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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Poetische Blumenlese
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0189

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143

Poetische Btumenlcse.

Stille Thräncn.
1.
Frag' nicht, warum ich weine,
Ich hatte einst dich lieb;
Der Mond schien hell, die Sonne, —
Nun ist mein Himmel trüb.
Von weißen Blüthen sah ich,
Wohl einen Zaubersee,
Als heiß ich sie umfangen,
Da war es kalter Schnee.
2.
Einst roth im Feld ein Röschen,
Jetzt bleich geworden ist;
Es sind wohl viel der Stunden,
Ich hab' dich einst geküßt.
Ich habe mit ahnendem Busen
Gesteht, mit zitterndem Mund:
Lieb' mich allein, alleinig!
Mir war so weh zur Stund'.
Du schlugst um ihn die Arme,
Du lächeltest zugleich . . .
— Ich sah's, ich schwieg, ich weinte^
Ich wurde still und bleich. —
3.
Ich meine, die Sterne welken,
Bleich schaut das Morgenroth;
Die Augen wohl, die Wangen
Durchfröstelt mir der Tod.
Ich hab' dir lange vergeben,
Ich kann dir zürnen nicht.
Zum Letztenmal dein Händchen,
Bevor mein Auge bricht.
H. Bischof.
Die Zeit.

Die Zeit in raschem Wirbel flieht
Mit uns dahin im Tanze;
Und Bild um Bild vorüberzieht,
Als wie im bunten Kranze.
Erst tändeln wir mit ihr als Kind,
Wenn sie die Wiege schaukelt.
Dann freut uns, wenn wir größer sind,
Wie leicht sie uns umgaukelt.
Und tanzen mit ihr auf und ab,
Sie weiß so sanft zu schweben;
Bis still sie steht an unserm Grab,
Beendend unser Leben.
Louise Friso ni.

Die Nacht am See.
Herbsttag hatte sich geneiget, und derDämm'rung Schein umhüllte,
Längst der fernen Alpenkette wunderbares Eisgebilde.
Ruhe hielt das Dorf umfangen, nur vom nahen Gotteshaus
Tönt' die Abendglocke friedlich in das stille Thal hinaus.
Traurig ob des Sommers Schwinden und der Sänger Scheidegruß,
Wandte ich, schwermüth'gen Sinnes, nach dem nahenSee den Fuß.
Wollte an der klaren Fläche, die der Abendhauch durchzieht,
Ruhe und Erfrischung suchen für das grämende Gemüth.
Rastlos zogen seine Wogen in dem ewig alten Gleise,
Und das Zauberlicht des Mondes stieg aus trüber Wolke leise;
Silberhell wirft das Gewässer ihm den bleichen Schein zurück,
Und wie magisch angezogen senkt sich in die Fluth der Blick.
Also stand ich da versunken in das still bewegte Reich,
Sehnsucht und ein süßer Schauer faßten mir das Herz zugleich.
Horch! ein fernes Rauschen flüstert durch die stille Nacht von weiten,
Forschend späh ich und ich sehe einen Nachen herwärts gleiten.
Ruhig zog er durch die Fluthen, seine Ruder rauschen leise,
Eine Jungfrau saß darinnen, blendend wie des Marmors Weiße,
Um das Haupt, das bleiche schöne, walltdas Haar so blond und lang,
Und von ihren Lippen tönet himmlisch herrlicher Gesang.
Näher rauschte jetzt der Nachen, lichter strahlt die Nire d'rin,
Sollt' ich bleiben, sollt' ich fliehen; doch gewaltig zog's mich hin,
Als sie winkte, stürzt' ich trunken in den dunkeln blauen See,
Wär' versunken, doch es zog mich sanft in ihren Kahn die Fee.
Eine Harfe in den Händen sang sie jetzt ein mächtig Lied,
Wie begeistert glänzt ihr Auge, ihre bleiche Wange glüht.
Durch die stille Nacht verhallet ihr Gesang so rein und hell,
Wunderbar strömt's mir im Herzen wie ein noch verborg'ner Quell.
Endlich hält der Nachen stille und ein Echo bricht den Schall,
Eine hohe Pforte blinket rein und klar wie von Krpstall.
Schwäne ziehen an ihr nieder und der Wasserrose Pracht,
Weiß die Blume, grün die Blätter, zeigt daß hier der Frühling wacht.
Und die Jungfrau neigt sich milde jetzt dem armen Träumer zu:
»Sieh! dieß ist mein Haus, hier findest du vor Schicksals Wogen
Ruh',
Ew'ger Frühling, ew'ge Jugend blüh'n in diesem feuchten Zelt,
Willst du bleiben? Willst du fliehen? Wähle wie es dir gefällt."
Schon wollt' ich der Nire folgen, doch da regte sich das Herz,
Eine Thräne quillt im Auge und es zieht mich erdenwärts.
Denn im Geiste sah ich winken ein geliebtes theures Bild,
Und der alten Liebe Bande hielt das heiße Herz umhüllt.
Und die Fee blickte forschend, las, was mich so tief bewegt;
Eh' ich Worte noch gefunden, sprach sie zu mir sanft erregt:
„Wohldir,Jüngling,wenn dir lächelt,drüben noch ein zartesGlück,
Geh', genieße seine Wonne, denn es kehrt dir nicht zurück.
 
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