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Nekrologe
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In der Malerei sind zu nennen: die beiden sehr
schönen dekorativen Gemälde »Die Ruinen« und
»Abendruhe« von Rene Menard, das licht- und farben-
sprühende »Nachtfest« von Gaston Latouche, das vor
fünfundzwanzig Jahren gemalte gute Bildnis Clemen-
ceaus von Raffaelli, ein famoses Interieur mit drei
Kindern vor dem offenen Fenster von Lucien Simon,
das große dekorative Gemälde der »Bau- und Ingenieur-
kunst« von Victor Koos, das tüchtige Bildnis seiner
Eltern von Jean Pierre Laurens, das Dreibild aus dem
Leben der Bergleute von Emil Jonas, der Dragoner
von Roll und der leuchtende Himmel über leuchtendem
Meere von dem Norweger Diriks, einem der meist-
versprechenden jüngeren Pariser Maler.
Außerdem hat der Staat gute Zeichnungen, Litho-
graphien und Radierungen gekauft von Dethomas,
Leandre, Dauchez, Delätre, Riviere, Latenay, Raffaelli
und anderen. Alles in allem kann man mit diesen
Anschaffungen zufrieden sein, wenn man sich nämlich
auf den ziemlich allgemein angenommenen Standpunkt
stellt, daß der Staat die Künstler unterstützen und be-
lohnen soll. Verlangt man, daß er nur vorbildliche
Werke kaufe, so wird man in den Salons recht wenig
für ihn finden. Man muß sich also begnügen, wenn
er wenigstens nicht direkt schlechte und talentlose
Sachen kauft. Dies ist in früheren Jahren so oft ge-
schehen, daß es fast die Regel war, und wenn ein
Neuling im Salon fragte, was das Schildchen mit der
Aufschrift »Acquis par l'Etat« bedeute, wurde ihm
zur Antwort, das sei eine Warnungstafel, womit man
die schlechtesten Sachen im Salon bezeichne zu Nutz
und Frommen des Laienpublikums.
Nur bei den allerwenigsten von Herrn Dujardin-
Beaumetz angeschafften Arbeiten wäre eine solche
Warnungstafel am Platze. Es ist also ein Fortschritt
zu verzeichnen, und das muß man dankbar aner-
kennen.
Bei Hessele in der Rue Laffitte hat man eine
nachträgliche Ausstellung der Werke des vor zwei
Jahren verstorbenen Medailleurs Hubert Ponscarme
veranstaltet. Hubert Ponscarme, dessen erste Arbeiten
aus den vierziger Jahren datieren, ist recht eigentlich
der Vater der modernen Medaille. Zwar hatte schon
David von Angers in einigen seiner kleinen Porträts
den künftigen Weg angedeutet, aber es blieb Pons-
carme vorbehalten, mit der starren Langeweile der
Tradition auf diesem Gebiete aufzuräumen. Diese
Tradition verlangte, daß eine Medaille kreisrund war,
daß sie von einem erhöhten Rahmenrand umgeben
wurde, daß der Kopf des Dargestellten sich scharf
umrissen von einem spiegelglatt polierten Grunde
abhob. Wie gesagt, hatte schon David einige Ver-
suche gemacht, diesen alten Zopf beiseite zu setzen,
aber es war Ponscarme vorbehalten, die ganze Me-
daille zu einem einheitlichen Kunstwerke zu ge-
stalten, worin der Hintergrund eine ebenso große
Rolle spielt wie auf einem Gemälde. Seither haben
alle modernen Künstler der Medaille und der Plakette
den spiegelglatten Grund und die scharf davon ab-
getrennte Modellierung aufgegeben, und heute ist es
ganz selbstverständlich, daß die modellierten Figuren
mit dem Grunde zusammengehen müssen, daß eine
Medaille kein Metallknopf ist, wie er an einer Livree
oder Uniform das Wappen oder den Kopf des Herrn
zeigt. Ponscarme hatte eine außerordentlich weiche
Behandlung, bei der die Umrisse seiner Köpfe leise
und unmerklich mit dem Hintergrunde verfließen.
Man sieht sozusagen greifbar die Luft, welche den
Kopf des Dargestellten umgibt und denkt an die
Bildnisse Carrieres mit ihrer Dufthülle. Wahrschein-
lich weil er diese weiche Hülle liebte, hat Ponscarme
nur die wenigsten seiner Medaillen prägen lassen.
Die allermeisten sind gegossen, und sie sind Meister-
werke der Gießkunst, wobei auch die feinsten und
zartesten Nuancen von Licht und Luft wiedergegeben
sind. Das spröde Erz ist hier behandelt wie weiches
Wachs. Natürlich kann man nicht einfach der ge-
gossenen Medaille den Vorzug vor der geprägten
geben. Es wird sich stets um die Absicht des
Künstlers handeln, der einmal fest und bestimmt,
das andere Mal weich und zart auftreten will. Für
die scharf umrissene Bestimmtheit wird der Prägstock
wohl immer die beste Arbeit liefern, wo es aber
gilt, den zarten Abstufungen von Licht und Luft
nachzugehen, scheint der Guß der Prägung weit
überlegen.
