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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Berliner Ausstellungen

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BERLINER AUSSTELLUNGEN

Programmgemäß haben sich die Kunstsalons Berlins
um die Zeit der Herbst-Aequinoktien wieder zum Wort
gemeldet. Bei Schulte gab es zunächst eine Ouvertüre mit
temperamentvollen Bildern, namentlich frischen Interieur-
Beleuchtungsstudien, des Russen Leonid Pasternak, mit
einer interessanten Kollektion des Finnen Axel Gallen und
kühnen neoimpressionistischen Trümpfen von Christian
Kohl/s, der in der freien Luft der Osthaus-Stadt Hagen
die letzten Bande fernerer Form- und Farbenscheu ab-
gelegt hat, aber gerade durch dieses unbekümmerte und
rücksichtslose Anpacken malerischer Urprobleme fesselt.
Darauf ist jetzt bei Schulte ein abwechselungsreicher erster
Akt gefolgt, der uns in seinen Hauptpartien spanisch
kommt, und dieser zerfällt wiederum in eine klassische und
eine moderne Szene: dort die alten Meister der aparten
Gemäldesammlung Ignaclo Zuloagas, hier ein paar junge
Hispanier, die auf Zuloagas Spuren wandeln. Obenan
stehen einige Stücke von Goya, drei Porträts (die Her-
zogin von Baena, der Pfarrer von Chinchoe, Ooyas Bru-
der, und der General Palafox) von mittleren Qualitäten,
daneben aber drei glänzende Skizzen, die von Kriegs-
schrecken, Uberfall und anderen Mordgeschichten erzählen,
fabelhafte Visionen von Blut, Grauen und Leichen, mit
jagendem Pinsel in breiten Impressionistenstrichen hin-
gehauen. Weiter merkwürdige Bilder von Domenico Theo-
tocopuli genannt // Greco, von Luis de Morales genannt
// Dtvlno, ein delikat gemaltes Stilleben von Zurbaran,
ein Damenporträt von Careno dt Miranda im Velazquez-
geschmack und einiges andere. Von den Modernen stellt
sich Claudio Castelucho mit einer ganzen Kollektion breit
gemalter Porträts, Frauenstudien, Tänzerinnengruppen und
Kinderszenen von effektvoll kontrastierenden Farbenflächen
und virtuos behandelten Lichtüberraschungen vor. Am
zurückhaltendsten und darum am solidesten ist Castelucho
in den Kinderbildern, die von fern darauf deuten, daß er
eine Zeitlang in Paris zum Kreise Whistlers gehört hat.
Jose Maria Lochoz Mezquita fällt mit seinen Figurenbildern
und Landschaften gegen Castelucho ab; nur die lebens-
große Gruppe seiner Freunde, die er auf einer Leinwand
von mehreren Quadratmetern vereinigt hat, weist auf
stärkere Qualitäten. Unter den Deutschen stellt sich eine
neue Vereinigung vor: * Klub Berliner Landschafter«, sechs
jüngere Künstler, die sich unter dem Banner einer ge-
mäßigten Modernität gefunden haben. Am meisten inter-
essierten dabei die vortrefflichen Hafenbilder aus Hamburg
und Genua von Leonhard Sandrock, die feinen kleinen
Aquarelle von Hans Klohß und ein paar gut gesehene
märkische Wasserlandschaften von Alfred Lledtke. Außer-
dem gehören zu der Gruppe noch Karl Wendel, Ernst Kolbe
und der frühere Brachtschüler Hans Hartig. Das letzte
Wort ist nirgends gefunden, aber das ganze Sextett treibt
eine sympathische, ehrlich ringende Malerei. Schließlich
findet man einen ganzen Saal mit Bildern und Zeichnungen
von Karl Friedrich Hausmann, dem 1886 verstorbenen
hessischen Maler, den die Jahrhundertausstellung aus un-
verdienter Vergessenheit ans Licht gezogen, und dem so-
eben Emil Schäfter eine liebevolle Studie gewidmet hat
(bei Julius Bard-Berlin). Hausmann bewährt sich hier
abermals als einer der besten Franzosenschüler der fünf-
ziger und sechziger Jahre und als ein Meister intimer Ton-
malerei mit einem noch von Delacroix stammenden kolo-
ristischen Einschlag.

