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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Eine Nichte Oncle Toms
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0217

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Eine Nichte Gnclc Soms.
N a ch I. -N o m e r' s D e n k w ü r d i g k e i t e n

von
vn. Majo.

8.
Eines Abends, wo ich mich in einiger Entfernung
von unserm Nachtquartier befand, fah ich am Horizont
einen schwarzen Punkt, den mein geübtes Auge als ciu
Kameel erkannte. Ich vermuthetc einen Reiter darauf,
und hielt es für den Vorläufer eines Besuches, der uns
zugedacht war. Bei näherer Beobachtung feines Ganges
jedoch fah ich, daß cs allein und ohne Reiter war. Ich
lief ihm, so schnell ich konnte, entgegen, cs wartete auf
mich, kniete nieder und ich bestieg seinen Rücken. Das
arme Thier war todmüde und durstig, allciu die Behen-
digkeit, mit der es auf den ersten Anruf einen raschen,
leichten Trab begann, zeigte mir, daß es ein Thier von
edler Nace war, eines jener Vollblutdromedare, die bei
den Arabern so Werth gehalten werden.
Ehe ich in unser Quartier zurückkehrte, hatte ich die
Vorsicht, das Msier anzuhaltcn und einen Sack voll Dat-
teln, der am Sattelknopfe hing, an einen Ort zu ver-
bergen, wohin ich bereits mehrere Gegenstände gebracht
hatte, die ich bald nöthig zu haben glaubte: eiuen Schlauch,
ein Holzgefäß und einen kleinen Mehlsack.
Es war Nacht, als ich im Lager ankam und von dem
Kameel abstieg. Die meisten Araber waren auf einen
Streifzug ausgegangen, die Anwesenden, darunter Mo-
hammed selbst, umringten mich sogleich.
Du hast wohlgcthan, Rumah, sagte Mohammed, das
arme Thier hieher zu bringen, das seinen Herrn verloren
hat, wir wollen es gut pflegen! Eben hatte die Besich-
tigung meines Fundes bei Fackellicht stattgefundcn, als
mehrere Stimmen riefen:
Ein Heirie! ein Heiric!
Zum ersten Mal in seinem Leben war Mohammed mit
mir zufrieden. — Heirie oder Mehari — so heißt das
Dromedar, das in der ganzen Wüste durch sciue Aus-
dauer und Geschwindigkeit berühmt ist. Ein Heirie ver-
hält sich zu einem gewöhnlichen Kameel, wie ein Nenner
zu einem Zugpferd, man gibt sich eben so viel Mühe um
die Erhaltung der Reinheit seines Bluts, wie um die
Nachkommenschaft der berühmtesten Sieger im Wettrennen.
Das schlechteste Heiric ist immer noch besser als das
beste gewöhnliche Kameel. Die geringeren Heirie's,
Falayen genannt, machen drei gewöhnliche Tagreisen in

einem Tag, das heißt ungefähr sechzig Meilen, und das
mehrere Tage nacheinander. Die besseren, Sebay genannt,
machen sechs Tagreiscn täglich, ungefähr hundert zwanzig
Meilen, und die edelsten, in welche Klasse unser Thier
gehörte, können acht Tagreiscn, hundert sechzig
Meilen in einem Tag machen. Ein Heirie dieser
Ra^e ist natürlich sehr selten, sehr gesucht und kostet
zwanzig Mal mehr als ein gewöhnliches Kameel. Man
begreift nun die Freude Mohammeds. Daß die Eigen-
thümer eines so kostbaren Thiereö es suchen würden, ließ
sich denken, und unsere Leute waren eben in der Unter-
haltung darüber begriffen, wie man das Auffinden des-
selben verhindern könnte. Die Berathung war noch nicht
zu Ende, als zwei unserer Reiter von dem Brunnen zu
Ageda zurückkamen. Der Anblick des Kameels über-
raschte sie nicht sehr, sie hatten seinen Herrn gesehen, der,
begleitet von einem zahlreichen Gefolge von Freunden,
es dort gesucht hatte. Er war entschlossen, jeden Winkel
der Oase von Quahlet anszuspäcn.
— Gott schärfe sein Auge! sagte Mohammed.
Uud seinen Frauen rief er zu:
— Selme! Fatimah! bringt Datteln und einen
vollen Wasserschlauch! Schnell! Komm her, Rumah,
komm, Shunshu, sitzt auf und führt das Kameel in
die „Eb liö -S ch lucht," ihr wißt, dort, wo wir einmal
selbst ein verlornes Kameel gefunden haben. Zch komme
gleich nach.
Das Heirie kniete nieder, wir saßen auf. Zch, als
Lenker, hatte den Ehrenplatz und saß mit gekreuzten
Beinen auf dem Halse. Shunshu, ein kleiner, krüppel-
haftcr, schwarzer Sclave, saß rücklings hinter dem Höcker
und hielt sich am Haarbüschel.
Bei meinem Schlupfwinkel augelaugt, zog ich zum
großen Erstaunen Shunshu'ö meinen Mundvorrath hervor.
— Ach, Rumah, was bist du für ein geschickter Dieb!
was thust du denn damit? — Das wirst du sehen, schwarzer
Zunge, erwicdcrte ich, indem ich das Mehlsäckchen, den
Sack voll Datteln und meinen Geisfellschlauch an den
Sattelknopf hängte. Vorwärts, Bursche! sitz auf! Siehst
du dort uutcn die Kameelstuten? Zhr Hüter schläft
gewiß hinter einem Dornstrauch, die melken wir.
Dem Shunshu gab ich den hölzernen Napf, während
 
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