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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 2.1853

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Drobisch, Theodor: Der Triumph der Mimik
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https://doi.org/10.11588/diglit.45118#0033

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23

könnte. Ich sage Dir, lege Dich mehr auf das Portrai-
tiren, es ist das Dankbarste für einen Maler . . .
„Und auch das Langweiligste! — fiel ihm Hogarth
in die Rede. Schreckliches Dasein für einen Künstler,
der verurtheilt ist, damit seine Existenz zu sichern."
„Welche wunderbare Ansicht? Ist dich Dein Ernst?
sprach Kling und erwartete mit Ungeduld die Antwort.
„Vollkommen Ernst! rief Meister Hogarth. — Por-
traite sind ein undankbarer Gegenstand der Kunst. Haben
sie das Verdienst der Ähnlichkeit, so geschieht nicht
selten der Idealität der Kunst Eintrag. Sind sie idealisiert,
so verlieren sie als Portraite den Werth der Wahrheit.
Ich sage Dir, sie sind in der Malerei das, was die Bio-
graphien in der Geschichte und die Monologen im Drama
sind: Ausstellung einer Persönlichkeit, die durch die durch-
scheinende Eitelkeit kalt lassen, wenn nicht ein berühmter
Name diese Ausstellung rechtfertigt."
„Ha! überall der Meister, im Schaffen und in der
Beurtheiluug. Was hast Du da auf der Staffelei? rief
Kling, in dem er Miene machte, die angefangene Malerei
zu betrachten.
„Ich bitte! hinweg! — Jezt keine Betrachtung."
„Ein Portrait?"
„Ja, Portrait, Phantasiestück! nenne es, wieDu willst."
„Sollte ich das Original nicht kennen?"
„Ganz England kennt den Mann, dessen Züge ich da
der Leinwand anvertrauen will, und doch ist er nicht hier."
„Wie ohne Sitzung?
„Ja! meinen Freund Fielding will ich malen, der zur
Herstellung seiner angegriffenen Gesundheit auf Anrathcn
der Aerzte ein milderes Klima ausgesucht."
„Er weilt jezt in Lissabon."
„Ja! aber krank, sehr krank, vor einigen Tagen
empfing ich diese schmerzliche Kunde. O allgütiger Him-
mel! nur dieß Portrait laß mir gelingen, nur dieß Eine,
ich will dann den Pinsel für immer hinlcgcn."
„Also mit Hülfe der Phantasie? . . .
„Und meines alten Dieners Toms, fügte Hogarth
hinzu."
„Was Toms, Toms als Fielding?"
„Als Staffage. Ich muß wenigstens ein lebendes
Wesen vor nur haben. Die Erinnerung, die Freundschaft,
die Liebe zu Fielding, sic sitzen mit an der Staffelei, sie
führen mir die Hand. Dann, wenn die Phantasie erlahmt,
dann greife ich hier nach seinen Werken und lese einige
der schönsten Stellen. Hier in den Worten malt sich
seine Seele und im Verstehen, im Hineinlebcn des Herr-
lichen und Schönen, da tritt vor mich die verkörperte
Gestalt, ich blicke in sein edles Antlitz und so, so male
ich meinen Freund, meinen theurcn, geliebten Fielding."
Bei diesen Worten griff Kling nach seinem Hute, um
sich zu entfernen, denn er bemerkte, wie cs in Hogarth

glühte und wallte, der jezt mit großen Schritten im Zim-
mer auf- und abging. Das war der Moment zu schaffen
und zu gestalten, das war der Augenblick der Begeisterung.
Mit wenig aber innigen Worten nahm Kling Abschied,
Hogarth begleitete seinen Freund bis vor die Thür, rief
dann mit lauter Stimme: Toms, Sitzung! und begab
sich schnellen Schrittes in sein Wohnzimmer, welches dicht
an das Atelier grenzte.
Nach Verlauf einiger Minuten trat der alte Diener
Toms herein. Ein Gesicht, in welchem Simplicität nnd
Gutmüthigkcit in gemischter Ehe lebten, sonst eine Figur,
die sich mehr zur Carrikatur hinncigte und das Organ
grau, in tiefen Tonfchichten sich bewegend. Inmitten des
Zimmers blieb Toms stehen, blickte starr auf den Schlaf-
rock, den er über seinen Arm gehangen und dann aus
die Perrücke, die er zierlich auf seine rechte Hand gestülpt.
„Merkwürdig!" brummte er jezt, „zu was für Dien-
sten ich im Hause des Herrn Hogarth auf meine alten
Tage noch herhalten muß. Gestern mußte ich in Schlaf-
rock und Nachtmütze die Sitzung aushalten, heute ge-
schieht's mit der Perrücke. — Sonderbare Mode, für einen
Andern zu gelten. Heute als Gelehrter, als Vertreter
eines gcscheidten Mannes, in acht Tagen vielleicht als
alte Großmutter. Verkehrte Welt!—"
Wohlbcdächtig setzte er sich jezt die Perrücke auf sein
Haupt, trat vor den Spiegel und betrachtete sein Ant-
litz. — Hm! brummte er vor sich hin, „cs muß doch
etwas von Geist und Gelehrsamkeit in mir stecken, daß
mich der große, berühmte Hogarth zum Muster nimmt,
als Ersatzmann sür den gelehrten Fielding."—Bei den
lezten Worten fing er an Gesichter zu schneiden; nachdem
er dieß ein Weilchen gethan, lächelte er und rief: „Wahr-
haftig, Herr Fielding, ganz und gar, vom Scheitel bis
zur Sohle."
„Oho! da fehlt noch viel, mein guter Freund!" er-
tönte plötzlich hinter Toms' Rücken eine Stimme. „So
sieht er aus, so . . . ." und erschrocken blickte jezt Toms
einem fremden Herrn in'ö Gesicht, in ein Antlitz, dessen
Muskeln alle fibrirtcn und das mit wahrer Virtuosität
Fielding's Gesicht zur Schau trug. — Schon wollte sich
Toms in Lobpreisungen ergehen, als der Fremde fragte,
ob Herr Hogarth zu Hause sei.
„Ja!" rief Toms, „werden ihn aber nicht sprechen
können. Erstens ist er heut sehr mißlaunig, woran eine
Nachricht aus Lissabon die Schuld trägt, indem Herr-
Fielding daselbst erkrankt ist."
„Was, nur krank? "
„Nun, halten Sie das für Nichts? der Himmel ver-
hüte, daß er stirbt, dann mag ich hier nicht in diesem
Hause leben. Ohne Ruh und Rast lief Herr Hogarth
im Zimmer herum und rief: ich muß ihn malen, ich muß
sein Portrait haben. Schicksal! rief er aus, Schicksal!
 
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