Einen großen Trumph hat zum Beginn des Kunst-
winters Cassirer mit der Ausstellung der Sammlung Faure
aus Paris ausgespielt, die ihr Besitzer zuerst im Frühjahr
bei Durand-Ruel und dann im Sommer in London zur

Schau und zum Kauf stellte. Es sind nicht weniger als
zwei Dutzend Manets aus der besten Zeit, die der alte
Faure mit guter Witterung in den Jahren erwarb, als der
Impressionismus seine ersten Schlachten schlug. Eine
Jugendarbeit, ein Kinderkopf von 1856, macht den Beginn.
Es folgen zwei Louvrekopien nach Tizian und Velazquez,
der ganz spanische Absinthtrinker, der 1853 vom Salon
refüsiert wurde, der Sänger von 1864, das spanisch-hollän-
dische Meisterbild von 1873: »Le bon Bock«, ein paar
weitere Porträts, wie der lesende Mann und das jüngere,
trockene Bildnis Rocheforts, mehrere frühe Landschaften
und Seestücke, in denen sich die kommende Helligkeits-
periode schon ankündigt und unter denen das Bild der
Seeleute im schwankenden Boot das machtvollste ist, und
wundervolle Stilleben. Auch der »Frühling« ist da, das
reizende erste Glied der unvollendet gebliebenen Jahres-
zeitenserie (1881), und der herrliche Blick auf das Landhaus
Labiches in Rueil, das aus grünen Büschen und bläulichen
Schatten in heller Sonne hervorleuchtet. Eine Ergänzung
zu dieser einzigen Manetkollektion bilden sechzehn Bilder
Claude Monets, wiederum in der Hauptsache ältere Arbei-
ten, die neben der elementaren malerischen Kraft Manets
das weichere, aber auch beweglichere, sensiblere Tem-
perament seines großen Freundes erkennen lassen. Am
schönsten sind ein Blick auf Paris vom Louvre aus (1867)
mit fein gedämpftem Licht, ein Londoner Bildchen von
1871, die Fischer auf der Seine, mit einem delikaten Klang
von Grün und Rosabraun, und eine kostbare, von flimmern-
dem Sonnengold überstreute Ansicht des Boulevard des
Capuzines mit dem Gewimmel der Wagen und Fußgänger.
Ein großes Gartenbild von 1882 ist von kühner, aber
harter Buntheit. Einige zugleich ausgestellte Bilder von
Heinrich Hühner und Georg Mosson haben daneben einen
unmöglichen Stand. Eine Probestudie, ein Interieur von
Hübner ist sehr frisch und ein Blumenstilleben von Mosson
an einer Vase recht geschmackvoll, — wenn man nicht
gerade von den französischen Meistern und Mustern
kommt, nach denen die Deutschen roh und unkultiviert
wirken. Flotte Zeichnungen sieht man von Willy Schwarz
(München).

Gurlllt hat mit einer Max Klingerausstellung eröffnet.
Sie bringt zunächst einige der Gemälde Klingers aus seiner
besten Malerzeit, den achtziger Jahren, und man freut sich,
sie wieder einmal beisammen zu sehen. Die glänzende
Liebesszene der Sirene und der Triton auf hoher See, die
nackte Schöne, die ausgestreckt am Strande liegt, die außer-
ordentlichen römischen Studien mit den schlanken Ita-
lienerinnen, die auf einem Balkon oder einem Dach gegen
die schimmernde Luft leuchtender Tage sitzen — das alles
deutet darauf, daß sich in diesem jungen Klinger tatsäch-
lich so etwas wie eine Verschmelzung der beiden großen
Hauptelemente der modernen Kunst vorbereitete: eine
Vermählung des Freilichts mit der Böcklinschen Raum-
kunst. Er hat die malerischen Versprechungen von damals
nicht eingelöst. Unter den Zeichnungen findet man das
ziemlich unbekannte Blatt »Das Bad«, eine felsige Bucht
mit zwei Schönen, die eine in einem Entkleidungsstadium
von ropsischer Pikanterie, die Naturstudie zu der Radierung
»Die Chaussee«, »Lilis Park«, in der Behandlung des Land-
schaftlichen an den Handschuhzyklus erinnernd, und die
orientalischen »Wasserträgerinnen«. Unter den Radierungen
manche seltenen Blätter, wie das ganz Stauffer-Bernsche
Hündchen Tjou-Tjou, und erste Zustände bekannter Ar-
beiten. Den Rahmen dieser Klinger-Ausstellung bei Gur-
litt bildet eine hübsche Kollektion: ein paar Courbets (ein
famoser Stier; eine Ansicht des Schlosses Chillon, heller
als das bekannte Bild), ein junges Mädchen in Rot von
Whistler, einige Proben der Kunst Otto Scholderers (nicht
 
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