Ebenfalls bei Hessele hat der Maler F. Dresel
eine kleine Ausstellung von Gemälden und Aqua-
rellen, zumeist bretonische Motive, die in einer Art
behandelt sind, die man eine Verbindung des
Münchener Museumstons mit der Naturwüchsigkeit
Lucien Simons nennen könnte. Es fehlt diesen im
übrigen recht hübschen und tüchtigen Arbeiten an
dem, was die Hauptsache in Kunst und Leben ist
und bleibt: an Persönlichkeit.
NEKROLOGE
Otto Benndorf f. In Otto Benndorf, den der erste
Tag des neuen Jahres aus einem reichen Leben abgerufen
hat, ist ein führender Geist der klassischen Archäologie
dahingeschieden. Nicht allein für die engere österreichische
Heimat war der in hohen staatlichen und Universitäts-
würden stehende Gelehrte die maßgebende Persönlich-
keit für alles, was in das Gebiet der Altertumskunde
gehört; weit über die Grenzen Österreichs und des gleich-
strebenden Deutschlands hinaus galt Otto Benndorfs Wirken
als vorbildlich. Als Lehrer der Archäologie hat er das
erste archäologische Seminar an einer deutschen Universität,
das sein unmittelbarer Vorgänger Conze gegründet hatte,
über ein Vierteljahrhundert musterhaft weitergebildet. Zahl-
reiche hervorragende Archäologen sind aus seiner Schule
hervorgegangen, unter denen die Wiener Fakultät und die
österreichische Regierung jetzt nach einem Nachfolger
Ausschau halten werden. Aber kein Student der Archäo-
logie in allen Ländern, wo sie wissenschaftlich gelehrt
wird, wird wohl Benndorfs archäologisch-pädagogische
»Wiener Vorlegblätter« nicht in der Hand gehabt haben. —
Vorbildlich ist auch die Organisation des österreichischen
archäologischen Instituts, an dessen Spitze der verstorbene
Meister stand. Die Aufgabe, die vom Staate unternommenen
oder geförderten Forschungen auf dem Gebiete der klassi-
schen Archäologie zu leiten und zu überwachen, hat er
seit der Gründung des Instituts im Jahre 1898 zu dessen
Heile erfüllt. Von ihm sind die meisten Anregungen zu
Expeditionen und Ausgrabungen ausgegangen, die die,
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In der Malerei sind zu nennen: die beiden sehr
schönen dekorativen Gemälde »Die Ruinen« und
»Abendruhe« von Rene Menard, das licht- und farben-
sprühende »Nachtfest« von Gaston Latouche, das vor
fünfundzwanzig Jahren gemalte gute Bildnis Clemen-
ceaus von Raffaelli, ein famoses Interieur mit drei
Kindern vor dem offenen Fenster von Lucien Simon,
das große dekorative Gemälde der »Bau- und Ingenieur-
kunst« von Victor Koos, das tüchtige Bildnis seiner
Eltern von Jean Pierre Laurens, das Dreibild aus dem
Leben der Bergleute von Emil Jonas, der Dragoner
von Roll und der leuchtende Himmel über leuchtendem
Meere von dem Norweger Diriks, einem der meist-
versprechenden jüngeren Pariser Maler.
Außerdem hat der Staat gute Zeichnungen, Litho-
graphien und Radierungen gekauft von Dethomas,
Leandre, Dauchez, Delätre, Riviere, Latenay, Raffaelli
und anderen. Alles in allem kann man mit diesen
Anschaffungen zufrieden sein, wenn man sich nämlich
auf den ziemlich allgemein angenommenen Standpunkt
stellt, daß der Staat die Künstler unterstützen und be-
lohnen soll. Verlangt man, daß er nur vorbildliche
Werke kaufe, so wird man in den Salons recht wenig
für ihn finden. Man muß sich also begnügen, wenn
er wenigstens nicht direkt schlechte und talentlose
Sachen kauft. Dies ist in früheren Jahren so oft ge-
schehen, daß es fast die Regel war, und wenn ein
Neuling im Salon fragte, was das Schildchen mit der
Aufschrift »Acquis par l'Etat« bedeute, wurde ihm
zur Antwort, das sei eine Warnungstafel, womit man
die schlechtesten Sachen im Salon bezeichne zu Nutz
und Frommen des Laienpublikums.
Nur bei den allerwenigsten von Herrn Dujardin-
Beaumetz angeschafften Arbeiten wäre eine solche
Warnungstafel am Platze. Es ist also ein Fortschritt
zu verzeichnen, und das muß man dankbar aner-
kennen.
