Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

DOI article:
Verschiedenes / Inserate
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0061

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
60

mosphäre, die in diesen Kreiseu herrscht, mit ihrer
ganzen sittlichen Rohheit, ist jedenfalls gnt getrosfcn, und
es ist immerhin erfreulich, daß die Kunst dieser sccialen
Verwirrung gegenüber sich satirisch zu verhalten beginnt.

Von bedeutendem künstlerischem Werthe sind die sorg-
fältig ansgeführten römischen Scenen Rizzoni's, der
nnserm Püblikmn dnrch seine talentvollen Schilderungen
des jüdischen Lebens schon seit lange rühmlichst bekannt
ist. Allerliebste Kabinetstücke sind seine diesjährigen Ge-
mälde: „das Jnnere einer römischen Osteria", das uns
ein Stück echten italienischen Bolkslebens zeigt, der „Be-
such eines Kardinals im Kloster S- Onofrio in Nom",
„eine Gemüsehandlung in Frascati", „das Jnnere des
Refektoriums in dem Kapuziner Kloster zu Rom" u. s. w.

Der berühmte Genremaler Professor Schwertschkow,
der die Leiden und Freuden des russischen Arbeitspferdes
beredt zu schildern weiß, hatte dieses Mal nicht gerade
Bedentendens geliefert: sein englischer Jockeh und seine
beiden Jäger boten wenig Jnteresse. — „Die Braut, die
denVerlobungsringzurückerhält", von Brijanski, istein
Bild, das für den mit großer Lebhaftigkeit geschilderten
Schmerz im Gesichte des unglücklichen Mädchens alles
Lob verdient.

(Schlnß ft'lgt.)

lltßrologt.

-j- Max Lohde, der reichbegabte Berliner Historien-
maler und unser sleißiger Mitarbeiter, ist am 18. Dezember
1868 zu Neapel gestorben. Er war der Sohn des
Professors L. Lohde, der sich durch mehrere Schriften einen
geachteten Namen in der Kunstwissenschaft erworben hat,
nnd wnrde in Beclin am 13. Februar 1845 geboren.

Von dem Vater früh in das Verständniß der erhabencn
Schönheit der Antike, insbesondere in die Bötticher'sche
Theorie dcr hellenischen Tektonik eingeweiht, brachte er zur
Kunst, die er nach'gründlicher Vorbildnng zu s einem Lebens-
berufe erwählte, einen ernsten Sinn nnd eine hohe Auf-
fassung mit. Er arbeitete einige Zeit unter der Leitung
Julius Schnorr's von Carolsfeld zu Dresden, bis
er anf Schnorr's besondere Empfehlung von dem Altmeister
Peter von Corneliusin dcssen letzten Lebensjahren
noch als Schüler aufgenommen und seiner liebevollsten
Förderung gewürdigt wurde. Daneben besuchte er die
Klassen der Berliner Akademie und trug 1866 mit einer
für sein Alter merkwürdig tiefen und reifen Darstellung,
der letzten Scene aus Schiller's Braut von Messina, in der
Kompositionsklasse den Preis davon.

Eine Studienreise in Schlesien, über die er, wie anch
über eine spätere und die Ergebnisse seiner Betrachtungen
auf der Pariser Weltausstellung, in Erbkam's „Zeitschrift
für das Bauwesen" Bericht erstattete, erweckte scin leb-
haftestes Jnteresse für einige aufgefundene Neste alter
Sgrafsito-Malereien, so daß er der Pflege dieser Technik,
deren vortrefflicheWirkungund zugleich großeHaltbarkeit er
an jenen Proben kennen gelernt hatte, sich hinzugeben be-
schloß. Doch suchte er den Kreis ihrer Anwendung und die
Reichhaltigkeit ihrer Mittel gegen Wie früheren Werke zu
erweitern, und schuf stch mil hartnäckigem Fleiß nnd in

