu können; wir wollten
hiefür die Nacht abwarten. Ach hatte immer noch, wo
nicht für mich, so doch für meine Schützlinge von der
erklärten Feindschaft des Montes zu fürchten. Mehrere
Male wagte er es, in meiner Abwesenheit, mit einem
Tanendc nach Enphadde zu schlagen, der ihm nicht schnell
genug aus dem Weg gegangen war und eines Tages,
wo ich Kalula allein in der Hinteren Schaluppe zurück-
gclasscu hatte, in die wir gewöhnlich mit ihrem Bruder
stiegen, um mehr Ruhe zu haben, riß er sie ungestüm
heraus und stieß oder warf sic vielmehr auf deu Boden
des Hinterdecks. Mein Blnt kochte über diese Rohheiten.
 
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