Bei Hessele in der Rue Laffitte hat man eine
nachträgliche Ausstellung der Werke des vor zwei
Jahren verstorbenen Medailleurs Hubert Ponscarme
veranstaltet. Hubert Ponscarme, dessen erste Arbeiten
aus den vierziger Jahren datieren, ist recht eigentlich
der Vater der modernen Medaille. Zwar hatte schon
David von Angers in einigen seiner kleinen Porträts
den künftigen Weg angedeutet, aber es blieb Pons-
carme vorbehalten, mit der starren Langeweile der
Tradition auf diesem Gebiete aufzuräumen. Diese
Tradition verlangte, daß eine Medaille kreisrund war,
daß sie von einem erhöhten Rahmenrand umgeben
wurde, daß der Kopf des Dargestellten sich scharf
umrissen von einem spiegelglatt polierten Grunde
abhob. Wie gesagt, hatte schon David einige Ver-
suche gemacht, diesen alten Zopf beiseite zu setzen,
aber es war Ponscarme vorbehalten, die ganze Me-
daille zu einem einheitlichen Kunstwerke zu ge-
stalten, worin der Hintergrund eine ebenso große
Rolle spielt wie auf einem Gemälde. Seither haben
alle modernen Künstler der Medaille und der Plakette
den spiegelglatten Grund und die scharf davon ab-
getrennte Modellierung aufgegeben, und heute ist es
ganz selbstverständlich, daß die modellierten Figuren
mit dem Grunde zusammengehen müssen, daß eine
Medaille kein Metallknopf ist, wie er an einer Livree
oder Uniform das Wappen oder den Kopf des Herrn
zeigt. Ponscarme hatte eine außerordentlich weiche
Behandlung, bei der die Umrisse seiner Köpfe leise
und unmerklich mit dem Hintergrunde verfließen.
Man sieht sozusagen greifbar die Luft, welche den
Kopf des Dargestellten umgibt und denkt an die
Bildnisse Carrieres mit ihrer Dufthülle. Wahrschein-
lich weil er diese weiche Hülle liebte, hat Ponscarme
nur die wenigsten seiner Medaillen prägen lassen.
Die allermeisten sind gegossen, und sie sind Meister-
werke der Gießkunst, wobei auch die feinsten und
zartesten Nuancen von Licht und Luft wiedergegeben
sind. Das spröde Erz ist hier behandelt wie weiches
Wachs. Natürlich kann man nicht einfach der ge-
gossenen Medaille den Vorzug vor der geprägten
geben. Es wird sich stets um die Absicht des
Künstlers handeln, der einmal fest und bestimmt,
das andere Mal weich und zart auftreten will. Für
die scharf umrissene Bestimmtheit wird der Prägstock
wohl immer die beste Arbeit liefern, wo es aber
gilt, den zarten Abstufungen von Licht und Luft
nachzugehen, scheint der Guß der Prägung weit
überlegen.
Ebenfalls bei Hessele hat der Maler F. Dresel
eine kleine Ausstellung von Gemälden und Aqua-
rellen, zumeist bretonische Motive, die in einer Art
behandelt sind, die man eine Verbindung des
Münchener Museumstons mit der Naturwüchsigkeit
Lucien Simons nennen könnte. Es fehlt diesen im
übrigen recht hübschen und tüchtigen Arbeiten an
dem, was die Hauptsache in Kunst und Leben ist
und bleibt: an Persönlichkeit.
NEKROLOGE
Otto Benndorf f. In Otto Benndorf, den der erste
Tag des neuen Jahres aus einem reichen Leben abgerufen
hat, ist ein führender Geist der klassischen Archäologie
dahingeschieden. Nicht allein für die engere österreichische
Heimat war der in hohen staatlichen und Universitäts-
würden stehende Gelehrte die maßgebende Persönlich-
keit für alles, was in das Gebiet der Altertumskunde
gehört; weit über die Grenzen Österreichs und des gleich-
strebenden Deutschlands hinaus galt Otto Benndorfs Wirken
als vorbildlich. Als Lehrer der Archäologie hat er das
erste archäologische Seminar an einer deutschen Universität,
das sein unmittelbarer Vorgänger Conze gegründet hatte,
über ein Vierteljahrhundert musterhaft weitergebildet. Zahl-
reiche hervorragende Archäologen sind aus seiner Schule
hervorgegangen, unter denen die Wiener Fakultät und die
österreichische Regierung jetzt nach einem Nachfolger
Ausschau halten werden. Aber kein Student der Archäo-
logie in allen Ländern, wo sie wissenschaftlich gelehrt
wird, wird wohl Benndorfs archäologisch-pädagogische
»Wiener Vorlegblätter« nicht in der Hand gehabt haben. —
Vorbildlich ist auch die Organisation des österreichischen
archäologischen Instituts, an dessen Spitze der verstorbene
Meister stand. Die Aufgabe, die vom Staate unternommenen
oder geförderten Forschungen auf dem Gebiete der klassi-
schen Archäologie zu leiten und zu überwachen, hat er
seit der Gründung des Instituts im Jahre 1898 zu dessen
Heile erfüllt. Von ihm sind die meisten Anregungen zu
Expeditionen und Ausgrabungen ausgegangen, die die,