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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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213

ihrem Zusammenhange mit dem Kulturleben der Vvlker.
Es sind nur Andeutnngen zu einer Geschichte der Ent-
stehung der einzelney Stilarten, deren Verbmdung in dem
einen Gedanken gegebeu ist, daß nicht die einzelneu großen
Künstlernaturen, ja nicht einmal die Künstler überhaupt,
sondern die „großen Regeneratoren der Gesellschaft" zu
neuen Epochen in der Baukunst den Jmpuls gaben. Auf
der vorgriechischen Entwicklungsstufe, in Mesopotamien,
China, Aeghpten greisen mächtige Herrscher, Neformatoren
in Religion, Politik und Sitte, bewußt und wahrnehmbar
für Alle, in den Gang der architektonischen Ereignisse ein.
Jn der griechischen und römischen Baukunst tritt dieser
persöuliche Wille weniger scharf hervor, doch sind auch
hier die Kunstformen Begleiterinnen der socialen Erschei-
nungen; der byzantiuische Kuppelbau ist wieder das Re-
sultat einer von Konstantin bis auf Justinian klar und
bestimnit verfolgten Jdee. Weiter zeigt sich die Gothik
als die bauliche Gestalt, zu welcher dcr Klerus die alte
Grundform der abendländischen Priesterkirche, die Basi-
lika, entwickelt. Es folgt die italienische Renaissance, der
Jesuitenstil, die Stile Ludwigs XIV. und XV., — alles
Ausdrücke bestimmter Strebungen und Gedanken. —
Angesichts dieses aus den Erscheinungen abstrahirten
Princips des bewegenden und leitenden Gedankens in
der Architekturgeschichte, tritt Semper an die Beurtheilung
moderner Kunstzustände, vor allem an ein Ereigniß des
Tages, die Berliner Dombankonkurrenz, heran, und darin
scheint uns die hauptsächliche Bedcutung der kleinen Schrift
zu liegen. Nicht als ob es eine so unerhört neue Wahr-
heit wäre, wenn Jemand meint, daß es der Gesammt-
leistung der Baukunst nnserers Jahrhunderts darum an
Kraft und Fülle uud Einheit gebräche, weil auch in un-
serem übrigen Leben nirgend ein wcltgesckichtlicher, mit
Bewußtsein und Konscqueuz verfolgter Gedanke hervor-
tritt. Sind wir doch alle uns desseu klar bewußt, daß
das Streben unserer Zeit auch auf anderen Gebieten nicht
in dieTiefe, sondernin dieBreite geht, daß an die Stelle
der Genialität Einzeluer die tüchtige Durchschnittsbildung
zu treten beginnt und so auch in dcr Knnst die Originali-
tät dem Eklektizismus Platz machen mußte. Aber daß
ein Mann wie Semper, nickt ein „Kunstgelehrter", son-
dern ein Baumeister und Künstler iu der besten Bedeu-
tung der Worte, solche Folgerungen unsrer jüngsten Ar-
chitektur offen gegenüber stellt, das ist nicht zu übersehen.
Jnteressant ist sckließlich die ausweichende Wendung, mit
welcher Semper an dem Projekt des „protestantischen St.
Petersdomes zu Berlin" vorübergeht. Gothisch darf er
freilich nicbt sein, darüber herrschte auch vor dem Zu-
sammentritt der Jury Klarheit und Einstimmigkeit. Was
man aber haben möchte und müßte, ist unendlick viel
schwercr zu sagen. Gelegentlich der Dombaufrage sprach
und schrieb man viel von einer „Jdee" derprotestautiscken
Kirche. Was man in Berlin und anderwärts an wirk-
lichen Bauwerken hat cntstehen sehen, flößt nickt eben die
Ueberzeugnng ein, als ob eine solcke Jdee überhaupt schon
vorhanden wäre. Wenigstens möchte man ohne Schaden
anf dieselbe verzichten, sofern man nach den Erscheinungs-
formen schließen darf, Wenn aber der Satz richtig ist,
daß die Werke der Baukunst Symbole der herrschenden
religiösen, socialen und politischen Systeme waren und
sind, so werden wir wohl noch lange auf den protestanti-
schen Dom im Lustgartcn warten. Semper zieht diese
Folgerung nicht ausdrücklick. Er sagt am Schlusse seiner

Schrift: „Man ist gegen uns Architekten mit dem Bor-
wurfe der Armuth an Erfindung zu hart, da sich nirgend
eine neue welthistorische Jdee kund giebt- Wir sind über-
zeugt, daß sich schon dieser oder jener unter unseren jungen
Kollegen befähigtzeigen würde, einer solchen Jdee, wo sie
sich wirklich Bahn bräche, das gceignete architektonische
Kleid zu verleihen. Bis es dahin kommt, mnß man sich,
so gut es gehen will, in das Alte hineinschickeu."

