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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Horn, W. O. von: Verschiedene Wege (Schluß)
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Drobisch, Theodor: Der Triumph der Mimik
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0032

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22

Herz. Ja, es hatte sein Gutes, aber cs war ganz ab-
scheulich viel Schatten bei dem wenigen Lichte.
Um aber noch einmal auf meinen Herrn Vetter zu
kommen, so hatte er eine Vorahnung am Schluffe seiner
Erzählung ausgesprochen, die ihre volle Erfüllung fand.

Seine treffliche Frau, mit der er eiu Leben wie im Him-
mel schon hier auf Erden geführt, starb zuerst, und nicht
volle acht Tage drauf folgte die ganze Stadt Mann-
heim dem allverehrten Manne zu Grabe. Einen Orga-
nisten wie ihn konnten sie nicht wieder finden.


Der Triumph der Mimik.
Von
Theodor Drobisch.

In der Mitte des vorigen Jahrhunderts befand sich
in dem Stadtthcil Pimlico zu London, nicht weit vom
St. James-Park, ein altes steinernes Haus, genannt die
„Bischofsmütze." In diesem Hause wohnte ein in allen
drei Königreichen bekannter Mann, der Maler und Kupfer-
stecher William Hogarth. Dieses Universalgenie, die-
ser Aristophaneö der Maler, saß all einem Herbsttage
des Jahres 1754 in seinem Atelier, wo cs denn äußerst
bunt auösah. Rings an den Wänden hingen allerlei Ge-
mälde und Kupferstiche, inmitten derselben auch die von
ihm in Oel gemalte Sigismunda, welches Bild der
Lord Groövcnor bestellt, aus mancherlei Gründen den
Kaufpreis verweigerte und das nach Hogartlsts Tod dann
für eine große Summe von Boydell für' die Shakespeare-
Gallerte nngckauft wurde.
Auf einem kleinen Tisch lagen neben allerhand Maler-
utensilien auch drei Bücher, Fieldings „Joseph Andrews",
dann „Tom Jones" und der bekannte Roman „Amelia"
die Zierden der englischen Literatur. Nicht weit vom
Tische stand eine Staffelei, worauf die ersten Anfänge
eines männlichen Porträts sichtbar. Hogarth saß in einem
Lehnstuhl und betrachtete wohlgefällig einen so eben aus
der Druckerei gekommenen Kupferstich, der unter seinen
Händen hervorgegangen war. Es war dieser Stich als
Gratisbeilage für diejenigen bestimmt, welche auf sein
Werk: „Analyse der Schönheit" subseribirt hatten und
die Scene veranschaulichte, wie Columbus ein Ei auf
die Spitze stellt.
Je länger jedoch der Schöpfer dieses Bildes seine
Blicke darauf verweilen ließ, desto trüber ward sein An-
gesicht. Er erwog, welchen Streit er mit dem Doctor
Ralph gehabt, wie vielfach er Towslcy angegangen, ehe
sich dieser beguemte, ihm die Vorrede zu schreiben, und
dann die Hauptsache, wie cs so Viele gegeben, denen es
nicht in den Kopf gewollt, daß die Wellen- oder Schlan-
genlinie die wahre Schönheitsliuie sei. — In diesem
Augenblicke öffnete sich die Thür, Hogarth blickte empor

und herein trat mit triumphircnder Miene sein alter
Freund Kling. — Hogarth! rief dieser freudig aus, Dein
Glück ist gemacht, der Sieg ist Dein, mehr denn drei-
tausend Eremplare sind bereits verkauft.
„Wie? dreitausend? von was?"
„Von dem frappant ähnlichen Portrait deines Tod-
feindes Johann Wilkes . . .
„Der mir alle Kenntnisse abgesprochen . . .
„Der gesagt und geschrieben, daß Du ein Stümper
seiest. Herrlich! prächtig, Nummer 45 und 47 seines
Blattes: der Nordb ritte, worin er Dich angefochten,
Du hast Sie trefflich mit auf dem Bilde angebracht.
Ganz London jubelt."
„Hm! brummte Hogarth. Ich gestehe, ich bin zu
weit gegangen. Wilkes ist ein eifriger Vcrtheidigcr der
englischen Freiheit, ich habe ihn stets geachtet. Aber
setze Dich an meine Stelle. Mich vernnglimpft zu sehen
durch die Presse, ich mußte Revanche haben."
„Und diese ward Dir in vollem Maaßc. — Wie hast
Du cs angefangcn, so ein trefflich Portrait zu schaffen,
da cs bekannt ist, daß sich Wilkes nie malen ließ, nie,
weil ihn die Natur so entsetzlich vernachlässigt und karri-
katurmäßig aus gestattet.
„Ja! entgegnete Hogarth, cs war keine Kleinigkeit,
seine Züge auf Papier zu bringen. Der Zufall war mir
günstig. Unlängst bei einer großen Prozession, wo Tau-
sende langsam vorüberschritten, da sah ich denn auch, wie
Wilkes bedächtigen Schrittes mit cinherkam. Diesen
Schncckengang ließ ich nicht unbenutzt entfliehen. Schnell
wie der Blitz brachte ich Bleifedcr und Skizzcnbuch aus
der Tasche, das Nöthige geschah an Ort und Stelle und
diese Physiognomie zu vergeßen, das wäre ja unmöglich,
in finsterer Nacht hätte ich dicß Gesicht zu Papier brin-
gen wollen."
„Du bist ein Meister, Hogarth, rief Kling. Du trägst
die Mnemonik in die Malerei über, daß selbst Simoni-
dcs seine Freude haben müßte, wenn er von Dir hören
 
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