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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVIII. Jahrgang 1906/1907 Nr. 23. 26.*April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbcblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

LITE RAT URNUMMER

Die Gemäldegalerie des Prado in Madrid. In 14 Lie-
ferungen mit je 6 Photogravüren von größtem Format
(40X55 cm). Verlag von Franz Hanfstaengl, München.
Eine groß angelegte Publikation der Prado-Galerie
beginnt bei F. Hanfstaengl zu erscheinen. Die erste
Lieferung liegt vor und das Verzeichnis der 84 Gemälde,
die im ganzen abgebildet werden sollen. Die wohl-
überlegte Auswahl wird das Beste aus der übergroßen
Sammlung geben, das Besondere namentlich. Die Ver-
öffentlichung erscheint um so erwünschter, als die Madrider
Galerie noch immer nicht in demselben Grade wie die
übrigen großen Galerien Europas, von St. Petersburg ab-
gesehen, der Kulturwelt bekannt ist. Die Heliogravüre
großen Maßstabs und in so vollkommener Ausführung
eignet sich ganz besonders zur Reproduktion der rein
malerischen Schöpfungen. Der Prado gehört nicht zu den
allseitigen, kunstgeschichtlich vollständigen Museen, wie
etwa die Londoner National Gallery, der Louvre und das
Kaiser-Friedrich-Museum, aber sie besitzt unbestrittene
Überlegenheiten, insofern Rubens, Tizian und Velazquez
überreich vertreten sind. Nicht moderne Bildung hat diese
Galerie geschaffen, wie die Galerien in London und Berlin,
nicht die fürstliche Sammelleidenschaft des 18. Jahrhunderts,
wie die Galerien in Dresden und Kassel, vielmehr die
Kunstliebe der in Spanien seit dem 16. Jahrhundert herr-
schenden Könige. Der Geist der Feudalität, Ehrfurcht
heischend, lebt in diesem Museum, das geworden, nicht künst-
lich geschaffen erscheint, wie die anderen Museen. Ein
besonderer Vorzug ist schließlich der ausgezeichnete Zu-
stand der Bilder, die nicht vernachlässigt sind und an denen
nicht zu viel getan ist.

Unsere Publikation soll je ein Bild bringen von Bosch,
Patinir, Mor, Coello, Correggio, Lotto, Tiepolo, Ribera,
Jordaens, Rembrandt, zwei von Paolo Veronese, je drei von
van Dyck und Dürer, vier von Goya, sechs von Rubens,
neun von Murillo, zwölf von Tizian und von Velazquez —
achtundzwanzig. Bosch und Patinir erinnern an die Vor-
liebe Philipps II. für gewisse Äußerungen der altnieder-
ländischen Malerei. Mor und Coello waren im 16. Jahr-
hundert am spanischen Hofe tätig. Tizian war der bevor-
zugte Maler Karls V. Die Maler aus den spanischen
Niederlanden sind gut, die aus dem feindlichen Holland
fast gar nicht vertreten. Rubens hat in Madrid viel ge-
schaffen. Für das italienische Quattrocento interessierte
man sich wenig im 16. und 17. Jahrhundert. Von dem
berühmtesten aller Maler, von Raffael, wußten sich die
königlichen Kunstfreunde eine Reihe bedeutender Schöp-
fungen zu verschaffen. Die malerische Kunst der Venezia-
ner lag den Spaniern nahe.

Die Spanier Ribera, Murillo, Goya sind natürlich

besser als irgendwo vertreten und von Velazquez ist mehr
als die Hälfte des Lebenswerkes in einem Räume des Prado
beieinander.

Die erste Mappe enthält nur Schöpfungen des Velazquez.

1. Das Reiterbildnis des Prinzen Balthasar Carlos.

2. Das Gruppenporträt, die Familie des Königs im
Atelier des Malers, las Meninas.

3. Die Gesellschaft der Trinker, los Borrachos.

4. Der Hofnarr mit dem Beinamen Don Juan de Austria.

5. Der Hofzwerg mit dem Beinamen Don Antonio ei
ingles.

6. Die Schmiede Vulkans.

Die verschiedenen Aufgaben, die der Kunst des Ve-
lazquez gestellt wurden, werden schon in diesen sechs
Meisterwerken offenbar. Die freien Kompositionen des
mythologischen Genres und das Bildnis in mehreren Spiel-
arten, das Repräsentationsporträt, das Gruppenbildnis, das
zugleich Historienbild und Genrebild ist, schließlich das
humoristisch charakterisierende Porträt der höfischen Spaß-
macher und Zwerge.

Jedes dieser Werke hat jene echte Originalität, die
das Genie seinen Hervorbringungen verleiht. Auch die
früheren Arbeiten haben diese Einzigartigkeit, obwohl da
das zeitlich und örtlich Bedingte, der Zusammenhang mit
anderen spanischen Malern, mif älteren und gleichaltrigen,
erkennbar wird. Mit den späteren Werken ragt Velazquez,
stets wachsend, in die Sphäre des Zeitlosen und Allgemein-
gültigen. Das älteste Bild in dieser Reihe sind die 1628
entstandenen Trinker, echt spanische Figuren aus dem
niederen Volke, prachtvoll nach dem Leben gezeichnet
und energisch modelliert, ähnlich, aber besser und leichter
als Ribera solche Gestalten malte, in vorwiegend dunklen
Tönen. Es folgt die italienische Reise, die den Spanier
nicht zum Akademiker machte, nicht an dieses oder jenes
Vorbild band, vielmehr seine Kräfte frei machte. 1630, in
Italien schuf Velazquez die Schmiede Vulkans, wieder ein
mythologisches Thema, an die Grenze des Genrehaften
gerückt. Die Vergleichung mit den Trinkern ist lehrreich.
Der Umschwung überraschend. Die geschmeidigen nack-
ten Figuren der Schmiede erscheinen licht und erinnern
nur noch an andere Schöpfungen ihres Meisters. Das
Reiterbildnis des Prinzen stammt etwa von 1636, der Zwerg
mit dem großen Hunde, wie eine Parodie auf die feier-
lichen Repräsentationsbildnisse, und die Komödienfigur
des mageren Don Juan de Austria sind noch etwas später
entstanden. Das berühmte Meisterwerk der Meniflas
endlich zeigt den Maler auf der letzten Höhe. Es mag
1655 gemalt sein.

Wem es nicht vergönnt wird, Velazquez im Prado zu
genießen, der vermag sich vor diesen herrlichen Reproduk-
 
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