8n. Die hcrzoglichen Kunstsammlnngen in Gotha

sind neuerdirigs katalogisirt woxden nnd zwar das Kunstkabiuet
von Adolf Bube, die Sammlung der Gipsabgüsse von
Eduard Wolfgang, Hofbildhauer, die herzogliche Gemälde-
galerie von einem Ungenannten. Die drei Kataloge, bei
Thienemann in Gotha erschienen, werden allen kunstsinnigen
Besuchern der Stadt willkommen sein; leider ist aber der
wichtigste, welcher die Gemätde betrifft, der am sorglosesten
redigirte, voll von Druckfehlern und kunstgeschichtlichen
Schnitzern, die hent zu Tage nicht mehr vorkommen sollten.
So ist als Todesjahr Holbeiws noch 1554, als das des
Masaccio 1443 angegeben, Rembrandt muß sich noch iinmer
den Vornamen Paul gefallen lassen, statt Bazzi steht noch
Razzi, des älteren Palma Lebenszeit wird zwiscben l54t>
und 1588 gestellt, und was dergl. Jrrthümer mehr sind, die
sich bei Benutzung unserer gangbarsten kunstgeschichtlichen
Handbücher leicht hätten vermeiden lassen. Und welches Ver-
tranen soll man solcher Nachlässigkeit gcgenüber erst zu der
Bestimmnng der Nrheberschaft der katalogisirten Gemälde
haben?

* Von dcn berühmten Bildcrn von Fraus Hals im Nath-
banse zn Haarlem wird durch den dortigen Photographen
H. P. N. 't Hooft eine Publikation vorbereitet, welchc diese
bisber in weiteren Kreisen wenig bekannten Hauptwerke des
Meisters dem kunstfreundlichen Publikum zugänglicher machen
soll. Der Preis der acht sigurcnreichen Blätter ist mäßig genug
auf acht holländ. Gulden angesetzt. Zu bedauern bleibt nur,
dgß die photographischcn Aufnabmen nichl nach den Bildern
selbst, sondern auf Grund von Tuschzeichnungen derselben an-
gefertiqt werden. Gerade bei diesem Meister ist die breite, ge-
niale Pinselführung für den Eindruck der Bilder so charaktc-
ristisch, daß wir fürchten, es werde durch das Dazwischen-
trcten des Zeichners der Hauptrei; der Rachbildung verloreu
gehen. Wie vortrefflich die Bilder von Fr. Hals für direkte
vhotograpbische Aufnabmen sich eignen, können u. A. einige
kürzlich bei E. Fierlants in Brüssel angefertigte Photographien
nach der berühmten „Hille Bobbe" der Galerie Suermondt
bezeugen.

Prrsonal-Nachrichten.

-j- Berlin. Es scheint sich zu bestätigen, daß der königl.
Deichbauplmann Herr von Dackroeden zum Genergldirektor
der Museen gemacht werden soll. Vielleicht ist die definitive
Ernennung bereits ersolgt.

-s- Prof. Martin Gropius ist zum Direktor der mit der
Berliner Akadcinie der bildenden Künste verbundenen Kunst-
gewcrkfchule und gleichzeitig zum Senatmitgliede ernannt wor-
den; letzteres, wie wir hören, da der Senat sclber es auf
Anfrage als Nothwcndigkeit für die Aufrechterhaltung des
organischen Zusammenhanges zwischen beiden Jnslitutcn er-
klärt hat, daß der Leitcr der Kunstgcwerkschule zugleich Sitz
und Stimme im Senat babe. — Sowohl an den Beginn
ciner Aenderung in den bisherigen akademischen Berhältmssen
wie an die auf's Lebhafteste zu billigende Wahl der zu dem
neuen Posten ersehenen Persönlichkeit knüpfen sich vielleicht
begründete Hoffnungen für ein allmähliches Einlenken unserer
Kunstverwaltung auf den Weg heilsamer Rcformen, oder
wenigstens überhaupt ciner erkennbaren Thätigkeit

Lmistvereiiic, Sammimigeii nnd Äusstrllmigeii.

« Die Verbindung fiir hiftorische Kiinst hielt iu dcu
4.ageu vom 24. 26. Angust in Münchcn ihre elfte Haupt-
versammlung ab. Prafidcnt der Berhandlungen war, wie
fruher wiederholt, Herr v. Goßler aus Königsberg, zum
 
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