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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Schumann, Paul: Dresdener Brief, [2]
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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVIII. Jahrgang 1906/1907 Nr. 27. 31. Mai.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

DRESDENER BRIEF

Wenn wir heute in erster Linie von der ver-
flossenen Gartenbauausstellung sprechen, so tun wir
dies nicht, weil sie ein künstlerisches Ereignis war,
sondern weil sie leider keines war. Die schöne Ge-
legenheit, Kunstempfinden zu zeigen, kunsterzieherisch
zu wirken, hat man wieder ungenützt vorübergehen
lassen. Der Fachmann versteht unter Gartenbau nur
Pflanzenzucht zum Unterschied von Pflanzenverwen-
dung, das ist Gartengestaltung. Die Dresdener Garten-
bauausstellung aber war ihrem Namen gemäß ganz
einseitig eine Schau gezüchteter Pflanzen, besonders
Blumen, die wie üblich in unkünstlerischer Weise in
großen Massen nebeneinander — zu Farbenbatzen —
angehäuft waren, dazu kamen einige Panoramen als
Schaustücke für das große Publikum, unter denen
eine kaukasische Landschaft mit Kiefern, Rhododendren
usw. noch am ehesten erträglich war. Der Besuch
der Ausstellung war eine Qual. Binnen acht Tagen
haben sich über 250000 Menschen durch die Aus-
stellungsräume hindurchgedrängt. Man wurde nur
vorwärts geschoben. In qualvoll fürchterlicher Enge
zusammengekeilt, in der großen Hitze schwitzend,
wälzte sich der Menschenstrom vorwärts; stehen bleiben,
schauen, genießen war unmöglich und gefährlich.
Warum diese Qual? Weil man die Ausstellung eben
ganz einseitig auf die Züchterei zugeschnitten und
auf acht Tage zusammengedrängt hat, anstatt aus dem
Nebeneinander ein Nacheinander zu machen und der
Ausstellung auch die wünschenswerte Vielseitigkeit zu
geben.

Während der Ausstellung tagte in Dresden der
Verein deutscher Gartenkünstler. Natürlich konnte
man nicht umhin, das Verhältnis der Gartenkünstler
zu den Architekten und Malern zu besprechen. Da
konnte man die Ansicht vertreten hören, wir brauchen
die Künstler nicht, wir sind selbst Künstler genug.
Und dabei brauchten die Herren doch nur aus dem
Saale herauszutreten und sich auf dem Vorplatz vor
dem Sächsischen Hause vom Gegenteil zu überzeugen.
Dachte man zurück, wie dieser mit Terrassen ver-
sehene Vorplatz im vorigen Jahre aussah, als ihn der
Architekt Professor Wilhelm Kreis angeordnet hatte,
so konnte man auf den Gedanken kommen, man
hätte zu dem künstlerischen Beispiel vom vorigen
Jahre diesmal ein unkünstlerisches Gegenbeispiel zeigen

wollen. Voriges Jahr war der Platz großzügig und
geschlossen angeordnet, wenige geschickt hingestellte
Bäume, Sträucher, Blumen und Bildwerke gaben einen
bedeutenden Eindruck und hoben die Form der An-
lage kräftig heraus. Diesmal war alles in Formen
und Farben zerstückelt, der ganze Gesamteindruck
zerstört. Wieviel besser wäre es gewesen, wenn
man einen Künstler zur »PflanzenVerwendung« hinzu-
gezogen hätte! Denselben Eindruck mangelnder
künstlerischer und einheitlicher Grundgedanken hatte
man mit wenigen Ausnahmen bei den ausgestellten
Plänen zu Gärten. Zumeist war das Gelände planlos
zerstückelt, jede weite Aussicht durch willkürliche
Anpflanzung von Sträuchern verhindert; Terrassen,
schöne weite Flächen, wirkliche Ruheplätze, wo man
ungestört sitzen und genießen konnte, suchte man
meist vergeblich. Die Wege aber führten planlos in
der Irre umher, sogar ' die berüchtigten Meyerschen
Brezelwege konnte man wieder sehen. Das war eine
üble Illustration zu den großen Worten der Garten-
künstler! Wieviel besser als so viele andere waren
dagegen die Zeichnungen zu einem Dresdener Villen-
grundstück, die gemeinsame Arbeit des Architekten
Professor Tscharmann und des Garteningenieurs J. P.
Großmann! Wir wollen hier gar nicht die Streitfrage,
ob architektonischer Garten oder landschaftliche Garten-
gestaltung vorzuziehen sei, aufrollen. Sicher und
auch von verständigen Fachleuten zugegeben wird,
daß »die Gestaltung nach natürlichen Motiven be-
sonders in kleinen Gärten verödet war, nicht reicher,
sondern ärmer als ein gleich großes Stück Natur
hätte sein können«. Daß dem noch heute so ist,
davon lieferten die meisten ausgestellten Pläne der
Dresdener Ausstellung erneut den Beweis. Der Fort-
schritt kann natürlich nicht darin bestehen, daß man
streng an den alten Lenne-Meyerschen Grundsätzen
festhält, sondern daß man Veraltetes davon abstößt
und Lebensfähiges von den neuen Ideen aufnimmt.
Künstler und Gärtner sollten immer miteinander gehen,
anstatt einander zu bekämpfen, künstlerische Gesichts-
punkte und Materialkenntnis dem gemeinsamen Ziel
dienstbar machen.

Das Kunstgewerbe war auf der Ausstellung größten-
teils in abschreckender Weise vertreten; teils durch
plumpe Medaillen — mit einer Ausnahme — und
durch sonstige künstlerisch unmögliche Preise, teils
durch Blumentische, Ständer und besonders Natur-
 
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