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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Doering, Oskar: Von der Jubiläums-Ausstellung zu Mannheim
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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVIII. Jahrgang 1906/1907 Nr. 26. 17. Mai.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

VON DER JUBILÄUMS-AUSSTELLUNO
ZU MANNHEIM

Die Stadt Mannheim veranstaltet in diesem Jahre
zur Gedächtnisfeier ihres 300jährigen Bestehens eine
große Gartenbau- und Internationale Kunstausstellung.
Es ist rühmend auszusprechen, wie fein und tief in-
mitten aller Tätigkeit des Tages mit ihren rein prak-
tischen Aufgaben das Verständnis für edle Kunst, wie
lebhaft der Trieb, sie zu begreifen und zu fördern
in dieser großen Handels- und Gewerbestadt sich
erhalten hat. Man bringt ihr bereitwillig die größten
Opfer, man scheut nicht das Wagnis dieser großen
und kostspieligen Ausstellung, ja man beruft einen
der vorzüglichsten Architekten, um der Kunst in
Mannheim eine dauernde Stätte zu bereiten. Ein in
wohlig warmtönigem rotem Sandstein ausgeführter
Bau; ein kräftiger vorspringender, mit viereckiger
Kuppel das Ganze beherrschender Mittelteil, daran
angelehnt nach beiden Seiten in gleicher Flucht zwei
Flügel, die in charaktervollen Erkerbauten enden. Im
Mittelbau das einfache imposante Portal, davor eine
Freitreppe, auf deren Wangen streng gezeichnete
Löwen lagern. Das Ornamentale tritt bescheiden
zurück, nur an den Pfeilern, die den Mittelrisalit
flankieren, stehen beiderseits je zwei weibliche Fi-
guren, die mitsammen einen Kranz in die Höhe
halten. Das ist so gut wie alles. Die Wirkung liegt
eben in der monumentalen Einfachheit und in der
Schönheit des seiner Natur nach so überaus ver-
ständnisvoll behandelten Materials. Anders geartet
und doch aus denselben Ideen gebildet ist das Innere.
Hell und licht das Vestibül, ernst und vollendet vor-
nehm das Treppenhaus mit seinen Wänden aus
dunklem Odenwälder-, seinen Pfeilern aus farbigem
indischen Marmor. Die Ausschmückung der einzelnen
Säle ist verschiedenen Künstlern überlassen worden.
Jeder hat zeigen dürfen, wie er die modernen Pro-
bleme der Raumkunst zu lösen versteht. So ist ein
wundervoller Wechsel zwischen den einzelnen Sälen
und Zimmern entstanden, zauberhaft bald milde, bald
stark wirkend. Wie auf Wellen läßt er uns auf
und niedergleiten, und in mächtigen, sanften Wir-
kungen, gleich unwiderstehlich, zwingt er zur Be-
wunderung.

Noch harren verschiedene Räume der Vollendung.
Kein Zweifel, daß auch sie ernstliche Beachtung ver-

dienen werden. Von den fertigen erwähne ich einige
von Otto Prutscher-W ien ausgeführte, darunter das
japanische Kabinett in Grau und Weiß mit feinen
schwarzen Randverzierungen; ferner einen sehr schönen
Raum, der nur durch zu lebhaftes Oberlicht leidet,
von Benno Becker-München, die Wände in stumpfem,
leicht ornamentiertem Schwarz, der Plafond Gold;
dann den gleichfalls von Prutscher hergerichteten
Raum in gemustertem Grau und eingelegtem Holz;
das in hellem Wandton mit Mahagoni-Einfassung
ausgeführte Zimmer von Professor Billing; das etwas
große »Kabinett eines Kunstfreundes« von Ad. Nie-
mayer-München in grauem Holz mit Weiß; das be-
rauschend wirkende Kabinett von Hierl-Deronco mit
der karmoisinfarbigen seidenen Wandbespannung.
Noch nicht vollendet ist ein Raum, der sehr schön
werden wird, von R. Tillessen-Mannheim, mit dem
bisher allein erkennbaren kassettierten Plafond, den
auf einem Grunde von Goldmosaik grüne Kränze
zieren. Mehr originell als nachahmenswert erscheint
mir jener Raum für Skulpturen (Bildhauer C. A. Ber-
nau n-München) mit den von patiniertem Silber über-
zogenen Wänden, von denen das schwarze Linoleum
des Fußbodens in Farbe wie Material allzu stark ab-
sticht. Eine Phantasie! Wo der Wert? Wo über-
dies die Dauer des Geschmacks für so extreme Sachen
wie die der materiellen Beschaffenheit? Wer wird
ferner lange die flimmernde Unruhe ertragen können,
die im Räume der Wiener Werkstätten das Auge
hin- und herzerrt? Sollen dort etwa die paar an
den Wänden wie Inseln im Ozean versprengten
Einzelgestalten von Klimt einen Ruhepunkt bieten?
Man atmet erst wieder auf, wenn man diesen Saal
hinter sich hat. Und denkt, wie schade es ist, daß
man die dort ausgestellten schönen schlichten Stücke
der angewandten Kunst, die silbernen, goldenen und
— ledernen Herrlichkeiten der Wiener Schule nicht
mit Ruhe genießen darf.

Und das ist sicher — für die Erzeugnisse der
bildenden Kunst, welcher Gattung immer, ist diese
Art der Raumgestaltung mehr als gefährlich. Sie
wirkt betäubend. Sie mindert auch für den, dessen
Sinn klar bleibt, bei all dem Verwirrenden an Fuß-
boden, Wand und Decke, schon ganz einfach optisch
den Eindruck des Ausgestellten. Was sollen da Bilder
von selbständigem Werte? Sie werden zum dekora-
tiven Nebendinge.
 
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