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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Meyer, Bruno: Der Umbau des Schinkel'schen Museums in Berlin, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0082

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81

Taktgefühl, wo es sich um eine Größe wie Schinkel
handelt. Weiter:

„Nicht nur, daß dnrch dcnselben (den Anbau) eine
Hauptmittelaxe gewonnen wird, welche eine besondere Aus-
biltung der in ihr liegenden Mume verlangt," —

Wo licgt da die „Störung"? Eine Axe pflegt —mitNecht
— von den Architekten als ein Vorzug, ja bei monumen-
talen Bauten als ein Erforderniß angesehen zu werden, wie
auch in dem Ausdruck „gewonnen" vielleicht unabsichtlich
ausgesprochen liegt. Eine solche Axe, von Süd nach Nord,
wie sie der Anbau erfordern würde, hat aber der Schinkel-
sche Bau von Anbeginn, und die in ihr liegenden Ge-
bäudetheile: Freitreppe, Säulenhalle, Vestibnl, Knppel-
raum, langer oder besser breiter Hauptsaal, sind wahr-
haftig in der dominirendsten Weise „ausgebildet"!

„sondern die sämmtlichcn Lokalitäten des Nordsaal's
crhalten fortan die neue sja, sehr neuelss Bestimmung,
zwischen beiden Museen cine angemessene architektonischc
Vermittelung herzustellen;"

Nicht wahr, das muß falsch gelesen, falsch abge-
schrieben sein? Doch nein, es liegt leiderkeineTäuschung
vor, sondern die traurige Thatsache eincs wirklichen
„sachverständigen" Gutachtens.

Wie? Schinkel's Mnsemn soll zum Vestibül, zur
Vorhalle des neuen degradirt werden? Dieser un-
erreichte Meisterbau, zu dem Stüler's Werk umgekehrt
nicht einmal werth und würdig wäre, in dasselbe Ver-
hältniß zu treten?

Wie? ist es nicht schon schlimm genug, daß man
im „Publikum" dic Gewohnheit groß gezogen hat, das
alte Museum blos als Durchgang zu dem ncuen zu be-
trachten, in dem seinc Neugier und Schaulust mehr ge-
rcizt ist, und zn dem es an den drei Haupttagen durch
Schinkel's Bau den Weg zu nehmen gezwungen wird?
Solldieser auchnoch ästhetischzurEintrittshalle gestempelt,
gewissermaßen als der architektonische Septimenakkord
charakterisirt werden, der zu dem reinen Dreiklang des
ncucn Mnscums hinübcrdrängt?

Beide Museen sind sclbständig. Daß die Gebäude
cine Verbindung haben, ist bis zu demPunkte ganz vor-
theilhaft, daß dicselbe nicht hätte das eine von beiden
in sciner Eigenthümlichkeit fast vernichten dürfen. Aber
warum muß die Fiktion einer untreunbaren Einheit
beider künstlich erzeugt und genährt werde»? Warum
macht man bei der großen Verschiedenheit der von Leiden
eingeschlossenen Kunstwerke nicht beide für sich zugänglich,
»m jeden Besucher auf dem kürzesten Wege von der
Straße aus an seinen Bcstimmungsort gelangen zu
lassen? Warum öffnet man — beiläufig — nicht das
Hauplportal dcs neucu Muscums, um deu Eintretenden
den Raumcffckt, auf den es berechnet ist, empfinden zu
lassen und ihm die von dort aus lcichte Orientirung zu
crmöglichen, während bei dcm jetzigen Eintrilt durch eiue

Seitenthür eine werthvolle Sammlung lediglich als
Durchgang dient, und „unbefangeue" Besucher weder
hinein noch hinaus finden? Warum sperrt man nicht,
wie gegcu das neue, so auch gegen das alte Museum den
Straßenüberbau durch dichte Vorhänge ab, was hier zu-
dem wegen des Blendlichtes für die Bilder noch nöthiger
wäre? Dann könnte nnd dürfte von eincr „Bestimmung
zn angemessener architektonischer Vermittelung" zwischen
beiden Gebäuden keine Rede sein.

Abcr gesetzt den Fall, es würde dic „unumgänglichc
Nothwendigkeit" wirklich erwicsen, eins der Museen
dcn Anforderungen des anderen oder ihres gegenseitigen
Verhältnisses anzubequemen, — wahrlich, Stüler's Bau
müßte da eher dem Erdbodcn gleich gemacht werden, dcnn
man könnte allc Tage selbst einen besseren Ersatz dafür
finden, als daß an Schinkel's Museum anch nur ein Stcin
verschoben würde, das ein Markstein in der Geschichte
der Bauknnst ist, wie nur irgeud ein Ban in dcr Welt.

Es ist unbezeichenbar, die Veränderung der Dispo-
silion in einem solchen Gebäude zu Gunstcn der „neuen"
Bestimmung ganz harmlos und wie optimn ticlo zu
ueunen:

„eine ästhetische Forderung, welche gauz im Sinne dcs
verewigten Schinkel liegt"!
und dann mit jovialer Bonhomic fortzufahren:

„llebcrhaupt muß hier von vorn hercin der Ansicht
entgegengetreten werden, daß das Werk dieses Meisters
durch die von der Kommission vorzuschlagcnden Aende-
rungen geschädigt oder verstümmelt werden könnte.

Könnte? Also nicht einmal könnte? so sorglos tritt die
Kommission der Aenderung eines Schinkel'schen Baues
gegenüber?!

„Dieselben lassen die äußere Architektur des Ge-
bäudes unberührt und alteriren die innere Anordnnng
nur in so wcit, als die nothwendige Einführnug von Ober-
lichtbeleuchtung sie (?) vernünftiger (!!) Wcise erfordert."

Wir kennen allerdings Architekten, bei denen „äußerc
Architektur" und „innere Anordnung" zwei gcsondertc
Dinge sind, glauben aber uicht zu viel zu sagen, wcnn
wir behaupten, daß sie nicht das Zeug dazu habcn,
Schinkel's Jdeen zu folgen und seine Werke zu begreifen.

Die „Vernuuft" in dem letzten „Erforderniß" ist
wohl nicht ernsthaft gcmeint. Dcnn kein „vernünftiger"
Mensch hat es bis jetzt für unmöglich oder gar unvcr-
nünftig gehalten, kleine Kabinete, wie sie einige Zeit mit
Seitenlicht bestandeu habeu, als dieselben Kabinete mit
Oberlicht zu versehen.

Die Argumentation geht nun so wciter, daß das
kleine (mit einigen Hauptbildern behängte und schon jctzt
von oben her beleuchtete) Kompartiment zwischen Rotunde
und Uebergangsban „seiner ästhetischen Bcstimmung als
vorbereiteuder Naum für den Eintritt in ein neucS be-
bedeutendes Gebäudezu dicnen, in keiner Weise entspricht."

Man sollte meiuen, es würde demzusolge vorge-
schlagen, es als Korridor zu charakterisircn, die Bilder
 
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