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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Florentiner Brief, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Masse«

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVIII. Jahrgang

1906/1907

Nr. 8. 7. Dezember

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

FLORENTINER BRIEF

Mit Bedauern werden viele deutsche Kunstforscher
die Nachricht vernehmen, daß Professor Supino seine
Stellung als Leiter des Museo Nazionale verläßt und
nach Bologna übersiedelt, um die Professur der Kunst-
geschichte an der dortigen Universität zu übernehmen.
Obschon wir wissen, daß er nunmehr ungleich mehr
Muße für seine wissenschaftlichen Arbeiten finden
wird, und obwohl wir uns von ihm, in einer neuen
Umgebung, neue und reiche Ernte versprechen dürfen,
auf einem bisher noch nicht genügend bestellten Boden,
so werden wir doch den stets hilfsbereiten Leiter des
Bargello schwer vermissen, der jedem mit seinen
Kenntnissen zur Seite stand, ohne zwischen der eigenen
oder fremder Nationalität einen Unterschied zu machen.

Daß ein unbekanntes Bild von Fra Filippo auf-
gefunden worden ist, wurde auch an dieser Stelle
bereits kurz erwähnt. Es hatte sich irgendwo in der
Irrenanstalt zu San Salvi befunden. Jetzt ist es in den
Sitz der Deputazione provinciale im Palazzo Riccardi
übergeführt worden, und es besteht die Absicht, es dort
zu behalten, nicht aber es an eine der großen Samm-
lungen abzugeben. Darüber kann man sich nur auf-
richtig freuen, denn das Bild wird gewiß als Einzel-
objekt viel teilnahmsvoller betrachtet werden, als in
der großen Masse einer Galerie. Und es verdient
solch eingehende Betrachtung in hohem Maße. Ernst,
streng und groß komponiert, mit leuchtenden Farben
gemalt, erscheint es als bedeutendes Werk eines ge-
reiften Künstlers. Die Madonna (Halbfigur) steht in
einer mit der Muschel verzierten Marmornische und
hält mit beiden Händen den nur mit einem dünnen
Hemdchen bekleideten Knaben, der auf einer Marmor-
brüstung vor ihr steht, nach links gewendet, und seinen
Arm ihr um den Hals legt. Maria senkt den Kopf
zu dem Kinde herab, ihre Wange ruht auf ihm,
während der Knabe auf den Beschauer blickt: ein
Motiv, dem der »Madonna della Sedia« nicht unähn-
lich. Sehr prächtig ist das Kleid Mariens: ein rotes,
mit Granatblütmuster geschmückter Ärmel fällt sofort
ins Auge. Auf dem Schleiertuch mitten über der
Stirn trägt sie ein feines Schmuckstück; zwischen
zwei goldenen Flügeln liegt ein Rubin, an dem eine
Perle hängt. Einzelne Perlen, an feinen Drähten be-
festigt, hängen vom Saum des Schleiers herab.

Die Rückseite der Tafel ist mit Kreidegrund

überzogen und auf diesen hat der Frate mit dem
Pinsel in schwarzer Tusche die Konturen eines über-
lebensgroßen Kopfes gesetzt, etwas ganz Grandioses
in seiner reinen, strengen Form, voll Ausdruck in der
beseelten Linienführung. Darunter klein die Skizze
für ein Tabernakel, wohl wie er sich die Umrahmung
eben dieses Bildes gedacht hat.

Die Erhaltung ist im ganzen sehr erfreulich.
Einzelne Teile, namentlich der Madonnenkopf in der
Hauptsache, sind ganz unberührt. Im Gesicht des
Kindes gewahrt man Retouschen; den Körper bedeckt
ein schmutziger bräunlicher Firnis. Auf der Rückseite
ist ein breiter Streifen des Grundes stückweise ab-
geblättert.

Ein zweiter hübscher Fund ist zu melden. In
den Kellerräumen der »Akademie der schönen Künste«
hat Peleo Bacci eine Tonskizze Berninis für einen
Brunnen gefunden, den Papst Clemens IX. Rospigliosi
seiner Vaterstadt Pistoja hatte zum Geschenk machen
wollen. Eine prachtvolle Idee: Delphine tragen eine
Muschel, ein paar Tritonen blasen auf Muschelhörnern,
in der Mitte das päpstliche Wappen. Ein verstümmelter
Brunnen, der darauf zurückgeht, ist im Palazzo Anta-
moro in Rom. Die Akademie, der die Skizze durch
einen Nachkommen des Papstes zu Anfang des 19.
Jahrhunderts zufiel, und die sich als so würdige
Hüterin des schönen Stückes bewährt hat, scheint
jetzt nicht geneigt es herzugeben, obwohl über die
Stelle, an die es gehört, nicht wohl ein Zweifel sein
kann. Hoffentlich können wir es bald im Bargello
bewundern.

Die unerfreuliche Chronik der Diebstähle von
Robbia-Arbeiten hat wieder eine neue Tat zu ver-
zeichnen : mehrere Stücke wurden aus der Kirche
S. Andrea in Camuggiano, im Mugello, entwendet
darunter ein Teil des Taufbrunnens. Trotzdem es
sich offenbar um ganz systematische Beraubung der
entlegenen Kirchen handelt, ist bisher von einer Ent-
deckung der Bande und der Hehler leider nichts
verlautet. G. Gr.

NEKROLOGE
Der Wiener Maler Wilhelm Bernatzik, einer der
Begründer der Sezession, seither aber mit der Klimtgruppe
ausgetreten, ist am 25. November in der Hinterbrühl, in
der Villa seines Schwagers Marx gestorben. Geboren 1853
zu Mistelbach in Niederösterreich, ein Bruder des be-
 
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