Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

DOI issue:
Poetische Blumenlese
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0166

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
126

Poetische Mumenlese.

Die stille Stadt.
Auf engem Raum, im freien Feld,
Dem Treiben fern der falschen Welt,
Der Sklaven und Despoten,
Liegt eine Stadt mit weitem Thor-
Im Blüthenduft und Blumenflor:
Die stille Stadt der Todten.
Der wüste Streit um Mein und Dein,
Des Titelwesens nicht'ger Schein,
Der Flitterstaat der Moden,
Des ganzen Daseins Lug und Tand,
Sind den Bewohnern unbekannt
Der stillen Stadt der Todten.
Ob jung, ob alt, ob arm, ob reich,
Die Bürger sind hier alle gleich
Gehorsam den Geboten,
Im Hemd, im Lacken von weißem Lein,
Im Schrank, im engen Kämmerlein
Der stillen Stadt der Todten.
Das ist die wahre Republik,
Für Bürgerwohl, für Menschenglück
Der ächte Grund und Boden:
Der Arme trägt das Kreuzlein klein,
Der Reiche schleppt den schweren Stein
Der stillen Stadt der Todten.
Gewölben, moderdumpf und schwer,
Und kalt und feucht und liebeleer,
Den Tempeln und Pagoden
Vertrau n die Fürsten ihr Gebein:
Für sie nur ist das Thor zu klein
Der stillen Stadt der Todten.
Wie oft, wenn ich, in Noth verzagt,
Nur ihm mein heimlich Weh geklagt,
Dem Retter der Bedrohten,
Hab' ich, von Feinden noch gehöhnt,
Verzeihend mich hinausgesehnt
Zur stillen Stadt der Todten.
Wie oftmals, wenn ich, dankerglüht,
Die Laute schlug zum frohen Lied,
Hab' ich in fromme Oden,
Im trauten Arm der stillen Nacht,
Der sichern Traulichkeit gedacht,
Der stillen Stadt der Todten.
So Mancher ringt und forscht nach Licht,
Und löst, trotz aller Mühe, nicht
Des Lebens gord'schen Knoten,
Da trifft ihn jäh ein magisch Schwert,
Der Knoten reißt: Ein Todter kehrt
Zur stillen Stadt der Todten.

O! säh'n doch Alle, gottversöhnt,
Statt Tod und Graus, nur, mohngekrönt,
Den Tod als schönen Boten,
Der, wenn ihr leztes Stündlein schlägt,
Sie lind und rasch hinüberträgt
Jn's stille Reich der Todten.
Fr. Köll

Die Nosenkuospe.
Rosenknospe blickte heimlich
Aus dem dichtbelaubten Strauch,
Möchte gar zu gerne trinken
Wonnig süßen Frühlingshauch.
Sieh, da schwebten Lenzeslüfte,
Flüsternd um das Rosenkind,
Und in Kindesnnschuld öffnet
Röslein jezt sein Herz geschwind.
Doch verblüht am andern Morgen,
Stand ein Röslein in dem Strauch,
Treulos blies ihm in die Seele
Lenznacht ihren frost'gen Hauch.
Zarte Knospe, zarte Rose,
Allzufrüh hast du vertraut;
Sahst du nicht des Lenzes Tücke,
Als du ihm in's Äug' geschaut?
Hüte dich, du kindlich Wesen,
Das zur Jungfrau sich erschließt,
Daß dir nicht im Liebeskosen
Gift in deine Seele fließt.
H. Bührlen.

Die große Welt.
Reich an Glanz und reich an Schimmer,
Ist die stolze, große Welt;
Reich jedoch ist sie nicht immer
An dem echten, innern Glück.
Manche Dame aus dem Tanze,
Sehnt sich nach dem Boudoir,
Wo sie mit dem Schmuck, dem Kranze
Ablegt Witz und Heiterkeit.
Mancher Herr spricht mit Verachten,
Von dem Mädchen, das ihm glaubt,
Von dem Herzen, das sein Schmachten
Kunstgeübt mit Trug umstrickt.
Manche Gattin, vom Gemahle,
Ueberhäuft mit Artigkeit,
Ist die Glückliche im Saale,
Die Verschmähte außerhalb.
 
Annotationen