unermüdlichen Versuchen. nach gründlichcm Studium
über die Natur der Materialien und die in Frage kommen-
den chemischen und physikalischen Processe ein Verfahren,
welches er in allenseinenTheilen alsseiueeigeneErfindung
in Anspruch nehmen durfte. Eine rationelle Znbereitung
und Mischung des Kalkes gab demselben eine außer-
ordentliche Härte und damit die möglichste Widerstands-
fähigkeit gegen klimatischeEinflüsse; Eisenoxhdeund andere
für den Kalk unangreifbare Substanzen ließen warme Töne
in allen Farben crreichen, nnd eine eigenthümliche Behand-
lung der Oberfläche gestattete — lediglich durch Kratzen —
die Erzeugung eines Mitteltones, der sich mit großem Vor-
theil zur inneren Zeichnung verwenden ließ und selbst in
breiten Halbschattenparthien sehr wirksam wurde. Auch das
Kalkiren der Pause wnßte er durch Anwendung chemischcr
Mittelzuvereinfachen. — Hoffentlich werden wir nächstens
das bisher geheim gehaltene Verfahren der Oeffentlichkeit
übergeben sehen.

Die erste Gelegenheit, sich in dem nengeschaffenen
Materiale zn versuchen, fand der zweinndzwanzigjährige
Künstler Anfangs 1867 in dem Treppenhause des
neuen Berliner Sophiengymnasiums. Die vier
großen Kompositionen aus dem troischen Sagenkreise, die
er dort bis zum August desselben Jahres, also vom ersten
Entwurf bis zur Vollendung in sieben Monaten, aus-
führte, und die iu chromolithographischen Nachbildungen
von der Hand seines Freundes und treuen Beistandes
Karl Becker mit einem selbstverfaßten Texte publicirt
sind, haben bcreits mehrfach an dieser Stelle Erwähnung
gefnnden.

Der fast nngetheilte und uneingeschränkte Beifall, den
diese Arbciten fanden, veranlaßte bedentende nene Auf-
träge und von Seiten des Handelsministerinms eine Em-
pfehlung des Verfahrens an die Negierungen zur Berück-
sichtigung bei der Ausstattung von öfsentlichen Neubauten.
Dem Künsiler selbst aber wurde vom Könige cin außer-
ordentliches Reisestipendium bewilligt, mit dem er auf ein
Jahr nach Jtalien gehen sollte, um die dort noch vor-
handenen älteren Sgraffiten zu studiren. Er trat in Folge
davon von der akademischen Konkurrenz, an der er zur
Erreichung desselben Zieles Theil genommen hatte, zurück,
und widniete scine Zeit bis zur Abreise der Erledigung
der übernommenen und zur Ausführung schon reifen Auf-
träge.

Diese letzten Werke des Künstlers habcn wir jüngst
dem Leser vorgeführt. Leider sollte sich die am Schlnsse
ansgesprochene Hoffnnng, daß ihm die begeisternden Ein-
drücke Jtaliens in neue, höhere Bahnen leitcn würden,
nicht erfüllen. Eine rastlose Thätigkeit, an deren Ergeb-
nissen die Leser der Zeitschrift oft theilzunehmen Gelegen-
heit gehabt, hatte die Kräfte des jugendlichen Körpers wohl
allzusehr angespannt. Jn Nom befiel ihn eine Art von
klimatischcm Fieber, in Folge desscn er sich körperlich und
geistig so schwach wie noch niemals fühlte. Er hoffte
Heilung vom Luftwechsel und begab sick nach Ncapel, zog
sich hier jedoch bei einem Ausfluge nach Sorrcnt eine
Erkältung zu und erkrankte am Typhns, dem er am 18.
Dezember erlag.

Seine Reise ist an Ausbeute, auch für seinen spcciclleren
Zweck, überaus reich gewesen. Von Seiten des Mini-
steriums ist Fürsorge gelrofsen, daß seine Reisenotizen nnd
Zeichnungen auf's sorgfältigste gesammelt und nach Berlin
geschafft werdcn, nnd es steht zu erwarten, daß sich daraus
 
Annotationen