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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0140

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2Ö1

Nekrologe

262

Der Stifter ist der Maler Etienne Moreau-Nelaton,
der sich auch als Kunstschriftsteller durch mehrere
ausgezeichnete Arbeiten, besonders durch die definitive
Biographie Corots hervorgetan hat. Ein großer und
vielleicht der wertvollste Teil der Sammlung ist aber
nicht von dem Stifter, sondern von seinem Großvater
Adolph Moreau zusammengebracht worden, der, wie
sein Enkel, einige kunstgeschichtliche Studien verfaßt
hat. Dieser ältere Moreau stand in nahen Beziehungen
zu Malern, die wir jetzt zu den Führern der neueren
Malerei rechnen, die aber zu jener Zeit noch stark
angezweifelt und bekämpft wurden. Er erwarb eine
ganze Anzahl Corots, mehrere Delacroix, einen Geri-
cault, mehrere Decamps usw. Sein Sohn fügte der
Sammlung einige wenige neue Nummern ohne Be-
deutung hinzu und bestimmte in seinem Testament,
daß das damals bedeutendste Stück der Sammlung,
die Barke des Don Juan von Delacroix, dem Louvre
übergeben würde. Der Enkel, der jetzt seine Samm-
lung hergegeben hat, sammelte Impressionisten und
erwarb einige der bedeutendsten und bekanntesten
Werke dieser Schule. So befindet sich in seiner
Sammlung das »Frühstück im Grünen« von Manet,
vielleicht das bemerkenswerteste und wichtigste aller
Arbeiten Manets überhaupt. Von Claude Monet sind
aus seiner besten Zeit, vom Anfange der siebziger
Jahre ganz köstliche Stücke da, himmelweit entfernt
von den fabrikmäßig hingestrichenen Erzeugnissen der
letzten zehn oder fünfzehn Jahre. Ebenso sind Pissarro
und Sisley mit Proben aus ihrer guten Zeit vertreten.
Von Carriere sind zwei seiner besten Sachen da aus
der Zeit, wo er noch nicht ganz monoton grau ge-
worden war, sondern wo er mit einem zarten rosigen
Fleck die wunderbarsten farbigen Wirkungen erreichte.

Es sind im ganzen 189 Arbeiten, die dem Louvre
zugefallen sind, davon hundert Ölgemälde, der Rest
Aquarelle und Zeichnungen. Außer den schon ge-
nannten seien noch erwähnt: der Soldatenmaler Charlat
mit dem Bildnis des Revolutionärs Merlin von Thion-
ville, Chasseriau, der Vorläufer von Puvis de Cha-
vannes, mit einer großen dekorativen Malerei, die um
so interessanter ist, als sie bis zu seinem Tode Puvis
gehört hat, Corot mit 37 Ölgemälden und 18 Zeich-
nungen, dabei ganz vortreffliche Sachen aus seiner
frühen italienischen Zeit und für seine Entwickelung
sehr wichtige Porträts, die er als Zwanzigjähriger
gemalt hat, Daumier mit einem Ölgemälde, das er zu
einer Konkurrenz im Jahre 1848 gemalt hatte, als die
Regierung der jungen Republik eine ideale DaN
Stellung der Republik verlangte. Decamps mit sechs
Gemälden, darunter die berühmte, durch den Holz-
schnitt und Stich allenthalben bekannt gewordene
türkische Schule, aus deren Tür die ausgelassene
Kinderschar stürmt, Delacroix mit elf Ölgemälden,
sechs Aquarellen, vier Zeichnungen und einem Pastell,
darunter mehrere bedeutende Gemälde und eine Wieder-
holung des im Louvre hängenden Einzuges der Kreuz-
fahrer in Konstantinopel, Diaz mit zwei seiner kolo-
ristisch so ansprechenden Frauengruppen im Walde,
Fantin-Latour mit einem Stilleben und mit einem
seiner großen, weltbekannten Gruppenbilder der

