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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Hermanin, Federico: Römischer Brief, [1]
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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von t. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XVIII. Jahrgang 1906/1907 Nr. 11. 4. Januar

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewei beblatt« monatlich dreimal, in c'en Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zfichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandhing keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13 Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Peruzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

RÖMISCHER BRIEF

Nach und nach ist die Debatte über Villa Bor-
ghese ruhiger geworden. Man spricht wohl noch
davon und interessiert sich dafür, aber die Hartnäckig-
keit der städtischen Behörden ist so groß gewesen,
die Herren vom Kapitol haben den ganzen Sturm
der Entrüstung aller Künstler und Literaten so mutig
übersieh ergehen lassen, daß sie schließlich die letzten
Tropfen des Hagelwetters von sich geschüttelt und
mutig ihr Werk des Abholzens und Bauens fortgesetzt
haben, während die anderen, die Stürmer, vor so
monumentaler Beharrlichkeit erschöpft stehen geblieben
sind. Man kann noch so begeistert und feurig sein,
der Hartköpfige, welcher einen passiven Widerstand
leistet, trägt doch den Sieg davon. Man hat zwar
den Stadtmagistrat vor den Richter gerufen, weil die
Erbauung des internationalen Ackerbauinstituts das
Recht der römischen Bürger auf die Villa schmälert,
aber die Hoffnungen auf den Richtspruch sind nicht
allzu groß und man wird sich wohl zu dem Talazzetto
zwischen den dunklen Steineichen bequemen müssen.
Am schlimmsten wird wohl die Sache für den Ar-
chitekten Passerini sein, dessen Bauwerk gewiß nicht
mit allzu liebevoller Kritik begutachtet werden wird.
Überhaupt wohnt man jetzt in Rom einem außer-
gewöhnlichen Streit bei, der sich zwischen den städti-
schen Behörden und den künstlerischen Vereinen der
ewigen Stadt abspielt. Die Stadtbehörden denken
nur an große Straßen, die den immer wachsenden
Verkehr erleichtern sollen, an Abreißen alter, unge-
sunder Stadtteile und an die Gründung neuer nach
modernen Ideen angelegter. Natürlich finden die hy-
gienischen Ideen des Magistrats manchen Widerstand
in künstlerischen Vereinen; aber viel Beifall bei
minder ästhetisch aber praktisch denkenden Bürgern.
So wird man wohl zu einem Kompromiß kommen
und man darf nicht zweifeln, daß das Beste und In-
teressanteste verschont bleiben wird. Nun hat aber
der Magistrat auch eigene Verschönerungsideen, die
er zur Ausführung bringen will und gegen welche
wieder von allen Seiten aufs heftigste geeifert wird.
Zu diesen gehört die neue große Allee vom Zentral-
bahnhof nach der Esedra di Termini, wo der große
Schaubrunnen mit den Najaden von Rutelli steht.
Um die große Straße zu bauen, hat man den gut
angewachsenen Garten auf dem Bahnhofsplatz durch-

geschnitten, die schönen Palmen ausgehoben und
nach Piazza di Spagna transportiert, wo sie jetzt vor
dem Hotel de Londres aufgestellt wurden, und die
Zedern und Steineichen einfach abgeholzt. Um die
Bäume ist es jammerschade, aber niemand kann
behaupten, daß der neue Weg häßlich sei. Rechts
und links von ihm sollen Gärten sein und der
Garten rechts bis zu den Thermen reichen. Sicher
wird es schön sein, wenn sich das alte Gemäuer von
Rasen und Pflanzen abheben wird. Am meisten
haben die kühnen Najaden von Rutelli dadurch ge-
wonnen und deshalb lacht man über den Magistrat
und seine Gran Via, weil zwischen den Stadtvätern
einige Ultrakonservative sind, welche vor Jahren aufs
eifrigste gegen diese losen Frauenzimmer geeifert
und überhaupt ihre Entfernung verlangt hatten und
die Enthüllung verhinderten, bis das Volk, Studenten
an der Spitze, den erneuten Brunnen einfach stürmte.
Rutellis Statuen haben überhaupt immer ein ganz be-
sonderes Schicksal, denn immer muß Skandal darum
entstehen. Das von ihm modellierte Standbild des
Philosophen Spedalieri wurde nachts polizeilich ent-
hüllt, weil Klerikale und Antiklerikale die Enthüllung
von Tag zu Tag aufschoben und sich herumstritten,
welcher Art, im politischen Sinne, Spedalieris Philo-
sophie eigentlich gewesen sei. Jetzt steht wieder ein
Monumentkrach bevor, weil man vorhat, ein Denk-
mal dem Andenken Anitas, der tapferen Gattin Gari-
baldis, zu errichten, um einen Platz in Neurom da-
mit zu schmücken. Der Streit wird aber dieses Mal
nur künstlerischer Natur sein, weil man erfahren hat,
daß der zur Ausführung wahrscheinlich gewählte
Künstler vorhat, Garibaldi mit seiner Frau auf einer
Insel darzustellen, und alle lachen über das Wasser-
bassin mit den Goldfischen, welches den Ozean um
die Insel darstellen wird auf irgend einem mit Miets-
kasernen umgebenen und mit Kugelakazien bepflanzten
Platz. Chi vivrä vedrä sagt man hier: Wer leben wird,
wird sehen, aber leider sind die Aussichten in dieser
Beziehung nicht rosig. Eben kommt die Nachricht,
daß auch dieses schon im voraus umstrittene Monu-
ment von Rutelli ausgeführt werden wird.

Während der Stadtmagistrat sein möglichstes tut,
um den Pflanzenschmuck zu beeinträchtigen, hört;
man andererseits von Plänen zu großartigen Park-
anlagen, mit welchen Rom verschönert werden soll.
Im Norden soll sich an die mit dem Pincio verbundene
 
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