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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Die beiden Schwestern
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0233

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der Vorhalle. Das Verhör dauerte lange, aus dessen
zahlloser Menge von Fragen die Jungfrauen mir Fol-
gendes mit einiger Bestimmtheit enthüllten.
Die Kranke hatte dem Geistlichen in ihrer Beichte ein
schauderhaftes Verbrechen ihres Herrn und ihre Theil-
nahmc daran bekannt. Da aber die Schuldige im Ver-
folg ihres Bekenntnisses schon anfing, ohne Sinn und
Zusammenhang zu sprechen, war Alles noch in Dunkel
gehüllt. Doch machte der Zorn des Alten gegen den
Beichtiger, welchen er an der Ausübung seines heiligen
Amtes gern verhindern wollte, und ihm sogar mit Trotz
gebot, sogleich das Haus zu verlassen, — seine Wuth
gegen die Kranke, — noch mehr seine plötzliche Ent-
weichung — ihn einer schweren Schuld sehr verdächtig.
Das Gericht forschte nach, ob die Töchter sich nicht
erinnerten, in ihrer Jugend nur mit einer Mutter und
der Kranken ohne den Vater gelebt zu haben; ob sie

nicht in ihren früheren Lebensjahren nur Deutsch ge-
sprochen hätten; welche Städte in Deutschland und Ita-
lien besucht zu haben, sie sich entsinnen könnten, wie
der Vater sie behandelt habe; ob die Kranke ihnen nie
von ihren Zugendjahren und von Deutschland erzählte,
ob sie von ihr zur llcbung in der deutschen Sprache
angehaltcn worden wären? und dergleichen. Die armen,
gebeugten Schwestern wußten wenig Sicheres und Be-
stimmtes auf die Fragen zu antworten, welche zu weite-
ren Anzeigen und Vermuthungcn hätten führen können.
Aber von der Unschuld der beiden Mädchen mußte man
doch im Voraus sich überzeugt halten, da man sie mit
Achtung und Schonung behandelte, ihnen volle Freiheit
gewährte, und von ihnen nur das Versprechen verlangte,
Rom nicht ohne Erlaubniß der Gerichtsbehörde zu ver-
lassen.
(Schluß folgt.)

Lose Slotter.

Altes und Neues.
Nach La Brühere. Von vr. L—n.
Bei vielen Leuten ist es nur der Name, der einigen
Werth hat. Seht ihr sie sehr in der Nähe, sind sie
weniger als nichts; von Ferne imponiren sie.
Es erscheinen von Zeit zu Zeit auf der Erde seltene,
ausgezeichnete Menschen, welche durch ihre Vortrefflich-
keit glänzen, und deren ungewöhnliche Eigenschaften ein
bewunderungswürdiges Licht um sich verbreiten. Aehnlich
jenen seltenen Sternen, deren Ursachen man nicht kennt
und von denen man noch weniger weiß, was aus ihnen
wird, wenn sie wieder verschwunden sind, haben sie we-
der Ahnen noch Nachkommen; sie bilden allein ihr gan-
zes Geschlecht.
Man muß das Lächerliche nicht dahinein bringen, wo
es nicht ist; dteß heißt sich den Geschmack verwöhnen,
heißt sein und der Andern Urtheil verderben. Aber das
Lächerliche, das irgendwo ist, muß man da auch sehen,
es mit Anmuth hervorziehen und aus eine Weise, welche
gefällt und belehrt. Eine weise Lehre für Satyriker
und Humoristen! _
Eine unbeständige Frau ist die, welche nicht mehr
liebt; eine leichte die, welche schon einen Andern liebt;
eine flüchtige, welche nicht weiß, ob sie liebt und was sie
liebt; eine gleichgültige, welche nichts liebt.

Die falsche Größe ist menschenscheu und unzugänglich;
da sie ihre Schwäche fühlt, verbirgt sie sich oder zeigt
sich wenigstens nicht von vorn und läßt sich nur so lange
sehen, als es nöthig ist, um zu täuschen und nicht als
das zu erscheinen, was sie ist, nämlich eine wahre Kleinig-
keit. Die wahre Größe ist frei, sanft, familiär, popu-
lär, sie läßt sich berühren und handhaben; sie verliert
nichts, wenn sie in der Nähe gesehen wird: je mehr man
sie kennt, desto mehr bewundert man sie. Sie bückt sich
aus Güte gegen ihre Untergebenen und nimmt ohne
Mühe wieder ihre natürliche Stellung ein. Sie läßt
sich zuweilen gehen, vernachläßigt sich, entschlägt sich
ihrer Vortheile, immer im Stande, sie wieder zu nehmen
und sie geltend zu machen; sie lacht, spielt und scherzt,
aber mit Würde. Man nähert sich ihr zugleich mit Freiheit
und mitZurückhaltung. Ihr Charakter ist edel und gefällig,
flößt Respekt und Vertrauen ein, und bewirkt, daß die
Fürsten im Reich des Geistes uns groß und selbst sehr groß
erscheinen, ohne uns fühlen zu lassen, daß wir klein sind.
Wer, um eine seine Taille zu conservireu, sich des
Weins enthält und nur einmal speist, ist weder nüchtern
noch mäßig; und von einem Zweiten, der, von einem
armen Freunde gedrängt, ihm endlich einige Unterstützung
gibt, sagt man, daß er sich Ruhe erkaufe, und keineswegs,
daß er freigebig fei. Das Motiv allein macht das Ver-
dienst der menschlichen Handlungen und die Uneigennützig-
keit drückt ihnen den Stempel der Vollkommenheit auf.
 
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