»Huldigung für Delacroix«, wo man Whistler, Manet,
Fantin und einige andere Maler und Schriftsteller vor
dem Porträt des Meisters vereinigt sieht, Gericault
mit der Skizze zu seinem epochemachenden Floß der
Meduse, Jongkind, der ausgezeichnete holländische
Marinemaler und Landschafter, der mit Boudin und
Cals die Verbindung zwischen den Landschaftern von
Barbizon und den Impressionisten herstellt, mit einem
Ölgemälde und zehn seiner unvergleichlich schönen
Aquarelle, Constantin Guys, der wie Jongkind damit
zum erstenmal in ein Pariser Museum einzieht, mit
einem Aquarell und zwei Zeichnungen, die gleichsam
die Quintessenz des gesellschaftlichen Lebens im
zweiten Kaiserreich enthalten. Manet mit zwei Still-
leben und einem weiblichen Porträt außer dem schon
erwähnten »Frühstück im Grünen«, Claude Monet
mit neun Ölgemälden, darunter die wunderbar schönen
Klatschrosen vom Jahre 1873 und andere Meisterwerke
aus der nämlichen Zeit, Berthe Morisot mit einem,
Pissarro mit zwei, Sisley mit sieben, Puvis de Cha-
vannes mit zwei, Troyon mit drei Ölgemälden. Unter
den Zeichnern und Aquarellisten befinden sich außer
den bereits genannten noch Eugen Boudin, vielleicht
der größte Meeresstrandmaler, den es je gegeben hat,
der vor einigen Jahren gestorbene Landschafter Cazin,
Courbet, Daubigny, Harpignies, Hervier, Ingres, Millet
und Rousseau.

Die gute Hälfte der Sammlung ist, wie schon
gesagt, von dem Großvater des gegenwärtigen Stifters
zusammengebracht worden, die andere Hälfte aber
hat Herr Moreau-Nelaton selbst erworben. Einige
der Werke sind erst in allerjüngster Zeit von ihm
erworben worden, eigens zu dem Zwecke, sie dem
Staate zu schenken, so zwei Delacroix im Jahre 1904,
drei Sisley 1906 und zwanzig andere in den letzten
fünf oder sechs Jahren. Wo sind die deutschen
Sammler, die so wie Herr Moreau-Nelaton ihren Geld-
beutel, ihre Zeit und ihre Kenntnis einzig zugunsten
eines Museums anwenden?

KARL EUOEN SCHMIDT.

NEKROLOGE

In Kopenhagen starb am 17. Februar der dänische
Genremaler Prof. Axel Heisted, nahe an 60 Jahre alt.
Sohn eines bekannten Zeichenlehrers, trieb er anfangs
Porträtkunst, malte noch in Rom den dort lebenden dä-
nischen Künstler und Mönch Albert Küchler, widmete sich
aber, seitdem das italienische Volksleben es ihm angetan,
ganz der Genremalerei. Sein erstes Meisterwerk »Vater
und Sohn« (dieser, sich erwachsen fühlend, wagt es zum
Erschrecken aller, seine Meinung gegen den Alten geltend
zu machen) hängt im Kopenhagener Kunstmuseum; ein
anderes und großes Bild »Der Rat der Stadt hält Sitzung«
(1885) in der Hamburger Kunsthalle: die Typen vom gra-
vitätischen Bürgermeister bis zu den schlichteren Bürgern
herab und der verschiedene Grad ihrer Aufmerksamkeit
dem lebhaften Redner gegenüber sind prächtig geschildert,
die Gruppierung zu einheitlichem Ganzen gesammelt. In
solchen Bildern des Spießbürgertums von oft leicht mo-
ralisierender Richtung oder etwas ironisch-satirischen Tons
fand Heisted ein großes Publikum. Der frühe Tod seiner
Gattin führte ihn auch zu ernsten Stoffen (das wehmut-
volle Selbstbildnis »ein Grübler«), eine Palästinareise
 
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