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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Nekrologe — Denkmalpflege — Denkmäler und Funde

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NEKROLOGE
St. Petersburg. Der Architekt Boris Konecki ist

in jugendlichem Alter gestorben. Petersburg verliert in
ihm einen Künstler von außerordentlicher Begabung, auf
die allerseits die größten Hoffnungen gesetzt wurden. Wie
sehr diese Hoffnungen berechtigt waren, beweist die von
Konecki geleitete Ausstattung der neuen Säle des bekannten
Restaurants Palkin. —chm—

Brüssel. Ein in der ganzen Welt bekannter Kunst-
restaurator und Auktionator ist in der Person von Henry
Le Roy hierselbst vom Leben geschieden. Geboren 1815
in einer Familie, in der die Kunst und ihre Ausübung zur
Tradition geworden waren, widmete er selbst sich eben-
falls der künstlerischen Laufbahn, aber namentlich als Res-
taurator, in welchen Beruf er sich mit seinem Bruder Etienne
teilte; seine übrigen drei Brüder Pierre, Joseph und Willems
wurden ausübende Künstler. Er war der erste, der in Bel-
gien die Transposition der Gemälde versuchte und damit
viele anscheinend verlorene Werke rettete. a. r.

DENKMALPFLEGE
Brüssel. Aus Antwerpen kommt die Schreckenskunde,
daß höchst wahrscheinlich die berühmten Fresken von
Henri Leys im Rathause verloren sind, sobald die Stadt
dabei beharrt, die angekündigte Restaurierung derselben
vornehmen zu lassen. Eine scharfe und treffende Note,
die Charles-Leon Cardon in der »Art Moderne« über den
Gegenstand veröffentlicht, läßt leider über die Gewißheit
keinen Zweifel, daß den Fresken von Leys in der einen
oder anderen Form der Tod droht. Bereits sind die im
Speisesaal des Rathauses befindlichen Wandbilder nur noch
der Schatten des Einst, obwohl eine kundige Hand sie
restauriert hat. Leys hatte für die Ausführung seiner genia-
len Wandbilder die Wasserglasmethode verworfen, und
um seinen Farben Leuchtkraft zu geben, mit Wachs und
Gummizusätzen gearbeitet. Dazu kam der schlechte Unter-
grund der Wandflächen selbst, die seit Jahrzehnten kleine
Partikel abstoßen. Der verstorbene Maler Vinck, Schüler
von Leys und mit dem von seinem Meister verwendeten
Material sehr vertraut, war fast beständig beschäftigt, die
bröckelnden Stellen auszubessern. Hier und dort hat sich
die Farbe zu Pulver aufgerieben, weil sie nicht in das
Wandmaterial einzudringen vermochte. Ein Reinigen oder
Abstäuben der Fresken würde die unmittelbare Abdeckung
zahlreicher Bilderfragmente zur Folge haben. Wer hätte
den Mut, dieselben neu zu malen? Die Wandschildereien
des großen Malers, seit 1869 dem Publikum zugängig,
machen augenblicklich noch einen schönen Gesamteindruck,
denn die Zeit hat eine milde, gut abgetönte Patina dar-
über ausgebreitet. Für Cardon gibt es nur ein Mittel, sie
in der schönen Harmonie von heute zu erhalten: sie
unter Glas zu setzen und sie damit gegen Staub und
Feuchtigkeit zu schützen. Alle anderen Arten der Er-
haltung würden eine unaufhaltbare gänzliche Zerstörung
herbeiführen. X. r.

DENKMÄLER
X Brunnendenkmal der Sendlinger Bauern-
schlacht. Anläßlich des 200. Jahrestages der Mordweih-
nacht am Sendlinger Oberfeld ward die Errichtung eines
Brunnens gegenüber der alten Sendlinger Kirche beschlossen.
Zu dem ausgeschriebenen Wettbewerb gingen 57 Entwürfe
ein. Das Preisgericht entschied sich für die Zuerkennung
von vier gleichen Preisen von 750 Mark. Bedacht wurden
die Entwürfe Nr. 9 {Karl Sattler und Karl Elbinghaus),
Nr. 11 (Simon Liebl), Nr. 45 [Georg Albertshofer und Ger-
man Bestelmeyer), Nr. 50 (L. Kindler). Zur Ausführung ge-

langt jedoch Entwurf Nr. 8 (Karl Sattler und K Elbing-
haus), der deshalb nicht preisgekrönt wurde, weil er einen
anderen als den im Preisausschreiben bestimmten Platz
vorgesehen hatte. Die Jury erkannte jedoch an, daß dieser
neugewählte Platz sich vorzüglich für die Aufstellung des
Denkmals eigne, und hat daher den Entwurf Nr. 8 an
erster Stelle zur Ausführung empfohlen. Die eingelaufenen
Arbeiten wurden vom 23. bis 29. November im Rathaus-
saale ausgestellt.

Berlin. In dem Wettbewerb um das Mommsen-
denkmal ist der Entwurf von Professor Briitt zur Aus-
führung bestimmt worden. Derselbe zeigt den Gelehrten
auf einem hohen Sessel.

FUNDE

Eine neue Niobide. Der Köln. Ztg. wird aus Rom
berichtet, daß im vergangenen Sommer eine neue Niobide
ausgegraben wurde, die bisher nur einigen archäologischen
Fachleuten bekannt geworden ist. Das Kunstwerk ist auf
einem Baugrundstück zwischen Porta Pia und Porta Salaria,
das von der Via Flavia und Piazza Sallustiana begrenzt
wird, gefunden worden. Nach der herkömmlichen antiken
Topographie gehörte die Stelle wohl zu den Gärten des
Sallust und lag zwischen dem Tempel der Venus Erycina
und dem Campus Sceleratus. Bei Ausschachtung des Bau-
grundes fand man in einem gewölbten Kellerraum unter
Schutt die Marmorstatue, deren rechter Arm abgebrochen
war. Außer einigen Beschädigungen an den Fingern, der
Nasenspitze und Oberlippe ist das Kunstwerk vortrefflich er-
halten. Das Material scheint parischer Marmor zu sein. An
den etwas oberflächlich behandelten Haaren glaubt man
Spuren von Farbe erkennen zu können. Aus der Behandlung
der Rückenfläche läßt sich dagegen schließen, daß diese
Figur mit noch einer anderen zu einer Gruppe gehört haben
muß, deren Hauptfront nach der rechten Seite zu gewesen
ist. Seinem Stil nach erscheint das Werk als echt grie-
chisch und stammt aus dem 5. oder 4. Jahrhundert v. Chr.
Die Gestalt der Niobide ist lebensgroß und von jungfräu-
licher Anmut. Das Mädchen ist ins linke Knie gesunken
mit vorwärts ausschreitendem rechten Bein und leicht
rückwärts gebogenem Oberkörper, wodurch in sehr natürlich
beredter Weise ausgedrückt ist, daß es im Vorwärtseilen
oder Fliehen plötzlich durch ein von hinten kommendes
Geschoß getroffen und der Kraft beraubt worden ist. Das
Gewand ist herabgesunken und gibt den Oberkörper frei.
Der linke Arm ist nach unten rückwärts gebogen, die
Hand, die das Gewand noch hält, bedeckt damit die Stelle,
wo offenbar das Geschoß gerade unter den Schulterblättern
in den Rücken eingedrungen ist. Der rechte Arm, der das
Gewand nach vorn hat fallen lassen, ist hoch erhoben und
dicht am Kopf rückwärts hinuntergebogen, so daß die rechte
Hand über die Schulter weg ungefähr die verwundete
Stelle erreicht, offenbar in der Absicht, den Pfeil heraus-
zuziehen. Die Gesamtbewegung des edelgeformten Körpers
ist von lebendigstem Ausdruck, die Linienführung von
größter Eleganz und Klarheit. Das Gesicht zeigt nach
echter Griechenart keine schmerzentstellten Züge, sondern
ist von regelmäßiger jugendlicher Schönheit, die Augen sind
weit geöffnet, der Mund ist wie zu einem Schmerzenslaut ein
wenig verzogen. Beachtenswert ist die Durchbohrung des
Ohrläppchens, die auf Schmuck deutet. Die Figur ist vor-
läufig in der Banca Commerciale in Rom untergebracht
und dürfte bald in außerordentlicher Weise die kunstver-
ständige Welt, im besonderen alle Archäologen von Fach
lebhaft beschäftigen. Vor allem ist es vor der Hand noch
zweifelhaft, ob diese Statue der berühmten Niobidengruppe
des Skopas, die man im 16. Jahrhundert etwa 1 km weiter
südlich auf dem Esquilin gefunden hat, zuzurechnen ist.
 
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